Wettbewerb Faire Partner „Wir haben das faire Tierwohl-Label“

Max Esser (Foto) hat ein Tierwohl-Label entwickelt, bei dem die Landwirte mehr Handlungsspielraum haben und keine Mindestkriterien umsetzen müssen. Dafür erhält er den Fairness-Preis.

Donnerstag, 12. Oktober 2023 - Rückblick
Marcus Arden
Artikelbild „Wir haben das faire Tierwohl-Label“
Bildquelle: Max Esser

Max Esser, Geschäftsführer der Metzgerei „Wurstspezialitäten Esser“ aus dem rheinischen Erkelenz, lässt kein gutes Haar an der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung und den Haltungsformstufen des Handels. „Politik und Wirtschaft geben den Landwirten Kriterien vor, die weder umsetz- noch bezahlbar sind. Ausläufe sind teuer, genehmigungstechnisch schwierig und seuchenhygienisch umstritten“, so Esser. Auch die Vorgabe, dass jeder Landwirt Mindestkriterien einhalten muss, hält er für unfair. „Das funktioniert nicht in jedem Betrieb“, meint Esser.

Mehr Fairness in der Kette
Der 32-jährige Unternehmer fordert mehr Gestaltungsspielraum und Fairness bei der Entwicklung von höheren Haltungsstandards. Er hat deshalb das Konzept der Tierwohlpunkte entwickelt (www.tierwohlpunkte.de). Hier können interessierte Landwirte aus einem Katalog mit über 100 Kriterien auswählen. „Wir fordern kein einziges Mindestkriterium, sondern bieten eine Maximalzahl von Kriterien an“, erklärt er sein Konzept. Für jedes Kriterium gibt es eine festgelegte Anzahl an Tierwohlpunkten. Dabei gilt: Je höher die Punktzahl, desto relevanter ist das Kriterium für das Wohl der Tiere.

Kooperation mit der Uni Kassel
Die Gewichtung hat Esser unter anderen mit Prof. Albert Sundrum (Uni Kassel) festgelegt. Beispiel: Wer seinen Schweinen Raufutter in Raufen anbietet, erhält einen Punkt. Für eine mit Stroh eingestreute Liegefläche, in der die Schweine mit ihrer Rüsselscheibe wühlen können, oder einen Auslauf gibt es 10 Tierwohlpunkte. „Die eingestreute Liegefläche kommt dem natürlichen Verhalten entgegen“, so Esser. Auch ein höheres Platzangebot honoriert das Konzept. Für 40 Prozent mehr als gesetzlich vorgeschrieben kann sich der Landwirt 10 Punkte gutschreiben lassen. Hat jedes Schwein 60 Prozent mehr Fläche zur Verfügung, kommen weitere 8 Punkte hinzu. Insgesamt kann man bei diesem Kriterium 28 Punkte erreichen. Die Gesamtzahl der Tierwohlpunkte entscheidet darüber, mit welchem Tierwohlpunkte-Siegel der Landwirt werben darf.

Es gibt insgesamt vier Siegelstufen:

  • Das Siegel der Stufe 3/4 steht für „gute Haltung“. Es soll vergleichbar sein mit den Haltungsformstufen 3 und 4 des LEH sowie der staatlichen Kennzeichnung in den Stufen 3 und 4. Nötig sind dazu mindestens 50 Tierwohlpunkte.
  • Stufe 5/6 steht für „optimale Haltung“. Dieses Siegel wird ab 100 Tierwohlpunkten vergeben und ist oberhalb der Haltungsformstufe 4 des LEH einzuordnen.
  • Die Stufe 7/9 steht für „gutes Tierwohl“ und wird ab 150 Tierwohlpunkten vergeben.
  • Die Stufe 10+ steht für „optimales Tierwohl“ und ist vergleichbar mit dem Bio-Siegel-Standard.

Und was sagen die Landwirte zu Essers Ansatz? „Für mich ist das Punktesystem ein faires Angebot an uns Landwirte. Denn während Bio, Haltungsform und das staatliche Kennzeichen Dinge fordern, die allzu oft am kommunalen Bauamt scheitern, kann ich das Tierwohl dank des Punktesystems selbst in meinen fünf verschiedenen Haltungsformen umsetzen“, betont Mäster Kurt Heinrichs.

Einen weiteren Vorteil sieht er in dem überschaubaren finanziellen Risiko. „Ich kann in diesem System ohne große bauliche Veränderungen und Kosten starten. Das gilt auch für die variablen Kosten“, ist der Landwirt zufrieden.

Projekt wird weiterentwickelt
Die positiven Rückmeldungen der Landwirte will Max Esser jetzt nutzen und sein Projekt weiterentwickeln. Sein Ziel ist, dass das Tierwohlpunkte-System, mit dem derzeit rund 100 Supermärkte werben, noch bekannter wird und weitere Lebensmittelhändler hinzukommen. „Momentan kaufen jede Woche rund 30.000 Kunden unsere Tierwohl-Ware. Diese Zahl will ich deutlich erhöhen“, nennt Esser seine konkreten Zukunftsziele.

Das Label

Tierwohlpunkte.de ist das erste Label, welches sich von den bisherigen Tierschutz-Labels abhebt, weil es auf faire Maximum- und nicht auf bisherige Mindestkriterien setzt. Dadurch können Landwirte ihre Tierwohl-Leistung mit der Leistung bestehender Siegel wie der Haltungsform oder Bio vergleichen.