Interview mit dem Edeka Südbayern Vorstand Volle Kraft voraus

Die Edeka Südbayern treibt – unabhängig von der Tengelmann-Entscheidung – die Expansion voran. Das Vorstandstrio, seit gut einem Jahr im Amt, setzt auf neue Ladenkonzepte, noch mehr Regionalität und eine schlagkräftige Logistik, um Wachstum und Erfolg zu sichern.

Donnerstag, 22. September 2016 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Volle Kraft voraus
Bildquelle: Stefan Geisenfelder

Seit einem guten Jahr steuern Sie als Kapitäne das Schiff Edeka Südbayern. Ist es leicht manövrierbar oder schwer zu lenken?
Claus Hollinger: Unsere Berufserfahrung bei Edeka summiert sich auf fast 100 Jahre. Da wir unsere Edeka sehr gut kennen, können wir das Schiff auf Kurs halten und es auch durch stürmische See manövrieren.

Werner Gruber: Jeder ist Fachmann in seinen Ressorts, und wir haben alle einen sehr starken operativen Bezug. Das erleichtert die Aufgabe.

Annemarie Schalk: Ein Vorteil ist auch, dass wir drei uns schon lange kennen und wissen, wie der jeweils andere tickt. Dass wir von der Basis kommen, erhöht auch unsere Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Sie wissen, dass unsere Türen für sie immer offen stehen.

Welche Bilanz ziehen Sie nach Ihrem ersten Jahr an der Spitze der Edeka Südbayern?
Hollinger: Der Außenumsatz ist 2015 um 2,8 Prozent auf 2,8 Mrd. Euro gestiegen. Das ist ein sehr guter Wert angesichts der Herausforderungen wie die weiteren Marken-Einlistungen bei Discountern oder die Preisdiskussionen. Die Großhandlung weist ein Plus von 2,8 Prozent auf, die Produktionsbetriebe Südbayerische Fleischwaren und Backstube Wünsche eine Steigerung von 3 Prozent. Auch im Regiebereich sind wir flächenbereinigt sehr gut unterwegs: Neukauf mit +1,7 Prozent, SB-Warenhausgesellschaft + 2,2 Prozent und Marktkauf + 0,5 Prozent.

Schalk: Unsere Eigenkapitalquote konnte um 2,9 Prozentpunkte auf 60,2 Prozent im Konzern gesteigert werden. Damit haben wir eine gute Basis für weitere Investitionen. Zum Ergebnis kann ich sagen: Wir haben mit 3,2 Prozent (+0,8 Prozent) das höchste EBIT und mit 3,8 Prozent (+0,5 Prozent) das zweithöchste EBT der Edeka Südbayern überhaupt erwirtschaftet. Die Gründe liegen in der Kostenreduzierung. Unsere Investitionen in das vollautomatische Zentral-Lager Landsberg, in die Fuhrparklogistik und in das neue Frische-Lager in Trostberg zahlen sich hier und heute aus.

Welche Gründe hat es, dass Sie trotz der angesprochenen Herausforderungen beim Umsatz stärker zugelegt haben als im Vorjahr?
Gruber: Die Markenlistungen im Discount drücken auf die Margen. Wir konnten das durch unser breites und sehr frisches Sortiment trotzdem überkompensieren. Wir haben uns durch unsere Eigenmarken und unser regionales Sortiment weiter differenziert.

Haben Sie Markenartikel, bei denen der Werteverfall besonders stark war, ausgelistet oder schlechter platziert?
Gruber: Wir haben das Sortiment insgesamt optimiert, damit wir schneller werden bei der Drehgeschwindigkeit und die Flächen im Markt besser nutzen. In manchen Kategorien haben wir die Flächen stärker mit Eigenmarken belegt, die mehr Marge bringen, und damit Erfolg gehabt. Da profitieren wir natürlich auch von unseren sehr gut arbeitenden Produktionsbetrieben.

Wie hat sich die regionale Eigenmarke „Mein Bayern“ entwickelt?
Gruber: Wir bauen sie permanent aus. Neu dazugekommen sind zuletzt Tomaten sowie sechs zusätzliche Wurstartikel der Südbayerischen Fleischwaren, u. a. Zwiebel- und Gelbwurst. Mit „Mein Bayern“ machen wir inzwischen pro Woche einen Umsatz von über einer halben Millionen Euro. Aktuell haben wir rund 130 Artikel, mehr als 80 Prozent davon entfallen auf Frischeprodukte.

Was ist auf Sortimentsebene noch geschehen?
Gruber: Wir spielen das Thema Regionalität noch stärker. Unser Frischfleisch für die Bedientheken kommt zu 100 Prozent aus der Region, das ist ein klares Alleinstellungsmerkmal. Im April 2016 haben wir zudem unter Bayernfleisch unsere eigene Fleischzerlegung in Traunstein mit zwei getrennten Produktionslinien für Rind- und Schweinefleisch in Betrieb genommen, die unsere Fleischwerke gemäß den hohen Qualitätsansprüchen versorgt. Davon profitieren auch die Bedientheken in den Märkten, weil sie optimale Zuschnitte erhalten. Der geplante Umsatz liegt bei 160 Mio. Euro. Auch die Backstube Wünsche bezieht übrigens die gesamten Rohstoffe wie Mehl, Hefeprodukte oder Eier aus der Region.

Wir wollen stärker organisch wachsen, besonders in Ballungsgebieten.
Claus Hollinger

Gibt es auch neue Lupinen-Produkte mit dem Fraunhofer-Institut?
Gruber: Ja, und es werden weitere folgen. Bei diesen Produktneuheiten ist ein langer Atem gefragt. Inzwischen haben wir ein breites Spektrum an Lupinen-Produkten, von Eis über Joghurt, Desserts und Milch bis hin zu Brotaufstrichen.

Der selbstständige Einzelhandel (SEH) war 2015 mit 4,2 Prozent Plus erneut besonders stark. Wie erklären Sie sich diese Stärke?
Hollinger: Der SEH ist unser Herzstück. Selbstständige Einzelhändler können auf Marktveränderungen wesentlich schneller reagieren. Aktuell betreiben bei uns 770 Kaufleute 1.044 Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 600.000 qm und erwirtschaften rund 2,4 Mrd. Euro Umsatz. Wir stehen in der Umsatzentwicklung im SEH so gut da, weil wir Selbstständigkeit konsequent fördern. In den letzten zwei Jahrzehnten haben wir 463 Standorte in den SEH gegeben und im selben Zeitraum 166 Kaufleuten den Schritt in die Selbstständigkeit ermöglicht. Wir werden den SEH auf jeden Fall weiter ausbauen.

Bedeutet der Zuwachs an Verkaufsfläche in Ihrem eher ländlich geprägten Gebiet einen Rückgang der Quadratmeterumsätze?
Hollinger: Nein, auch im ländlichen Raum gibt es noch Potenzial für neue Standorte mit entsprechenden Einzugsgebieten. Ein gesundes Wachstum aus eigener Kraft ist für uns essenziell.

Was planen Sie an organischem Wachstum?
Hollinger: Im vergangenen Jahr wurden fünf Märkte aus der Regie an den SEH abgegeben, es gab acht Neueröffnungen direkt im SEH und vier Standortverlagerungen. 2016 wollen wir unsere Expansionsleistung aus dem Vorjahr massiv erhöhen. Wir planen eine zusätzliche Verkaufsfläche von rund 40.000 qm.