Interview mit Gert Gutjahr Kopfkino - Interview mit Gert Gutjahr: Teil 2

Psychologie bestimmt das Image von Marken. Faktoren wie Vertrauen oder Werte sind stark von implizit wirkenden Emotionen abhängig. Markenpsychologe Gert Gutjahr erklärt, was das für die Markenführung bedeutet.

Donnerstag, 20. Oktober 2016 - Management
Nicole Ritter
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Also keine so gute Idee.
Nein, da treten Konflikte auf. Deswegen sind solche Unternehmen bis heute besser beraten, Eigenmarken zu produzieren, die den Originalen zum Verwechseln ähnlich sehen.

Die kleinen Märkchen leben ja zum großen Teil genau davon, dass sie Handelsmarken produzieren und damit ihr Geld verdienen.

Welche Rolle spielt der Handel für die Markenbekanntheit?
Die großen starken Marken haben gewisse Vorteile. Zunächst einmal den Bekanntheitsgrad: Sie haben den hohen Bekanntheitsgrad – manche über 90 Prozent. Jeder kennt sie, sie tauchen regelmäßig im Relevant Set der Konsumenten auf, müssen präsent sein, und es spielt keine Rolle, wo sie präsent sind.

Ins Regal stellen allein wird aber nicht genügen …
Nein, ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um eine Marke hoch zu halten und immer wieder neu zu definieren, ist das Storytelling. Besonders auch für die jungen Konsumenten, die die Geschichte ja nicht miterlebt haben.

Sind es vor allem weiche Faktoren, die Marken stark machen?
Eine gute Geschichte, Storytelling, Bekanntheit, Uniqueness, Gestaltung und Verbreitung: Diese Dinge zusammengenommen schaffen Vertrauen, Einzigartigkeit und Sympathie. Letztendlich ist der Markenwert ein psychologischer Wert in den Köpfen der Konsumenten. Wir haben Studenten in einen Kernspintomografen gesteckt und ihnen jeweils zwei Marken zur Wahl gestellt, und sie mussten sich spontan für eine entscheiden. Sie haben sich jeweils für die Marke entschieden, die sie kannten, und jedes Mal wurde eine bestimmte Region im Gehirn aktiviert, nämlich das limbische System. Heute prüfen wir das mit Reaktionszeitmessungen. Wenn jemand innerhalb von Sekunden reagiert, ist das ohne Nachdenken geschehen.

Wenn man die „Märkchen“ betrachtet, was können diese versuchen, um ihre Position dennoch zu verbessern?
Was man nicht tun sollte, ist zu versuchen, die Vorteile der Wettbewerber mit den eigenen zu verbinden. Da gibt es den berühmten Fall von Coca Cola. In Amerika hat man im harten Wettbewerb zwischen Coca Cola und Pepsi festgestellt, dass im Blindtest Pepsi immer besser schmeckte. Hat man die Originalflaschen gezeigt, haben die Leute natürlich zur Coke gegriffen, trotz des etwas medikamentenhaften Geschmacks. Als man aber versuchte, in die Coca-Cola-Flaschen Pepsi zu füllen, ist der Umsatz eingebrochen. Da hat das Gehirn nicht mitgespielt.

Ein Problem gibt es auch, wenn Techniker versuchen, Patente zu einer Marke zu entwickeln. Das geht meistens schief. 80 Prozent der neuen Produkte, die neu im Supermarkt stehen, verschwinden nach wenigen Monaten wieder. Der Konsument akzeptiert nur neue Produkte, die besser sind als alte. Es muss also einen Vorteil geben.

Wo ist da die Grenze von Line Extensions?
Hersteller versuchen das natürlich immer wieder – es funktioniert dann, wenn sie vom Urprodukt nur so weit abweichen, dass die Differenzierung mitgetragen wird vom Konsumenten und das Markenkorsett nicht gesprengt wird. Das ist eine wichtige Frage, die wir immer wieder in unserer Forschung untersuchen. Nur in wenigen Fällen sind komplette Line Extensions machbar. Wenn ein Produkt immer salzig schmeckt, kann man nicht mit etwas Süßem kommen. Das passt nicht zur impliziten Markensubstanz. So gibt es eine ganze Reihe von Dingen, die man nicht aus dem Bauch heraus entscheiden kann. Und Probieren ist meistens teuer.