Interview mit Dr. Jürgen Knigge „Die Lizenz für ein erprobtes Geschäft“

Franchise bedeutet: Selbstständig werden mit Chancen und Risiken. Fragen an Dr. Jürgen Knigge, Kenner des Franchise-Marktes.

Freitag, 05. September 2014 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild „Die Lizenz für ein erprobtes Geschäft“

Herr Dr. Knigge: Warum Franchise?
Dr. Jürgen Knigge: Franchising bietet hervorragende Chancen, sich eine eigene Existenz aufzubauen, sein Unternehmen zu erneuern oder auszubauen. Mit Lizenz für ein erprobtes Geschäft und Angebot, mit profilierter Marke und Werbung, mit Know-how und Unterstützung für Start und laufenden Betrieb. Als motivierter Partner mit Arbeits- und Kapitaleinsatz zum Geldverdienen vor Ort. Das zeigen Beispiele von schon fast 100.000 Franchisenehmern, von Kiel bis Garmisch. Heute gibt es 900 System-Angebote zur Franchise-Wahl, was, wer, wie am besten zusammenpasst, auch finanziell.

Ist Franchise nur ein anderer Weg zur Selbstständigkeit?
Halt mal! Zunächst zum Super- oder Verbrauchermarkt: Wer bei Rewe oder Edeka keinen Markt bekommt oder wer den langen Anlauf nicht will, der bekommt derzeit eine Franchise für einen großen Markt eventuell von einem Franchisegeber in Norddeutschland. Oder anderweitig, wenn er ein geeignetes Objekt mitbringt, sich dazu als kompetenter LEH-Manager zeigt und eine Offerte für lokales Franchise und vielleicht Fünfzig/Fünfzig-Beteiligung macht.

Viele andere Wege bietet Franchising aber bei Fach-, Spezial- und Nahversorgermärkten und natürlich bei den vielfältigen Stores und Shops im Umfeld des LEH und Near-Food. Da können sogar Nichtgenossen über Töchter von Edeka nun Partner-Läden wie Franchise unter den regionalen Marken Schäfer’s Brot und Trinkgut erwerben oder mit Spar Express in Bahnhöfen betreiben, vielleicht auch in Zukunft mal Temma-Bio nach der Filial-Testphase.

Da ist man aber immer noch innerhalb der bekannten Genossenschaften…
Die wirklich große Franchise-Auswahl von an die hundert Geschäftsformaten gibt es bei den „freien“ Franchisegebern. Die waren ursprünglich reine Filialisten oder Kooperations-Grossisten oder sind Pioniere nach Filialtestphase, z. B. mit Fach-, Bio- oder Special-Sortiment im foodbasierten oder foodnahen Umfeld des LEH wie Vom Fass, Hol ab, Landhof Standl, Das Futterhaus und vielfältige Franchisegeber für Back & Café, Quick Food & Drink, Pizza & Pasta-Delivery & Store, Presse/Tabak/Lotto, Geschenke, Bringer & Pickup-Dienste. Interessant für alle, die nicht vorher Markleiter waren oder die nicht schon 100.000 oder 300.000 Euro flüssige Eigenmittel haben.

Wo liegen Chancen?
Für den potenziellen Franchisenehmer gibt es viele Wege in die Selbstständigkeit mit und um Lebensmittel. Vielleicht um den bestehenden Betrieb zu ergänzen oder umzusteigen. Oder auch, um mit dem Geschäftstyp Erster im Gebiet zu sein, vielleicht mit Aussicht auf weitere Franchise. Nicht selten ist das auch die Chance für Söhne oder Töchter, die nicht im Familienbetrieb mitarbeiten können oder unabhängig was anderes, Eigenes wollen.

Für Franchisegeber liegen die Chancen zunächst in schnellerem Wachstum mit selbstständigen Partnern. Sie vermeiden damit auch zentrale Risiko- und Kapitalgeber-Abhängigkeit.


Und die Risiken?
Die sind beim Franchising prinzipiell wesentlich verringert. Da gibt es Know-how und Erfahrung, sorgfältige Partner-Analysen und Standortplanungen und vorsichtige Vertragsgestaltung bei Mieten und Einrichtung mit Objektnutzung und Verwertbarkeit. Risiken für Franchisenehmer und Franchisegeber entstehen, wenn nicht ausreichend gegenseitig informiert wird, wenn die System-Entwicklung zu langsam, zu schnell oder nicht erneuert wird oder Franchisenehmer in der Standortentwicklung schlafen.

Ist Franchise auch eine Option für den selbstständigen Kaufmann, der bereits einen oder mehrere Läden hat?
Ja, wenn Franchise am Standort oder woanders neue Zukunft und Gewinn bringt. Ja, wenn Familienmitglieder, Geschäftsleiter oder andere geeignet und motiviert sind. Gut passt es, wenn Franchise ,Vor-’ oder ,In-Store’ Frequenzbringer und Profitcenter ist. Nicht geeignet ist Franchise, wenn der Kaufmann ,selbst’ oder der Lieferant oder auch der Mieter Ähnliches besser macht. Franchise außerhalb des bestehenden Ladens ist keine Option, wenn noch lukratives Potenzial im Geschäft vorhanden ist oder wenn der Laden noch vollen Einsatz verlangt. Nein auch dann, wenn der Franchisegeber nur Existenzgründer oder Einzelpartner will.

Kann ein selbstständiger Edeka- oder Rewe-Händler im Franchise aktiv werden in seiner Genossenschaft?
Nein, für Edeka- und Rewe-Märkte gibt es deren erfolgreiche Kooperations-Kaufmann-Modelle. Er kann Franchise machen, wenn er mit einem Fremd-Konzept kein Wettbewerbsverbot verletzt.

Jetzt gibt es auch bei etablierten Handelsunternehmen Franchise-Angebote. Welche Vorteile bringen die?
Partnern bietet z. B. Hit-Markt Alleinstellung-Werbevorteile und günstigen Einkauf. Franchisenehmer bei Um’s Eck, Nah & frisch sind flexibler und besser als system- und markenlose Dorf-Genossenschafen. Getränke-Markenfranchise vom Fach-Grossist oder der Edeka-Tochter bringt einfach mehr Profit.

Und Nachteile?
Nachteilig wird es, da sollten Franchise-Interessent und -geber aufpassen, wenn Franchising halbherzig unter Druck und ohne Partner-Geist beginnt und wenn eine Filiale nur zur Kapitalbeschaffung oder in schlechter Lage privatisiert wird.

Was ist besser: ein bekanntes, etabliertes System oder ein neues, eher unbekanntes, noch nicht so verbreitetes System?
Etabliertes System bietet mehr Sicherheit, schnelleren Anlauf, breite Werbung, eingespielte Franchise-Leistung, oft wenig Spielraum, mehr Kontrolle. Ein Franchise-System im Aufbau ist oft der Pionier mit großem Bedarf und ohne direkte Konkurrenz, mit Auswahl an freien Standorten, direkten Drähten, die Werbe- und Einkaufskraft wachsen noch.


So geht’s! Checkliste für Franchisenehmer und -geber

Welche Vorteile bietet die Franchise in Verkauf und Einkauf?

  • Wie gut liegen Produkte, Dienste, Betriebstyp im Markt?
  • Gibt es Konkurrenzvorspung? Alleinstellungsmerkmale?
  • Wie lange auf dem Markt? Wie bekannt?
  • Ist Marke geschützt? Bekommt Franchisenehmer Platzschutz?
  • Wie sind Einkaufspreise? Bezugspflichten? VK-Preise?

 

Passt die Franchise zum Interessenten und umgekehrt?

  • Neigung zu Produkten / Services, Geschäftstyp?
  • Spaß am Verkaufen oder Organisieren?
  • Kaufmännische/fachliche Kenntnisse? Führungserfahrung?
  • Selbst anpacken oder managen, Höhe Eigenmittel/Investition?
  • Alter? Privat? Ziele, Erfolgswille?

 

Stimmt das Zahlenwerk?Was werde ich verdienen?

  • Wie Erfolgsnachweise erbringen/ erbringen lassen?
  • Anlaufzeit / Durststrecke? Kapitalbedarf Reserve?
  • Sind in Gewinn- und Verlust-Beispiel alle Kosten drin, auch kalkulatorische?
  • Was in Gebühren? Was extra? Werbegebührverwendung?

 

Standort? Immobilie? Finanzierung?

  • Ist Franchisegeber Standort-kritisch? Höhe Miete / Umsatz?
  • Ist er bei Lokal-Beschaffung behilflich?
  • Wie ist Risiko Miete/ Franchise/ Finanzierung?
  • Hilft Franchisegeber bei Finanzierung? Ware?
  • Hat er Finanzierungs-Modell?

 

Situation und Absichten des Franchisegebers

  • Wie gut ist das Management? Kapital-Verhältnisse? Image?
  • Zeit für Angebots-Prüfung, Franchise-Gründe? Andere Bewerber?
  • Wie viele Franchisenehmer? Fluktuation?
  • Kontaktmöglichkeit zu Franchise-nehmern?
  • Beurteilungen Franchise-System, Eigen- / Fremd-Rating
  • Gibt es Gremium mit Franchise-nehmer-Mitwirkung?

 

Ist das Franchise-Leistung-Paket hieb- und stichfest?

  • Wie nützlich erscheint Betriebs- und Partnerhandbuch?
  • Welche Schulungen vor Start und laufend? Probe-Mitarbeit?
  • Wird Fullservice-Leistungspaket erbracht für Start und laufend
  • Sind Werbung und Verkaufsförderung professionell und wirksam?
  • Ist im Vertrag verbrieft, was versprochen und abgesprochen?

 

Wichtige weitere Vertragspunkte

  • Was tut Franchisegeber weiter, vor Vertrag voll und richtig aufzuklären?
  • Welchen Vertrieb behält sich Franchisegeber vor: Filialen, Internet?
  • Wie sind Kündigungsgründe & -fristen? Wie Streitigkeiten geregelt?
  • Gibt es Veräußerungs- und Verlängerungs-Möglichkeit?


Quelle: Dr.J.Knigge / Franchise-Knigge 2014