Lebensmittelkontrolleure Kontrollauftrag bleibt unerfüllt

Den wachsenden Herausforderungen an die Lebensmittelkontrolle stehen noch immer zu wenige Kontrolleure gegenüber.

Freitag, 27. Juni 2014 - Management
Bettina Röttig

Kontrolle der Eigenkontrolle. Auf diesem Prinzip fußt die Lebensmittelsicherheit in Europa und Deutschland. Die Hauptverantwortung bei der Produktion von Lebensmitteln tragen dabei die Hersteller selbst. Im Rahmen von Eigenkontrollen stellen sie sicher, dass die lebensmittelrechtlichen Gesetze eingehalten werden. Stichprobenartig werden die Unternehmen zudem von staatlicher Seite überprüft. Die amtliche Lebensmittelüberwachung liegt in der Verantwortung der Bundesländer und erfolgt risikoorientiert: Die Lebensmittelunternehmen werden nach ihrer Größe, der Art ihrer Produkte, ihrer Vermarktungsstrategie, der bisherigen Überwachungsergebnisse und der Funktionsfähigkeit ihrer Eigenkontrollsysteme eingestuft. So werden manche Betriebe, beispielsweise solche mit leicht verderblicher Ware oder früher festgestellten Mängeln, häufiger kontrolliert als andere.

Zwischen 2.400 und 2.500 amtliche Lebensmittelkontrolleure sorgen nach Angaben des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure (BVLK) deutschlandweit für die Sicherheit unserer Lebensmittel – viel zu wenige, um den gesetzlich geforderten Kontrollauftrag erfüllen zu können, wie spätestens seit der EHEC-Krise 2011 immer wieder angemahnt wird. Geändert hat sich in den vergangenen Jahren unterm Strich jedoch kaum etwas an der Lage.

So ergab die Bilanz der Lebensmittelüberwachung für 2012 nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), dass – wie in den Vorjahren – nicht einmal die Hälfte aller Betriebe geprüft wurde, die Lebensmittel herstellen, verarbeiten oder verkaufen. Rund 1,2 Mio. dieser Betriebe gibt es in Deutschland, rund 43 Prozent davon wurden 2012 kontrolliert. Beanstandungen, meist bei der Hygiene, gab es in gut jedem vierten der kontrollierten Betriebe. Damit ist die Beanstandungsquote seit Jahren nahezu unverändert hoch.

„Kontrolldruck kann nur mit mehr Lebensmittelkontrolleuren aufgebaut werden“, mahnt Anja Tittes, Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands. Der BVLK fordert das Umsetzen der Erkenntnisse aus dem sogenannten „Engels-Gutachten“ (Gutachten über die Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, Schwerpunkt Lebensmittel, des Bundesrechnungshofes). Dazu zähle vor allem mehr Personal. Zwischen 1.200 und 1.500 zusätzliche Kontrolleure seien nötig, um den Kontrolldruck zu erhöhen, schätzt Tittes. Auch eine Erhöhung der Qualifikation der Mitarbeiter in der amtlichen Lebensmittelüberwachung sei im Zuge der fortschreitenden Globalisierung des Lebensmittelhandels dringend notwendig. „Die Lebensmittelkontrolleur-Verordnung – als Grundlage für die Fortbildung zum Lebensmittelkontrolleur – mit Stand 2001 muss endlich den immens gestiegenen Anforderungen an die Lebensmittelkontrolle angepasst werden“, fordert sie. Ansetzen will Tittes u. a. bei den Einstiegsvoraussetzungen und Fortbildungsinhalten. „Der Lebensmittelkontrolleur vor Ort ist das wichtigste Bindeglied in der Kette. Er muss in die Lage versetzt werden, auf die steigenden Anforderungen (z. B. komplexe Dokumentenprüfungen im Betrieb, Internethandel etc.) reagieren zu können. Dazu benötigt er eine adäquate Fortbildung. Deutschland ist bei der ,Ausbildung’ seiner Lebensmittelkontrolleure Schlusslicht im Vergleich zu den europäischen Nac hbarn.“ Dort gebe es meist entsprechende Studiengänge.

Die Nachwuchsgewinnung fällt jedoch zunehmend schwer, erklärt Edda Propst, Vorsitzende des Landesverbands der Lebensmittelkontrolleure Sachsen-Anhalt. Ein Grund hierfür sei gerade das hohe Anforderungsprofil für die Zulassung zur Ausbildung, wie der Meistertitel in einem Beruf wie Bäcker, Fleischer oder auch als Lebensmitteltechnologe, sagt sie. Hinzu komme, dass eine Vielzahl von Landkreisen und kreisfreien Städten Kontrolleure ausschließlich für den eigenen Bedarf ausbilde. Zudem sei die Qualität der Bewerber in den vergangenen Jahren gesunken. „Und letztlich ist die tarifliche Eingruppierung der Kontrolleure in finanzieller Sicht nicht besonders attraktiv, da man mit der beruflichen Qualifikation als Meister in der freien Wirtschaft ein zum Teil höheres Einkommen erzielen kann“, so Propst.