Interview mit Friedhelm Dornseifer „Die Lage ist angespannt“ - gesetzliche Bevormundungen

Der Mengenumsatz im LEH stagniert. Um Kunden zu gewinnen, müssen Händler in Standorte, Sortimente und Mitarbeiter investieren, sagt Friedhelm Dornseifer, Präsident des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels.

Freitag, 16. Januar 2015 - Management
Sonja Plachetta

Fürchten Sie weitere gesetzliche Bevormundungen für 2015? Wenn ja, welche?
Nachdem mit der LMIV die Grundlage für die Herkunftskennzeichnung von frischem Schweine-, Schaf- und Ziegenfleisch auf verpackter Ware eingeführt wurde, steht weiter die Entscheidung zur Kennzeichnung bei verarbeiteten Produkten aus. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) hat sich bisher klar dagegen ausgesprochen, weil Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis zueinander stehen. Diese Position werden wir auch künftig in Berlin und Brüssel nachdrücklich vertreten. Ebenso klar ist unsere Haltung zum Vorhaben der Politik, die Wirtschaft an den Kosten für die Regelkontrollen in der Lebensmittelüberwachung zu beteiligen. Das Lebensmittelrecht weist dem Lebensmittelunternehmen hier bereits die Primärverantwortung zu. Durch ihre Eigenkontrollsysteme kommen die Unternehmen dieser Verantwortung mit großem finanziellen Aufwand nach. Daher kann es nicht sein, dass sie jetzt auch noch den Kontrollaufwand der Behörden mitfinanzieren sollen.

Um sich von den Wettbewerbern abzusetzen, setzen viele Kaufleute auf guten Service und Beratung. Es bereitet ihnen aber durchaus Sorgen, dass es immer schwieriger wird, motivierte und kompetente Mitarbeiter zu finden. Was muss getan werden, damit der Lebensmittelhandel für Mitarbeiter wieder attraktiver wird?
Mitarbeiterbindung und -gewinnung ist eines der Schlüsselthemen im Handel. Daher gilt es, die Eigenverantwortung zu fördern, Karrierechancen und Gestaltungsspielräume zu schaffen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen und für eine angemessene, leistungsgerechte Bezahlung zu sorgen.

Beim Deutschen Handelskongress prognostizierte der HDE, dass es 2020 bedingt durch den wachsenden Online-Handel etwa 50.000 stationäre Geschäfte weniger geben wird als heute. Sehen Sie darin auch eine Gefahr für den LEH?
Der LEH ist von der Online-Konkurrenz sicherlich nicht so stark betroffen wie andere Handelssparten. Der Lebensmitteleinkauf, vor allem bei Frischware, ist immer noch ein sinnliches Erlebnis. Riechen, Fühlen und Anschauen sind virtuell eben nicht möglich. Weitere Herausforderungen sind die Preisaffinität der Verbraucher und die hohe Dichte des Filialnetzes. Dennoch beschäftigen sich natürlich alle Unternehmen mit dem Thema und suchen nach Lösungen.

Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach das Online-Geschäft mit Lebensmitteln entwickeln?
Das Online-Geschäft wird weiter aus der Nische heraustreten. Ob sich der Lieferdienst, das Drive-in-Modell oder der Versandhandel am Ende durchsetzen werden oder jedes der Konzepte seine Daseinsberechtigung erfährt, wird sich zeigen.

Immer mehr Kunden sind per Smartphone auch im Supermarkt stets online. Wie sollten Lebensmittelhändler darauf reagieren? Welche Services müssen sie bieten, in welche Technologien investieren?
Um alle Möglichkeiten des Mobile-Marketings optimal nutzen zu können, braucht ein Smartphone natürlich einen guten Internet-Empfang. Das ist in vielen Märkten sicherlich eine große Herausförderung, der man mit W-LAN-Netzen oder Signalverstärkern begegnen kann. Neben der Kostenfrage stellt sich hier natürlich auch die nach der Datensicherheit und nach der rechtlichen Absicherung für den Händler. Des Weiteren wollen mehr und mehr Kunden ihren Einkauf per Handy mit Hilfe von NFC oder anderer Technologien bezahlen. Auch dazu braucht es die entsprechende Soft- und Hardware in den Märkten.

Welche weiteren wichtigen Themen sehen Sie für den LEH im Jahr 2015?
Tierschutz wird ein großes Thema. Bereits jetzt gibt es im Zusammenhang mit Lebensmitteln kaum eines, das medial und politisch eine größere Aufmerksamkeit genießt. Auch daran erkennt man, dass sich hier ein gesellschaftlicher Wandel vollzieht. Die Art und Weise, wie in Deutschland Nutztiere gehalten werden, rückt immer stärker ins Bewusstsein der Verbraucher. Das heißt nicht, dass von heute auf morgen all unsere Kunden nur noch Bio-Fleisch kaufen oder Vegetarier werden. Das Thema ist allerdings mittlerweile im Alltag so präsent, dass es bei immer mehr Verbrauchern zum Bestandteil der Einkaufentscheidung werden könnte. Daher ist es auch richtig, dass der LEH die Brancheninitiative Tierwohl mit auf den Weg gebracht hat und diese auch tatkräftig trägt.