Preispolitik ist der schnellste Hebel zur Steigerung – aber auch Reduktion – des Unternehmensgewinnes. Denn Preisveränderungen haben einen unmittelbaren Einfluss auf den Gewinn. Einer optimalen Preissetzung kommt daher im Handel eine herausragende Bedeutung zu. Aus vorherigen Studien ist bekannt, dass sich Konsumenten nur relativ wenige Preise tatsächlich merken können. Der tatsächliche Preisspielraum für den Händler hängt jedoch davon ab, inwieweit die Konsumenten Preise über- oder unterschätzen. Eine Studie der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heilbronn untersuchte die Frage, ob das Preiswissen sich zwischen Handel- und Herstellermarken sowie der Bio-Eigenmarke Alnatura unterscheidet.
Dabei wurde bei 120 Probanden für 56 Artikel das Preiswissen abgefragt. Es stellte sich heraus, dass bei den abgefragten Handelsmarken die Preise um durchschnittlich 44 Prozent überschätzt wurden. Das heißt, es besteht die offensichtliche Bereitschaft, für Handelsmarken deutlich mehr zu bezahlen. Handelsmarken haben sich über die Jahre ein sehr gutes Leistungsimage erarbeitet und werden häufig als qualitativ gleichwertig zu Herstellermarken angesehen. Die in den Fernsehsendungen durchgeführten Blindverkostungen und Produkttests tragen dazu bei. Die Überschätzung ist bei Lebensmitteln (durchschnittlich + 42 Prozent) und Drogerieartikeln (durchschnittlich + 46 Prozent) ähnlich.
Die Preiskenntnis bei den untersuchten Herstellermarken war deutlich besser. Die Konsumenten überschätzten die Preise für Lebensmittel der Herstellermarken nur um durchschnittlich acht Prozent und unterschätzten die Preise für Drogerie-Artikel von Herstellermarken der Drogerie-Artikel um durchschnittlich sechs Prozent. Die in der Befragung befindlichen Produkt der Bio-Eigenmarke Alnatura wurden um durchschnittlich 17 Prozent überschätzt und lassen somit ebenfalls vermuten, dass bei diesen Produkten ein Spielraum nach oben besteht.
Häufig wird angemerkt, dass der Händler bei höheren Preisen jedoch diejenigen Kunden verlieren würde, die eine geringere Bereitschaft haben. Dies kann durch personalisierte Rabatte (zum Beispiel über Apps) gesteuert werden. Diese Preisdifferenzierung bedarf jedoch der Nutzung eines durch künstliche Intelligenz gestützten Systems. Die Systeme dafür existieren bereits.
Eine Preispolitik, die sich nur an den Wettbewerberpreisen orientiert, ist jedoch eine „Hemmschwelle“, diesen preispolitischen Spielraum zu nutzen. Der Handel verspielt somit offensichtliche Ertragspotenziale. Angesichts sehr geringer Margen im LEH sollte jedoch eine intelligente Preissetzung den Vereinfachungsstrategien weichen. Ein Versuch ist es wert!