Interview mit Karl-Heinz Giehl Entspannter Arbeiten durch Videoüberwachung

Diebstahl gehört im Andernacher Hit-Markt zum Alltag. Wie man das Problem in den Griff bekommt, schildert Geschäftsführer Karl-Heinz Giehl.

Sonntag, 17. August 2014 - Management
Heidrun Mittler
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„Manchmal erwischen wir alkoholabhängige Tippelbrüder, die sich ein Fläschchen Weinbrand einstecken“
Bildquelle: Hoppen

Montagmorgen, kurz nach 8 Uhr im Hit-Markt in Andernach. Geschäftsführer Karl-Heinz Giehl hat gerade seine hervorragende Stimmung verloren. Er war prima gelaunt, schließlich hat die Nationalmannschaft am Vorabend weltmeisterlich das Fußball-Finale gewonnen. Jetzt allerdings zeigt seine Auswertung vom Samstag, dass zwei Packungen Kondome gestohlen worden sind.

Das Thema Ladendiebstahl verdirbt Ihnen wohl regelmäßig die gute Laune, oder?
Karl-Heinz Giehl: Das ist wohl wahr! Vor allem Dingen, wenn ich sehe, was gestohlen wird. Die Klassiker Rasierklingen platzieren wir schon separat an der Infotheke. Unser Regal mit den Batterien ist von der Kasse aus einsehbar. Aber bei manchen Produkten ist es trotz Videoüberwachung schwierig, zum Beispiel, wenn Kunden teure Spirituosen aus der Umverpackung herausnehmen und den Geschenkkarton wieder ins Regal zurückstellen.

Gewinnt das Thema in letzter Zeit an Brisanz?
So kann man das nicht sagen. Aber es gibt Zeiten, an den definitiv mehr gestohlen wird, vor allem, wenn es auf Feiertage wie Weihnachten zugeht. Bei leeren Kassen wird dann schon einmal der Griff ins Regal gewagt. Außerdem registrieren wir Wellenbewegungen, da könnte man annehmen, es handelt sich um organisierte Kriminalität. Dann werden ganz gezielt Spirituosen entwendet, die an die Gastronomie weiterverkauft werden können. Dabei handelt es sich nicht um Spezialitäten, sondern um Klassiker wie Jim Beam, Jack Daniel‘s oder Jägermeister.

Welche Produkte und Marken werden bei Ihnen besonders häufig geklaut?
Spirituosen wie die genannten, dann Johnnie Walker, Wodka Gorbatschow – eigentlich preiswerte Marken, die gut weiter zu vermarkten sind. Der absolute Klassiker aber sind und bleiben Kondome: Die Packungen sind klein, man kann sie schnell einstecken. Durch unsere Videoüberwachung haben wir bei diesem Thema schon den ein oder anderen Fang gemacht.

Wie sieht es mit Nagellack und Lippenstift aus?
Die Produkte haben wir ausgelistet. Wir verzichten auf die Umsätze, was nicht schön ist. Der Kunde ist ja gewohnt, bei uns alles zu bekommen. Aber teilweise sind ganze Displays geleert worden, ohne dass ein einziger Artikel über die Kasse gegangen ist, deshalb haben wir die Reißleine gezogen.

Haben Sie tatsächlich die gesamte dekorative Kosmetik aus dem Sortiment genommen?
Ja, komplett.

Gibt es Tage, an denen mehr gestohlen wird als an anderen?
Je voller es auf der Fläche ist, desto mehr wird geklaut, ganz einfach, weil die Diebe in der Menge abtauchen. An weniger stark frequentierten Tagen haben unsere Mitarbeiter den Markt meist gut im Blick.

Wer sind Ihrer Erfahrung nach die Langfinger?
Teilweise sind das organisierte Verbrecher, die mit speziellem Equipment ausgestattet sind, ich denke an Mäntel mit mehreren eingenähten Taschen. Andere klauen ganz simpel. Ich erinnere mich gut an einen Fall, wo ein osteuropäischer Dieb mit einer Sporttasche durch den Markt gelaufen ist, zehn Flaschen Jägermeister eingesteckt hat und durch das Klirren beim Gehen schließlich aufgefallen ist. Der war so was von dumm-dreist – aber gut: Frechheit siegt!

Kann man die Diebe weiter charakterisieren, vielleicht Gruppen ausmachen?
Nein, Diebstahl geht quer durch alle Bevölkerungsschichten, sogar Stammkunden schrecken nicht davor zurück. Wir mussten uns eine ganze Zeit lang mit Fleischdiebstählen befassen, bei denen wir durch Videoüberwachung einige „gute Kunden“ dingfest machen konnten. Das Fleisch wurde an der Theke bestellt, der Bon kam nur niemals an der Kasse an. Dann gibt es noch die unangenehmen Momente, wenn Sie Fleisch in den Regalen oder Tiefkühltruhen finden, weil die Ware dem Kunden nach der Bestellung an der Theke doch zu teuer war.


Warum nur tun die Menschen so etwas?
Ich habe den Eindruck, dass das ein Sport ist, manche Menschen sind eben auf der Suche nach dem Kick. Das passiert auch bei Kunden, bei denen man es nicht vermutet, also bei den wohlhabenden, gut situierten. Aber auch die „normale Hausfrau“ stiehlt, gerade letzte Woche hatten wir einen Fall, bei dem eine Frau Slipeinlagen aus der Packung genommen und den Karton wieder ins Regal zurück gestellt hat. Probleme bereiten uns auch immer wieder Kinder und Jugendliche, die sich zu Gruppen zusammenschließen, auf der Suche nach Süßigkeiten und Trendgetränken.

Wie gehen Sie mit denjenigen um, die Sie erwischen?
Wir versuchen, mit jedem Ladendieb im Guten klar zu kommen. Wir verlangen natürlich die Bezahlung der Ware und eine Bearbeitungsgebühr. In der Regel gibt es ein Hausverbot. Wenn wir allerdings mit der Person nicht parat kommen, holen wir die Polizei hinzu, dann kommt es zu einer Strafanzeigen und zusätzlich zum Hausverbot.

Haben Sie mit manchen Tätern insgeheim Mitleid?
Ja, wenn ich ärmere Menschen sehe, habe ich das. Manchmal erwischen wir alkoholabhängige Tippelbrüder, die sich ein Fläschchen Weinbrand einstecken. Die haben ja kaum eine Möglichkeit, ihr Leben zu ändern und von ihrer Sucht wegzukommen.

Ihr Markt liegt in der Nähe der Andernacher Südhöhe. Meines Wissens nach gibt es dort kriminelle Jugendbanden, denen man nicht unbedingt im Dunkeln begegnen will.
Ja, das ist leider so…

Wie sollen Ihre Mitarbeiter reagieren, wenn eine solche Gang sich auf Beutezug durch den Markt macht?
Wenn die Bande schon beim Betreten des Marktes auffällt, beobachten wir sie natürlich. Wir stellen uns offensiv mitten in die Gruppe rein, damit sie erst gar nicht auf dumme Gedanken kommt. In der Regel verlassen die Jugendlichen den Markt dann unverrichteter Dinge wieder, ohne dass wir die Polizei rufen müssen.

Und wenn eine solche verdächtige Gruppe durch die Kassenzone raus will?
Die Kassiererinnen haben klare Anweisung, keinen mit Gewalt zurückzuhalten. Wegen einer Flasche Spirituosen soll niemand verletzt werden! Die Frauen an der Kasse sollen zwar höflich fragen, ob sie in den Rucksack schauen dürfen. Sie dürfen aber nicht verlangen, dass die Jugendlichen den Rucksack aufmachen – dann müssen wir die Polizei holen.

Welche Maßnahmen treffen Sie, um die Angestellten zu schützen?
Die Videoüberwachung hilft enorm: Alle wissen, dass sie dem Dieb nicht hinterherlaufen müssen, weil die Gesichter aufgezeichnet sind. Dann kann man den Diebstahl auch im Nachgang noch verfolgen.

Eine These besagt, dass manche Jugendliche Zigaretten und Spirituosen klauen, weil sie die Ware legal nicht kaufen dürfen. Wie beurteilen Sie das?
Das ist nachvollziehbar. Allerdings gibt es Zigaretten bei uns nur am Kassenautomaten, sie sind nicht greifbar. Bei Spirituosen spüren wir schon, welche Getränke im Trend liegen, wie gerade bunte Liköre oder Mixgetränke, da ist ein Diebstahl aus diesem Grund schon vorstellbar.

Schließen Sie sich mit anderen Unternehmen kurz, wenn Banden – egal von woher – bei Ihnen Ihr Unwesen treiben?
Wenn Täter innerhalb der Hit-Gruppe auffällig werden, werden wir benachrichtigt. So ist in einem Hit-Markt aufgefallen,dass Trickbetrüger an einem Automaten Leergutbons gefälscht hatten. Das ist über die Inventur erkannt worden, woraufhin alle Marktleiter informiert wurden.

Und wie ist die Kommunikation zu Ihren Mitbewerbern Kaufland, Rewe und Edeka hier am Ort?
Leider gibt es in diesem Punkt keine Zusammenarbeit.

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