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Das Phänomen der „Out of Stocks", also der fehlenden Ware im Regal, ist seit Jahrzehnten Gegenstand unzähliger Studien. Doch verringert hat sich die Rate zum Leidwesen aller Beteiligten seitdem nicht. Betrachtet man sie weltweit, so ist die Quote in Europa mit 8,6 Prozent am höchsten. In Deutschland liegt sie zwischen 7 bis 10 Prozent. Regallücken sind zwar nicht immer vermeidbar, aber zu reduzieren. Das Beratungsunternehmen Andersen Consulting beziffert die Out-of-Stock-Rate an einem gewöhnlichen Nachmittag im Einzelhandel mit 8,2 Prozent. Dabei sind durchschnittlich 48 Prozent der erfassten Produktkategorien mindestens einmal im Monat nicht vorrätig. Roland Berger Strategy Consultants weist in der ECR Europe Studie eine Rate von 7,1 und Spitzenwerte von 30 Prozent aus. Das Marktforschungsinstitut Symphony IRI Group liefert mit einer systematischen Untersuchung eines französischen Lebensmittelhandelshauses nachvollziehbare Fakten. Dafür wurden 1.300 Top-Artikel (ca. 3,5 Prozent der Gesamtartikel) untersucht, die 43 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen.
Fazit: Würde das Unternehmen die Out-of-Stock-Rate bei diesen Artikeln um 30 Prozent reduzieren, könnten 8 Mio. Euro des verlorenen Umsatzes zurückgewonnen werden, sofern der Kunde die Einkaufsstätte nicht schon dauerhaft gewechselt hat. Die Out-of-Stock-Rate ist von Produktgruppen abhängig. So liegen die Raten bei Waschmitteln, Spirituosen, Speiseeis, Soft Drinks und Konfekt weit über dem Durchschnitt. Die Meta-Studie von Gruen, in der 52 Einzelstudien weltweit analysiert wurden, weist ein vergleichbares Ergebnis aus. Dazu kommt, dass die Out-of-Stock-Rate von beworbenen Artikeln entsprechend ihrer Attraktivität um ein Vielfaches höher liegt. In der Regel beläuft sich das Verhältnis von Angebotsartikeln und nicht angebotenen Artikeln 2:1 und in Spitzen bis zu 75 Prozent.
Gruen hat ein klares Muster der Tages- und Wochenzeiten erkannt. So steigt die Out-of-Stock-Rate vom Befüllen der Warenträger in den Vormittagsstunden im Tagesverlauf an. Ihr Höchststand ist nach 20 Uhr. An den Wochentagen nimmt sie hingegen im Verlaufe der Woche ab. Am Montag liegt sie bei 10,9 und am Samstag „nur" noch bei 7,3 Prozent.
So bestätigt das Ergebnis der im Auftrag der Marken-Initiative Tiefkühlkost (MiT) durchgeführten bundesweiten Erhebung in 750 LEH-Geschäften dem Tiefkühl-Torten-Anbieter Coppenrath & Wiese überdurchschnittlich hohe Out-of-Stock-Raten. Die Erkenntnis daraus: Out-of-Stocks nehmen mit abnehmender Verkaufsfläche zu. Als Gründe wurden die Häufigkeit der Belieferung, die Verräumhäufigkeit, die begrenzten TK-Lagerkapazitäten und die Sortimentsstruktur ausgemacht.
Doch nehmen auch bei den Coppenrath-&-Wiese-Artikeln im Lauf der Woche die Out-of-Stock-Raten zu. Sie liegen bereits am Donnerstag und Freitag über dem Durchschnitt und samstags von 12 bis 17 Uhr bei 8,4 und von 17 bis 20 Uhr bei 8,8 Prozent. In jedem Fall bedeuten Out-of-Stock Umsatzausfall für den Hersteller, Umsatzverlust für den Händler und Enttäuschung beim Kunden.
Von den verschiedenen Studien zu Out-of-Stock haben nach Angerer (Universität St. Gallen) 40 das Ausmaß von Out-of-Stock, 20 die Ursachen und 15 die Kundenreaktionen analysiert. Ursachen gibt es viele. Auf den Bestellprozess als ein Hauptgrund für Out-of-Stock konnten sich alle einigen. Filialinterne Prozesse werden als eine Hauptursache ausgemacht. Ihr Anteil wird unterschiedlich hoch eingeschätzt: bei Gruen sind es 72, bei Andersen Consulting 97 und bei Roland Berger 85 Prozent.
Zusammenfassend liegen nach Angerer die Ursachen für Out-of-Stock in fast dreiviertel aller Fälle in den Praktiken und Prozessen der Filialen und nur in 28 Prozent ist die Supply Chain verantwortlich. Auch wenn moderne Technik wie RFID aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken ist und erste Ergebnisse belegen, dass durch den Einsatz die Out-of-Stock-Rate nachweislich gesenkt werden konnte, so müssen insbesondere die letzten 50 m auf dem Weg bis zum Kunden verbessert werden. Denn sonst wird die ohnehin enorm hohe Wechselbereitschaft des Kunden weiter aktiviert.
Kunden wandern ab
Und was passiert, wenn der Kunde sein gewünschtes Produkt nicht bekommt? Die Reaktionen hängen ab von seiner Marken- und Filialloyalität sowie Marken- und Filialneutralität. Ungefähr jeder dritte Kunde geht in ein anderes Geschäft, wenn er sein Wunschprodukt nicht erhält. Andere verschieben ihren Einkauf, wieder andere lassen ihn ausfallen und eine weitere Gruppe substituiert das gewünschte Produkt. Dabei ist festzustellen, dass Kunden, die sich für ein anderes Produkt entscheiden, meistens für eine billigere Alternative oder ein kleineres Gebunden entscheiden.
Fakt ist: Mit Zunahme der Out-of-Stock sinkt die Filialtreue. Sind beim ersten Mal eines Nichtvorhandenseins des gewünschten Produkts noch 69 Prozent der Kunden bereit, den Artikel zu substituieren, so sinkt die Bereitschaft beim zweiten Mal auf 50, bis sich beim dritten Mal das Ergebnis umkehrt und 69 Prozent der Kunden keinen Kauf tätigen und das Geschäft wechseln. So die Ergebnisse der Roland Berger Strategy Consultants.
Die Zahlen zeigen, dass es schwierig ist, die realen Verluste zu beziffern. Aber die Universität St. Gallen hat vorsichtig geschätzt und kommt auf 4 Prozent Umsatzeinbuße. Auch wenn 4 Prozent für einen Becher Joghurt nicht viel sind, sind 4 Prozent vom Gesamtumsatz aufs Jahr gerechnet eine ernst zu nehmende Größe.
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Ein Out-of-Stock ist ein Regalplatz im Einzelhandel, der nicht mehr mit den vorgesehenen Artikel bestückt ist. Neuere Studien tendieren dazu, Out-of-Stock aus Kundensicht zu definieren.
Es gibt drei Formen:
1. Ein Regalschild ist vorhanden, das Produkt jedoch nicht verfügbar.
2. Das Produkt sollte an zwei Stellen in der Filiale stehen, gefunden wird es jedoch nur an einer.
3. Das Produkt ist zwar gelistet, jedoch wurde es vom Personal aus dem Regal entfernt.