Warenverkaufskunde Glutenfreie Produkte

Das glutenfreie Sortiment richtet sich an Menschen, die das Klebereiweiß Gluten nicht vertragen. Was Sie als Händler darüber wissen sollten.

Montag, 30. März 2015 - Warenkunden
Bettina Röttig
Artikelbild Glutenfreie Produkte
Glutenfreie Alternativen sind Reis, Hirse, Leinsamen, Buchweizen, Chiasamen und Mais.
Bildquelle: Belz, Shutterstock

Kein klassisches Brötchen, keine Nudeln und auch kein Bier aus dem Standardsortiment – für Menschen mit Zöliakie ist eine Vielzahl an Lebensmitteln Tabu. Betroffene müssen ihre Ernährung und Lebensweise grundlegend umstellen und ein Leben lang auf eine glutenhaltige Kost verzichten. Spezielle Produkte erleichtern ihnen jedoch den Alltag und sorgen für mehr Normalität. In den vergangenen Jahren ist das Sortiment glutenfreier Produkte in Lebensmittel-Einzelhandel und Drogeriemärkten deutlich ausgebaut worden. Sortiments- und Beratungskompetenz sind jedoch Voraussetzungen für den Erfolg mit der erklärungsbedürftigen Warengruppe.

Rund 60.000 Bundesbürger sind mit dieser durch eine Überempfindlichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten verursachten chronischen Erkrankung der Dünndarmschleimhaut diagnostiziert. Schätzungen zufolge sind jedoch weitere 400.000 Menschen hierzulande von Zöliakie betroffen, ohne es zu wissen. Die Ursache der Unverträglichkeit haben Mediziner bisher nicht vollständig geklärt. Zöliakie kann jedoch in jedem Alter auftreten. Laut Statistik wird sie am häufigsten zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr diagnostiziert. Auch bei Menschen mit Gluten Sensitivity löst das Klebereiweiß Beschwerden aus. Experten vermuten, dass Gluten Sensitivity sechs bis sieben Mal häufiger vorkommt als Zöliakie. Gesicherte Zahlen fehlen jedoch bisher.

Wer an Zöliakie leidet, kann keine Lebensmittel zu sich nehmen, die auch nur geringe Mengen glutenhaltiger Getreidesorten (z. B. Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer, Grünkern, Kamut und Einkorn) enthalten. Dies betrifft nicht nur Back- und Teigwaren oder Cerealien, sondern auch viele andere Erzeugnisse, beispielsweise Halbfertig- und Fertigprodukte. Hier wird Gluten häufig aufgrund seiner vielfältigen Eigenschaften eingesetzt: Es geliert, bindet Wasser, stabilisiert und ist ein guter Trägerstoff für Aromen. So versteckt sich Gluten in vielen Produkten, ohne dass man es vermutet, z. B. in Eiscreme oder Zahnpasta, ebenso in Pommes frites, Wurst, Nuss-Nougat-Cremes, Chips, Ketchup, Senf, Brühwürfeln, Saucen, Fertiggerichten, Sojasoßen, Marzipan uvm. Seit 2005 müssen im Rahmen der Allergiekennzeichnung anzugebende glutenhaltige Inhaltsstoffe auf der Zutatenliste verpackter Produkte aufgeführt werden, seit 13. Dezember 2014 sind die Angaben auch bei loser Ware verpflichtend. Allerdings berücksichtigt die Kennzeichnungspflicht ausschließlich Rezepturbestandteile. Da es in seltenen Fällen zu einer unbeabsichtigten Kontamination mit Gluten kommen kann, warnen manche Hersteller mit der Angabe „Kann Spuren von Gluten enthalten“.

Sicherheit bietet Zöliakie-Betroffenen die wachsende Produktgruppe der glutenfreien Lebensmittel, auf die auch Menschen mit Gluten Sensitivity zurückgreifen. Sie umfasst mittlerweile eine Vielzahl von „Ersatz“-Produkten verschiedener Hersteller- sowie Handelsmarken für das Trocken- und Tiefkühlsortiment. Sie alle tragen den Aufdruck „glutenfrei“ oder eine durchgestrichene Ähre – das Zeichen für glutenfreie Kost, das durch die landeseigenen Zöliakiegesellschaften vergeben wird – prominent auf der Packung. Ein Produkt darf als „glutenfrei“ bezeichnet werden, wenn der Grenzwert von 20 ppm (ppm steht für „parts per million“; 1 ppm = 1 Milligramm pro kg) nicht überschritten wird, es pro 100 g also maximal 2 mg Gluten enthält. Die Vielfalt des Sortiments sorgt für mehr Geschmack, Sicherheit und Abwechslung auf dem Speiseplan der Patienten und kommt deren Wunsch nach mehr Normalität nach. In Haushalten, in denen gleichzeitig glutenhaltig gekocht wird, ist sorgsam auf die getrennte Lagerung und Benutzung von eigenem Kochgeschirr und Arbeitsgeräten zu achten, um Verunreinigungen mit Gluten zu vermeiden. Neue Entwicklungen wie spezielle Folien, die beispielsweise als Verpackung und gleichzeitig Aufbackfolie für Backwaren dienen, erleichtern zunehmend den Alltag und verhindern jegliche Form der Kontamination.

Was ist eigentlich Zölikie?

Zöliakie ist eine chronische Entzündung der Darmschleimhaut, die auf einerGluten-Unverträglichkeit beruht.

Im Dünndarm wird die aufgenommene Nahrung in ihre Bestandteile zerlegt und gelangt über die Dünndarmschleimhaut in den Körper. Der Darm ist mit vielen Falten, sogenannten Darmzotten ausgekleidet. Über sie wird der Körper mit Nährstoffen versorgt. Der Dünndarm spielt zudem eine wichtige Rolle für unser Immunsystem , das normalerweise Infekte abwehrt. Beim Zöliakie-Betroffenen richten sich die Abwehrkräfte des Immunsystems gegen den eigenen Verdauungstrakt. Die Darmzotten bilden sich fast vollständig zurück, wodurch die Oberfläche des Dünndarms immer kleiner wird. So können nicht mehr genügend Nährstoffe aufgenommen werden, Mangelerscheinungen sind die Folge. Erfolgt keine Behandlung, kann die Krankheit bis hin zu Darmkrebs führen. Symptome einer Gluten-Intoleranz sind u. a. Durchfall, Blähungen des Unterleibs, Erbrechen sowie Gewichtsverlust. Den ersten Hinweis liefert ein Bluttest auf bestimmte Antikörper. Eine endgültige Diagnose kann jedoch erst auf Basis einer Dünndarm-Biopsie (Gewebeentnahme) gestellt werden. Die einzig mögliche Therapie besteht in einer lebenslangen glutenfreien Diät. Nur so gewinnt die abgeflachte Dünndarmschleimhaut ihre normale Gestalt und Funktion zurück. Jedoch bereits ein Viertel Gramm Weizen führt zu erneuten Schädigungen .


Der Unterschied in der Herstellung glutenfreier Produkte im Vergleich zu herkömmlichen Erzeugnissen besteht zunächst in dem Austausch der unverträglichen Rohstoffe. Statt der Getreidesorten Weizen, Roggen, Gerste etc. werden in den Produkten u. a. Hirse, Mais, Kartoffeln oder Reis verwendet, darüber hinaus Amaranth, Quinoa, Buchweizen, Johannisbrotkernmehl, Tapioka und Maniok. Nudeln beispielsweise werden meist aus Maisstärke und Maismehl hergestellt. Bei der Produktion von Bier setzen Brauer alternativ Mais, Reis, Hirse, Buchweizen oder Sorghum (wichtigste Brotgetreide in Afrika, aus der Familie der Süßgräser) ein, oft wird Hirsemalz verwendet.

Glutenfreie Mehle haben nicht die gleichen Backeigenschaften wie Weizenmehl. Daher werden bei der Herstellung glutenfreier Backwaren Verdickungsmittel verwendet. Dies sind primär Johannisbrotkernmehl oder Guarkernmehl. Ohne diese Zusätze werden die glutenfreien Teige trocken und bröselig. Unter Verwendung der Verdickungsmittel hingegen nehmen sie mehr Flüssigkeit auf.

Die Rohstoffe für diese speziellen Produkte werden strengen Analysen unterzogen, bevor sie zur weiteren Verarbeitung zugelassen werden. Nur wenn sichergestellt ist, dass der Grenzwert von 20 ppm eingehalten werden kann, dürfen die Rohstoffe weiter verarbeitet werden. Die einzelnen Produktionsschritte unterscheiden sich nicht wesentlich von denen herkömmlicher Produkte. Allerdings werden glutenfreie Lebensmittel ausschließlich in dafür vorgesehenen Produktionsstätten – auf glutenfreien Linien – hergestellt, sodass gewährleistet ist, dass keine Kontamination erfolgen kann. Sorgfältige, permanente Qualitätssicherung und Analysen stellen sicher, dass die Produkte den Grenzwert von 20 ppm nicht überschreiten und somit für die Betroffenen bekömmlich und sicher sind. Um auch beim fertigen Produkt eine Kontamination mit Gluten auszuschließen, werden die Produkte hermetisch verpackt.

Die Warengruppe unterteilt sich in Trocken- und Tiefkühl-Sortiment. Die bedeutendste Kategorie im Trockensortiment ist aktuell Brot. Auch Mehle für verschiedene Anwendungsbereiche, Backmischungen, Cerealien, Knabberartikel und Teigwaren sind im Trockensortiment zu finden. In der Tiefkühltruhe stehen vor allem Convenience-Artikel (Pizza, Lasagne, Fischstäbchen oder Blätterteig) zur Verfügung. Die Sortimentsgestaltung richtet sich zunächst nach der Größe der Verkaufsfläche. Es empfiehlt sich, in kleineren Märkten mit den Grundnahrungsmitteln wie Brot, Gebäck, Brot-Ersatz, Mehl und Pasta zu beginnen. Bei der Warenpräsentation gibt es zwei Möglichkeiten: die Blockbildung oder die Platzierung innerhalb der entsprechenden Warengruppen. Für beide Varianten gibt es Argumente. Speziell bei der Einführung glutenfreier Produkte in einem Markt hat sich die Warenpräsentation im Block bewährt, um den Verbraucher auf das Angebot aufmerksam zu machen. Sie dient vor allem der besseren Übersicht.

Allgemein übliche Verkaufsförderungs-Maßnahmen sollten eingesetzt werden, um die Verbraucher auf die Produkte aufmerksam zu machen. Deckenhänger, Regalstopper und Zweitplatzierungen lenken den Blick der Kunden auf die Produkte. In Verkostungs-Aktionen können sich auch weitere Verbraucher – z. B. Familienmitglieder von Zöliakie-Betroffenen – über neue Produkte informieren und von der Qualität und dem Geschmack überzeugen lassen.

Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken der Dr. Schär AG, Burgstall/Italien, für den fachlichen Rat und das zur Verfügung gestellte Bildmaterial.

Wissenscheck

Wer diese Warenverkaufskunde aufmerksam gelesen hat, kann folgende Fragen leicht beantworten.

{tab=Fragen}

  1. Was ist Zöliakie?
  2. Welche sind die wichtigsten glutenhaltigen Getreidesorten?
  3. Woran erkennt man spezielle glutenfreie Produkte?

{tab=Antworten}

  1. Eine chronische Erkrankung der Darmschleimhaut, verursacht durch eine Überempfindlichkeit gegenüber dem Klebereiweiß
  2. Gluten.Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer und Grünkern.
  3. An dem Aufdruck „glutenfrei“ bzw. „ohne Gluten“ sowie dem Zeichen der durchgestrichenen Ähre.

 

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