Interview mit Gert Gutjahr Kopfkino

Psychologie bestimmt das Image von Marken. Faktoren wie Vertrauen oder Werte sind stark von implizit wirkenden Emotionen abhängig. Markenpsychologe Gert Gutjahr erklärt, was das für die Markenführung bedeutet.

Donnerstag, 20. Oktober 2016 - Management
Nicole Ritter
Artikelbild Kopfkino

Wir sprechen gern von der „Macht der Marke“. Wie entsteht diese?
Ohne Marken könnten wir als Konsumenten nicht leben. Marken sind der wichtigste Anker zur Orientierung vor, während und auch in der Bestätigung nach dem Einkauf. Wenn Sie in ein Geschäft gehen, haben Sie schon eine oder mehrere Marken im Kopf. Dann suchen Sie das entsprechende Regal auf und greifen nach dem Waschmittel, das nach Ihrem Relevant Set an der ersten Stelle steht. Die Marke ist also ein bedeutender Auslöser und Sicherheitsgarant beim Griff zu einem Produkt.

Wie kommen Dimensionen einer Marke wie z. B. Vertrauen zustande?
Lassen Sie mich etwas allgemeiner anfangen: Es gibt Märkchen und Marken. Die Märkchen sind diejenigen, die ein trauriges Leben führen, die nie etwas Richtiges geworden sind, denen etwas Entscheidendes fehlt, was die starken Marken ausmacht, nämlich zum Beispiel eine vernünftige Produktidee. Denken Sie mal an Allos Lebensmittel: Da war der Slogan: „Naturkost für Genießer“. Naturkost und Genießen passten aber in der Wahrnehmung des Konsumenten nicht zusammen und der Slogan war nicht erfolgreich.

Was macht die einen erfolgreich und lässt andere floppen?
Den Märkchen fehlt einfach eine zündende Idee. Wenn man sich die Marken anschaut, dann haben alle eine erfolgreiche Geschichte und die meisten sind über 80 Jahre alt. Ihr Erfolg liegt bis heute in einer fantastischen Idee begründet. Denken Sie mal an die Allianz Versicherung – heute einer der größten Versicherer weltweit: Die haben zum Beispiel die Haftpflichtversicherung für Pkw erfunden. Es gibt aber auch junge Marken, die das geschafft haben: Alnatura etwa profilierte sich als einer der ersten damit, Bio-Lebensmittel aus kontrolliertem Anbau zu verkaufen. Die garantierte biologische Produktion überzeugt die Kunden.

Warum schafft Alnatura das und andere nicht?
Alnatura hat das in Kooperation mit einem wichtigen Handelsunternehmen geschafft, dm Drogeriemarkt. Familiäre Verbindungen haben diese Glaubwürdigkeit gestärkt. In der Zwischenzeit haben sie sich leider verkracht, sind aber einzeln immer noch erfolgreich. Oder denken Sie an Odol: Die typische Flasche ist ein gutes Beispiel für den Unterscheidungswert einer Marke – man erkennt sie bis heute schon von weitem. Aus der Idee von damals ist ein ganzes Sortiment entstanden, das die Marke insgesamt stärkt. Odol wurde zu einer Zeit erfunden, als das Zähneputzen noch nicht üblich war. Für das neu erfundene Mundwasser hat damals sogar der Präsident eine sensationelle Rede gehalten und Humor bewiesen, als er meinte, dass man sich mit frischem Atem lieber küsst. Eine echte Innovation.

Und etwas, das in keinem Supermarktregal fehlen darf …
Jedes Handelsunternehmen schmückt sich gern mit starken Marken. Umgekehrt stehen Produktmanager heute unter einem gewaltigen Druck. Es wird jedes Jahr Umsatzzuwachs erwartet und höherer Gewinn. Die erste Idee ist dann immer, die Distribution zu erweitern. Da gab es auch schon kuriose Fälle. Bei Aldi tauchte einmal eine bekannte Champagner-Marke auf, mit dem Ergebnis, dass Damen und Herren im Mercedes vorfuhren und nichts anderes kauften als diesen Champagner. Da die Befürchtung bestand, dass so etwas zu Konflikten führt, habe ich das selbst nachgeprüft. Ich bin also nicht mit dem Mercedes, sondern mit meinem BMW zu Aldi gefahren, habe fünf Flaschen von dem teuren Champagner aufs Band gelegt. Die Kunden vor und nach mir in der Schlange haben das natürlich gesehen, und auch, wie ich angezogen war. Was passierte? Ich wurde beschimpft und habe angefangen mich zu schämen.