Euroshop So zahlen wir in Zukunft

Mit Payfree stellten die Volks- und Raiffeisenbanken erstmals einen kassenfreien Check-out ohne Kameras oder Sensorik vor. RIFD-Technik macht es möglich. Für den LEH eine Zukunftsvision.

Montag, 23. März 2020, 12:16 Uhr
Markus Wörmann
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Bildquelle: VR Payment

VR Payment, der hauseigene Spezialist für bargeldloses Bezahlen der Volks- und Raiffeisenbanken, präsentierte bei der Euroshop sein neues Payfree-System für bargeldloses Bezahlen mit einem kassenfreien Check-out auf RFID-Basis. Jetzt ist die Technik der Radio Frequency Identification (RIFD) nicht gerade neu. Solche RIFD-Tags werden in vielen Bereichen des Handels und Logistik bereits verwendet. Die Innovation ist vielmehr am Ende des Einkaufs zu finden: Dort geht der Payfree-Kunde durch eine RFID-Zone, in der die Waren automatisch gescannt und ein Bezahlprozess per App ausgelöst wird. Keine Warteschlangen, kein Auspacken der Ware auf Kassenbänder, keine aufwendigen Kameras oder Sensorik zum Erfassen der Produkte im Einkaufskorb. Die RIFD-Zone besteht vielmehr aus einer 1,5 bis 2 Meter langen Fußmatte und einer ebenfalls mit Sensoren ausgestatten Wand.

„Mit Payfree wird die Vision Realität, dass das Bezahlen zum Hintergrundprozess des Einkaufens wird. Das haben wir für den Teil des Handels geschaffen, der bereit ist, seine Waren zu taggen“, erklärt Carlos Gómez-Sáez, Geschäftsführer von VR Payment. Doch genau an dieser Stelle wird es für den LEH zur Zukunftsvision. Denn die Tags sind heute mit etwa drei Cent noch recht teuer. Payfree zielt aktuell eher auf den Mode-, Schuh- und Kosmetikhandel ab. „Aber auch für Produkte mit niedrigen Verkaufspreisen kann das Verfahren aufgrund der stark sinkenden Kosten für Tags interessant werden“, ist Gómez überzeugt.

Aber selbst wenn sich die Kosten für Tags in den nächsten Jahren halbieren, sind sie vermutlich immer noch nicht massentauglich. Insbesondere der LEH mit Wiegewaagen und frei zusammenstellbaren Mischungen stünde vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Welche das sind, hat Professor Thomas Kaiser von der Universität Duisburg-Essen im Interview beantwortet (siehe unten).

Deutsche lieben ihr Bargeld
Doch bereits 2018 hat nach einer Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI die Kartenzahlung das Bargeld im Umsatzanteil überholt, wenn auch nur um 0,3 Prozent-Punkte. Ein Trend, den auch Stephan Leinung von Payone, dem inzwischen führenden Payment-Anbieter in Europa, weiter wachsen sieht. „Das Bargeld wird bleiben, aber das Vertrauen in die Sicherheit der Karte ist heute noch verbreiteter als in Smartphones oder ähnlichem“, erklärt Leinung. Aus seiner Sicht wird der Kunde der Zukunft vielmehr erwarten, dass seine Wunschbezahlweise im LEH möglich ist, also alle gängigen Kredit- und Debitkarten sowie alle relevanten OnlineZahlungsarten akzeptiert werden. Dabei sei es irrelevant, ob der Kauf stationär, online oder omnichannel getätigt würde.

Die Zahl der Anbieter sei noch ausbaufähig, meint Caroline Coelsch vom EHI Retail Institute. „Eine Vielzahl von Bezahlverfahren wird in den nächsten drei Jahren auf den Markt kommen“, erläuterte die Projektleiterin Online- und Mobile-Payment auf der Messe in Düsseldorf. Dabei genießen nach einer Befragung der EHI immer noch die etablierten Sparkassen und Volksbanken das größte Vertrauen der Kunden. Apple, Google oder Telekommunikationsanbieter liegen in diesem Punkt auf den hinteren Rängen.

Hyperpersonalisierte Bedürfnisse
Vanda Astfäller, Head of Sales von Wirecard, einem der führenden Anbieter digitaler Plattformen im Zahlungsverkehr, geht noch einen Schritt weiter. „Das Bezahlen wird in Zukunft unsichtbar werden. Aber mit dem Bezahlen werden in Zukunft Mehrwerte verknüpft, wie die Warnung durch eine App vor Produkten, die beim Kunden Allergien auslösen“, erklärt Astfäller. Nach ihrer Einschätzung will der Kunde erkannt und angesprochen werden. „Hyperpersonalisierte Bedürfnisse“ nennt sie das. Und wo bleibt da der Datenschutz? Nach der Meinung vieler Payment-Anbieter bei der diesjährigen Euroshop gehen zukünftig Generationen von Kunden damit gelassener um.

Dass das Bargeld bleiben wird, davon ist Thomas Rausch, Sales Director von Glory, dem weltweit führenden Anbieter von Kassensystemen, naturgemäß überzeugt. Dabei stützt er sich auf valide Zahlen, denn nach der EHI-Studie werden immer noch 48,3 Prozent im deutschen Einzelhandel bar abgewickelt. Laut Bundesbank wollen 88 Prozent der Deutschen nicht auf Bargeld verzichten. „Für unsere Kunden, gerade im Lebensmitteleinzelhandel, stehen die Optimierung des Bargeldhandlings, die Sicherheit und Hygiene im Vordergrund.“

Nachgefragt bei Professor Thomas Kaiser, Spezialist für RIFD-Technik

Was macht die RIFD-Technik für den Retail so interessant?
Thomas Kaiser: Die RIFD-Technik gibt es ja bereits seit etwa 20 Jahren. Entsprechend groß ist die Erfahrung damit. Da es auf Radiowellentechnik aufbaut, ist der Vorteil heute die Kombination aus geringer Transpondergröße, unauffälliger Auslesemöglichkeit und einem relativ geringen Preis von etwa drei Cent aktuell.

Wo sehen Sie aktuell die größten Hemmnisse für RIFD im LEH?
Zwei Dinge mögen auch heute RIFD-Tags, also die Transponder nicht: Feuchtigkeit und Metall. Deshalb ist der Einsatz im Kühl- und Tiefkühlbereich problematisch. Ebenso sind Tags auf Getränkedosen und Konserven nicht zuverlässig. Das schränkt die Nutzung im LEH heute noch deutlich ein. Ich glaube auch, dass die Kosten für den Tag aktuell für den LEH mit seiner Vielzahl von Produkten im niedrigen Preissegment noch zu hoch ist.

Wann werden wir mit vollen Einkaufswagen ohne Anzuhalten aus dem Supermarkt fahren und automatisch bezahlt haben?
Ich halte das in den nächsten zehn Jahren noch für unrealistisch, aber es wird in Zukunft möglich sein.