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Seit rund zehn Jahren geht die Anzahl der Käsetheken Lebensmittel-Einzelhandel zurück. Ein Hauptgrund der Kostendruck durch die Discounter. Als im vergangenen Jahr die Negativ-Entwicklung gestoppt schien, sprachen einige Branchenkenner bereits von Trendwende, einer Renaissance der Bedientheken. Ob dieser Wandel wirklich zu Stande kommt, bleibt abzuwarten. Dass er wünschenswert ist, da waren sich die Teilnehmer beim Round-Table-Gespräch im Food-Hotel in Neuwied einig.
Warum ist die Käse-Bedientheke für den Lebensmittel-Einzelhandel unabdingbar?
Carina Schäfer: Beratung ist das A und O und nur geschultes Personal kann dem Kunden neue Dinge nahebringen. Das Käse-Sortiment ist so breit und tief, da braucht es Mitarbeiter, die das Wissen vermitteln. Wenn Sie die Käsetheke aus einem Markt nehmen, nehmen Sie dem Markt die Seele.
Manuela Diehl: Vor circa acht Jahren haben wir anders gedacht als heute, die Theken tendenziell verkleinert. Aber seit fünf Jahren hat sich diese Blickrichtung geändert. Wir merken: Mit Spezialitäten in den Fachabteilungen können wir uns von der Masse abheben.
Roswitha Vogl: Man kann mit der Theke gutes Geld verdienen. Wir machen damit 4 bis 4,5 Prozent vom Umsatz. Aber dafür muss man sich dann auch engagieren. Unsere Kunden kommen von weit her, um an unserer Theke Käse zu kaufen.
Konrad Kreuzberg: Es ist gar nicht so schwierig, wie wir alle immer tun. Man muss Käse mit dem Herzen verkaufen. Was man mit dem Herzen macht, macht man auch gut. Käse in Bedienung ist für mich ein Muss.
Herr Roelofs, Herr Pelka, warum setzten Sie beim Vertrieb und Marketing Ihrer Produkte so stark auf die Theke?
Christian Pelka: Erklärungsbedürftige Spezialitäten können nur schwer über das SB-Regal verkauft werden. Wir setzen mit unseren Vkf-Maßnahmen daher zu 100 Prozent auf die Käsetheke. Im Handelsmarketing wird ja fast ausschließlich der Preis als Instrument genutzt. Mit Qualität und Spezialitäten kann man dem entgegenwirken.
Jan Roelofs: Wir haben schon immer ausschließlich auf die Theke gesetzt. Beemster verkauft seine Premium-Produkte über den Geschmack. Nicht Quantität, sondern Qualität ist bei uns die Richtlinie. Ich möchte für die Zukunft aber nicht ausschließen, dass wir auch mal in den Prepack-Bereich gehen. Aber dann brauchen wir einen Fresh-Pack, der auch wirklich Frische vermittelt. Das erfordert viel Entwicklungsarbeit, das geht nicht von heute auf morgen. Entweder man macht Prepack perfekt oder gar nicht.
Der Prepack-Anteil wird nach Angaben der GfK immer größer. Entsprechende Theken sind mittlerweile aus den meisten Märkten nicht mehr wegzudenken. Warum ist das so?
Kreuzberg: Gerade in Regiemärkten wird Prepack favorisiert, um Personalkosten zu senken. Aber das ist tödlich! Im unserem E-Center in Koblenz haben wir nur 1 Meter Prepack. Wir müssen als Inhaber doch zeigen, wie man aktiv verkauft und die Kunden probieren lassen!
Also wird durch Prepack die Performance der Käsetheke schön gerechnet?
Schäfer: Ja, aber wo der personelle Aufwand liegt, wie Disposition und Verräumung der Ware, da sollte auch der Umsatz gebucht werden.
Kreuzberg: Bei uns ist das nicht der Fall, wir rechnen Prepack zu SB.
Schadet oder nutzt der Prepack-Bereich der Bedientheke?
Roelofs: Meiner Erfahrung nach präsentiert sich Prepack heute oft in der allerschlechtesten Form, viel schlechter als SB-Verpackungen. Ich kann Ihnen auf Anhieb zehn Beispiele nennen, wo Prepack die Bedienungstheke runterstuft.
Schäfer: Der Prepack-Kunde ist nicht der typische Kunde der Käsetheke. Industriell abgepackte Ware ist oft besser als das, was vom Thekenpersonal verpackt wird.
Wenn die Kunden schon unterschiedlich sind, warum wird dann meist auch der billige Gouda in der Theke verkauft?
Vogl: An der Theke habe ich die Chance, auch den typischen 35 Cent-Gouda-Esser für andere Käsesorten zu begeistern. Wir können uns die Arroganz nicht leisten, solche Kunden nicht zu bedienen.
Diehl: Günstiger Gouda ist nach wie vor als Zug-Artikel in den Handzetteln. Käse wurde von uns lange nur stiefmütterlich behandelt. Wir haben das jetzt geändert, die meisten Abteilungen bei Dornseifer haben nun eine eigene Abteilungsverantwortliche. Wo das der Fall ist, machen wir 3 bis 3,5 Prozent Umsatzanteil, ansonsten nur 2 Prozent.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt also beim Personal. Ein kontrovers diskutiertes Thema ist die Ausbildung. Es gibt den IHK-geprüften Beruf „Fleischereifachverkäufer/in". Das Pendant zum Käse jedoch fehlt.
Schäfer: Ein entsprechender Ausbildungsberuf wäre toll. Aber ist er auch umsetzbar? Ich selbst bin Diplom Käse-Sommeliére, den Ausbildungsgang habe ich in drei Wochen vor einigen Jahren in Österreich absolviert, mittlerweile ist dies über einen dreiwöchigen Kompaktkurs inklusive oder mit anschließender Prüfung möglich. Aber ich hatte auch schon sehr gute Vorkenntnisse und langjährige Berufserfahrung. Einen jungen Menschen müsste man mindestens drei Monate lang intensiv schulen, zusätzlich zur herkömmlichen Ausbildung. Das ist für die breite Masse im Handel nicht machbar.
Kreuzberg: Eine Spezialisierung nur auf Käse klappt nicht, das wird es nicht geben. Für die Spezialisierung müssen Trainings vor Ort reichen. Wir stehen in der Verantwortung, wie wir mit den jungen Menschen umgehen.
Diehl: Ich selbst habe Fleisch und Wurst gelernt. Käse, so habe ich festgestellt, ist eine eigene Philosophie für sich. Ich fände eine spezialisierte Ausbildung toll
Vogl: Dem schließe ich mich an. Ich würde diesen Beruf gerne ausbilden. In Frankreich ist das möglich.
Schäfer: Allerdings sollte man bedenken: Schon heute schaffen Sie es leider kaum, in den Berufsschulen die Klassen zum Fleischereifachverkäufer voll zu bekommen. Wir haben nach wie vor ein Nachwuchsproblem.
Die Theke ist eine gemeinsame Plattform von Industrie und Handel. Nur gemeinsam kann sie zum Erfolg führen. Wie zufrieden sind Sie mit der Zusammenarbeit und was können noch für Impulse gesetzt werden?
Kreuzberg: Ich bin mit den Angeboten der Industrie zufrieden. Allerdings: Ich selbst bekomme teilweise schon zu viel Zuspruch. 50 bis 60 Außendienstler pro Tag sind keine Seltenheit. Ganz allgemein gesprochen sollte die Industrie mehr praktische Hilfestellung bieten und Partner sein.
Pelka: Unsere Pos-Pakete werden gern angenommen. Es wäre schön, wenn die Vertriebsabteilungen im Handel mehr Resonanz gäben, wie die Aktionen aufgenommen wurden. Natürlich wünschen wir uns, dass nicht unter Preis verkauft und Spezialitäten nicht verhauen werden. Pos-Aktionen sollten vernünftig eingesetzt werden. Gewinnspiele, die schon ein halbes Jahr lang abgelaufen sind, sollten nicht mehr auf der Theke liegen.
Roelofs: Eine Idee könnten Aktionen individuell für einzelne Handelsgruppen sein. Kurz und knackig, dafür intensiv. Es ist wichtig, dass wir mitdenken: Wie können wir Emotionen an die Theke bringen? Man muss die passenden Geschichten erzählen.
{tab=Ausbildung}
Einen IHK-geprüften Beruf „Käsefachverkäuferin/Verkäufer" gibt es in Deutschland nicht, allerdings die Möglichkeit, in Österreich den Ausbildungsgang zum/zur Diplom Käsesommeliér/sommeliére zu machen.
Veranstalter: WIFI Österreich
Kursdauer: 3-wöchiger Kompaktkurs
Veranstaltungsorte: verschiedene Bundesländer Österreichs
Kosten: Kurs 1.300 Euro; Prüfungsgebühren 270 Euro (Kosten für Unterkunft und Verpflegung trägt der Teilnehmer selbst)
Buchung über: www.wifi.at; Suchbegriff: Käsesommeliér
Infos: www.wifi.at , www.käsesommelier.at und