Interview mit Götz Rehn „Wir entwickeln digitale Werkzeuge“ - Interview mit Götz Rehn: Teil 2

Nach der Trennung von dm ist der älteste deutsche Bio-Händler wieder auf Wachstumskurs. Auch für dieses Jahr rechnet sich das Unternehmen gute Chancen aus. Dazu sollen das Alnatura-Frische-Sortiment auch bei Edeka sowie ein Lieferdienst baldmöglichst beitragen. Ein Gespräch mit Alnatura-Chef Götz Rehn.

Donnerstag, 01. Februar 2018 - Management
Martin Heiermann
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Bildquelle: Ingo Hilger

Wie schätzen Sie das Marktpotenzial insgesamt?
Das Potenzial ist riesig und wird noch über die aktuell 10 Mrd. Euro Bio-Umsatz hinausgehen. Dringend notwendig ist aber politische Unterstützung für den Bio-Landbau, der wesentlich nachhaltiger ist als die Agrarindustrie. Das Volumen lässt sich leicht verdoppeln. Es bleibt dafür allerdings künftig viel zu tun.

Wie sehen Sie Ihre Chancen im Online-Handel?
Digitaler Handel ist für uns ein wichtiges Thema. Deshalb beschäftigen wir uns zurzeit intensiv mit der Weiterentwicklung unseres Online-Shops. Wir entwickeln weitere digitale Werkzeuge, die wir unseren Kunden zur Verfügung stellen. Wir denken beispielsweise darüber nach, unseren Alnatura-Kunden Artikel zuzustellen, die wir nicht im Alnatura Super-Natur-Markt haben oder die unsere Kunden nicht selbst abholen können.

Sie planen also einen Lieferdienst aus den Filialen?
Ja, verschiedene Varianten haben wir durchdacht. Dabei spielen die Zustellung und das Abholen eine wichtige Rolle. Wir trauen uns das zu und werden dies in einer Region ausprobieren. Allerdings ist noch nichts umgesetzt.

Wie wollen Sie diesen Service mit Ihrem Online-Shop kombinieren?
Wir betreiben unseren Online-Shop in Kooperation mit Gourmondo. Logistisch abgewickelt wird dieses Geschäft national über ein Lager in Hannover. Das ergänzen wir durch die Leistungen unserer Filialen. Via Internet oder Social Media können dann Liefer- oder Abholdienst in Anspruch genommen werden. Wir sehen in einer Erprobung dann, wie die Kunden auf unser Angebot reagieren werden und was für uns angemessen ist.

Wann wollen Sie starten?
So bald wie möglich. Allerdings wird es wohl in diesem Jahr noch nicht soweit sein.

Mit Ihrem Frische-Sortiment sind Sie bereits durchgestartet. Es ist 2016 /2017 wohl ordentlichgewachsen, oder ?
Das Alnatura-Sortiment im Frische-Bereich war eher klein, auch weil dm nicht der Ort war, wo Kunden solche Produkte einkaufen. Nach dem Abschied von dm haben wir die Chance genutzt, die Frische in den vergangenen drei Jahren auszubauen. Die Artikel haben eine hohe Frequenz und sind wichtig für uns und unsere Handelspartner. Wir wollen und werden ihre Listung im Lebensmittel-Einzelhandel weiter ausbauen. Zurzeit machen wir das mit viel Erfolg.

Wie funktioniert das logistisch?
Wir haben ein zentrales nationales Verteilzentrum für Frische, das als Kooperation mit einem Dienstleister betrieben wird. Von dort aus wird an die Verteilzentren der Lebensmittler geliefert.

Welche Produkte laufen gut?
Die Standardprodukte wie Milch, Butter oder Hüttenkäse. Allerdings erfolgt die Einlistung im Lebensmittel-Einzelhandel in einem längeren Prozess, denn dort sind ja bereits Bio-Marken vorhanden. Großes Interesse finden aber auch unsere neuen kaltgepressten Smoothies und Säfte oder Spezialprodukte wie Ziegen- oder Schafsmilch. Denn diese sind im Handel bisher nicht vertreten. Unsere Partner hierfür sind Molkereien in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Auch ohne den Partner dm

1986 begann Alnatura mit dem Verkauf von Bio-Produkten in den Lebensmittelmärkten von Tegut und den dm-Drogeriemärkten zunächst mit einem Shopin-Shop-Angebot. 1987 wurde der erste Alnatura-Markt in Mannheim eröffnet. 1989 zog das Unternehmen von Fulda an den jetzigen Standort in Bickenbach.

Nach Unternehmensangaben war 2005 erstmals mehr als die Hälfte aller Führungspositionen mit Frauen besetzt. 2006 wurde in Köln der 25. Alnatura Super-Natur- Markt eröffnet. Im Jahr 2012 wurde der erste Markt in der Schweiz in Kooperation mit der Migros in Zürich eröffnet. Die Migros vertreibt seither auch Alnatura-Produkte in ihren Filialen und seit Juli 2014 auch über Le-Shop. 2014 entschied die Drogeriemarktkette dm, Bio-Lebensmittel künftig unter eigener Handelsmarke anzubieten und Alnatura-Produkte auszulisten. Alnatura konnte dies durch mehr eigene Läden und neue Handelspartner aus der Edeka- Gruppe ausgleichen. Im März 2016 wurde in der Berliner Friedrichstraße der 100. Alnatura- Markt eröffnet.

Mit welchen Partnern kooperieren Sie derzeit im Handel?
Bisher sind unsere Partner Tegut, Globus, Budni und auch Hit. Jetzt arbeiten wir im Frische-Segment auch mit allen sieben Edeka-Regionen zusammen.

Erzeugen Sie nicht einen Wettbewerb zu Ihren eigenen Standorten dadurch, dass Sie bei einigen Lebensmittel-Einzelhändlern und in Drogeriemärkten vertreten sind?
Im Gegenteil: Es geht um eine wechselseitige Förderung. So lernen uns viele Kunden im Lebensmittelhandel kennen, beispielsweise bei Edeka. Dort gibt es ein großes, rund 600 Artikel umfassendes Sortiment von Alnatura. Das weckt Interesse. Viele Kunden schauen dann online nach, kaufen auch online oder suchen einen Alnatura-Markt in ihrer Nähe, wo sie noch mehr einkaufen können. Das ist ein Modell, das auch in der Textilindustrie oft angewandt wird zwischen Depot und Flagship-Store. Beide gewinnen.

Findet ein Kundenaustausch zwischen Ihren Partnern und Ihren Läden statt?
Der Austausch ist nicht so groß. Wir haben über 30 Jahre einen großen Stammkundenanteil gewonnen. Neue Alnatura-Märkte eröffnen wir, wo wir auf einen potenziellen Stammkundenkreis zurückgreifen können. Aber es gibt natürlich Verbraucher, die in beiden Ladenformaten einkaufen. Während der Woche kaufen sie abends auf die Schnelle bei unseren Handelspartnern. Den Wochenendeinkauf erledigen sie dann aber eher doch bei uns. Hundertprozentige Bio-Kunden sind bei uns besser aufgehoben.