Interview mit Andreas Haderlein „Die Zukunft liegt in der bezahlbaren, taggleichen Lieferlogistik“ - Interview mit Andreas Haderlein: Teil 2

Die LEBENSMITTEL PRAXIS sprach beim diesjährigen ECR-Tag mit dem Wirtschaftspublizisten und Innovationsberater Andreas Haderlein über Zukunftsszenarien in Sachen E-Food.

Freitag, 06. November 2015 - Management
Tobias Dünnebacke
Artikelbild „Die Zukunft liegt in der bezahlbaren, taggleichen Lieferlogistik“ - Interview mit Andreas Haderlein: Teil 2

Eine große Herausforderung ist es auch, die Mitarbeiter für das Thema E-Commerce zu sensibilisieren.
Das ist richtig. Einige Inhaber sind zu alt oder unflexibel, sind zu wenig veränderungsbereit und geben sich keine Mühe mehr oder haben ohnehin ein Nachfolgeregelungsproblem. Das ist eine schwierige Klientel. Aber auch die Mitarbeiter muss man mitnehmen. Wenn ich zum Thema Click & Collect von den Verkäufern Sprüche höre wie “Jetzt müssen wir wieder Postfiliale spielen“, dann muss man sagen, dass sie es noch nicht verstanden haben oder die Filialleitung in Sachen Change Management noch nicht durchgedrungen ist zum Mitarbeiter. Genau wie Amazon und Zalando am Geschäft der Warenhäuser knabbert, bekommt auch der LEH immer mehr Konkurrenz. Nicht ohne Grund investiert Amazon auch hierzulande in die City-Logistik. Click & Collect muss als Chance verstanden werden und dafür braucht man die Mitarbeiter. Diese muss man behutsam an das Thema heranführen und den Wandel intern moderieren.

Gibt es denn keine Beispiele, wo es richtig läuft?
Doch, das junge Unternehmen Emmas Enkel macht beispielsweise all das, was ein Lebensmittel-Einzelhändler im 21. Jahrhundert braucht, um wachsen zu können. Moderne Warenwirtschaft, eine Echtzeitverfügbarkeitsabfrage und ein hocheffizientes Lager. Emmas Enkel haben einen Online-Anteil von meines Wissens 65 Prozent, weil sie radikal vom Kunden denken. Aber es ist auch gleichzeitig ein schöner Laden, in dem auch Oma einkaufen geht. Und der ist E-Commerce egal. Es geht um die Verknüpfung beider Welten.

Was würden Sie einem noch skeptischen Lebensmittel-Einzelhändler als Tipp geben, wie er sich dem Thema E-Commerce erfolgreich annähern kann?
Zwei Dinge: Es ist klar, dass niemand eine Milchtüte googeln muss, um sie zu finden. Aber für spezialisierte Warengruppen kann das durchaus gelten, beispielsweise für vegane Produkte. Das sind zuvorderst nicht kühlpflichtige Waren, die eine online-affine Klientel ansprechen. Die Spezialisierung mit Nischenprodukten kann im E-Commerce am Anfang wichtiger sein als die reine Masse an Produkten. Der Händler kann so online seine Sortimentskompetenz abbilden. Zweitens sind Service und B2B ein wichtiges Thema. Geschenkkörbe gibt es im LEH schon lange. E-Commerce bietet die Chance, dass der Kunde sich diesen Korb im Internet selbst zusammenstellen kann und noch am gleichen Tag, abends wenn die Party ist, vom Händler geliefert bekommt. Das ist keine Raketenwissenschaft und wäre beispielsweise über eine Plattform, wie sie die Atalanda GmbH für Wuppertal anbietet, mit ein paar Anpassungen einfach umsetzbar.

Wenn E-Commerce wachsen sollte, was bedeutet dies für das ökologische Gleichgewicht?
E-Commerce ist nicht per se unökologisch. Gerade der lokale Versand macht ökologisch Sinn, denn die Strecken sind kurz, die Ware ist konsolidiert und mit einer Fahrt können mehrere Haushalte beliefert werden. Demgegenüber steht heute beispielsweise ein Single, der für sich alleine auf die Grüne Wiese fährt und dort Kleinstmengen einkauft, was ökologisch unvorteilhaft ist. Ein anderes Thema, das wir nicht außer Acht lassen dürfen, ist die Nahversorgung in strukturarmen Regionen. Was passiert im Zuge der voranschreitenden Urbanisierung eigentlich mit den ländlichen Regionen? Der kleine, spezialisierte Laden angereichert mit lokalen Multichannel-Services und einem Standbein im Online-Geschäft mit internationaler Reichweite kann hier eine wichtige Rolle spielen, denn E-Food ist nicht nur was für hippe Großstädter. Hier ist auch die EU gefragt, die sich ja auf die Fahnen geschrieben hat, Strukturschwächen mit Fördergeldern zu beseitigen. Davon hat der lo kale Handel allerdings noch nicht viel gesehen.