Marktrundgang Super Coop Berlin

Demokratie im Supermarkt: Als Alternative zu klassischen Einzelhandelskonzepten tritt der erste Berliner Mitmachmarkt an.

Donnerstag, 06. April 2023 - Ladenreportagen
Bettina Röttig
Artikelbild Super Coop Berlin

Berliner Chic: Damit verbinden Provinzler wie ich den optisch rauen, unkonventionellen Charme, der das Straßenbild in der Hauptstadt bestimmt.

Im Super Coop findet man diesen wieder. Eigen, kreativ und im guten Sinn ein wenig aktivistisch – so wirkt der Verkaufsraum mit einer Mischung aus selbst gebauten Holzregalen und recycelten Möbeln. Von Hand geschriebene Informationsblätter und Regalstörer erklären die Besonderheiten von Produkten und das Konzept mit Fokus auf der Vermeidung von Lebensmittelverlusten (siehe Foodwaste - Bitte auch die Praxis berückrichtigen).

Dass Verkaufsfläche, Lager sowie Besprechungsraum ladenbaulich nicht voneinander abgegrenzt sind, hat einen Grund: Die Kunden sind zugleich Mitarbeiter und Miteigentümer. „Kooperativ“ oder „solidarisch“ wird das Modell solcher Mitmachsupermärkte genannt, die es bereits in New York City oder Paris und mittlerweile auch in München (Food Hub) gibt. In Hamburg und Köln laufen Mitgliederwerbung und Crowd-funding-Kampagnen zum Start weiterer solidarischer Märkte.

Super Coop Berlin -Einkauf nur für Mitglieder

Selbst gebaute Einrichtung, nachhaltige Sortimente und Gemeinschaftssinn machen den Mitmachsupermarkt im Berliner Stadtteil Wedding aus. Obst und Gemüse aus solidarischer Landwirtschaft, Produkte aus Überproduktionen und hippe Artikel der quirligen Start-up-Szene der Hauptstadt machen das Sortiment einzigartig. Einkaufen kann hier nur, wer zum Kreis der Mitglieder zählt. Dafür können diese viele Details mitbestimmen, von der Strategie über Sortimentseinlistungen bis hin zum sozialen Engagement des Marktes. Mit den Rechten kommen aber auch Pflichten: Drei Stunden pro Monat arbeitet jedes Mitglied im Markt mit.

Auch für Super Coop waren Crowdfunding-Aktionen die Basis. Im Herbst 2020 trafen sich 40 Berliner, um die Genossenschaft formell zu gründen. Nach dem Start auf kleiner Fläche folgte mit wachsender Mitgliederzahl und nach neuen Finanzierungsrunden die Erweiterung auf 700 Quadratmeter, inklusive Lager. „Wir brauchten mindestens 500 Mitglieder, um Kredit- und Mietvertrag unterzeichnen zu können“, erklärt Johanna Kühner, im Vorstand zuständig für Ladenbau, die Kommunikation nach außen und Finanzierung.

Ein Mitglied ist Architekt und hat den heutigen Markt mit konzipiert. Kreislaufgedanke vor Neuanschaffungen war die Devise. So wurden große Glasscheiben einer im Zuge der Marktvergrößerung eingerissenen Wand für die nun offen einsehbaren Büroräume wiederverwendet. „Wir stehen für Transparenz auf allen Ebenen, das spiegelt sich auch im Ladenbau“, so Kühner. Neu angeschafft wurden Kühlmöbel – zugunsten der Energieeffizienz.

Transparenz herrscht bis zur Preisgestaltung. „Die Marge beträgt 30 Prozent auf Obst, Gemüse und Kühlware, 26 auf Trockenprodukte und 15 auf Produkte, wo wir besonderen Bedarf an Erschwinglichkeit sehen, etwa Butter, Hafermilch, eine Brotsorte, Reis und Tomatensoße“, erklärt sie. Rund 90 Prozent des Sortiments sind bio. Entgegen der Norm werden konventionelle Produkte gesondert (rosa Etiketten) am Regal hervorgehoben. Obst und Gemüse stammen zum Teil aus solidarischer Landwirtschaft. Auch bezieht die Genossenschaft Produkte aus Überproduktion mit kurzen Mindesthaltbarkeitsdaten zu reduzierten Preisen. Kühner: „Wir können die Hintergründe besser kommunizieren und hochwertige Produkte zu günstigen Preisen bieten.“

Super Coop, Oudenarder Straße 16, 13347 Berlin

 

335

qm Verkaufsfläche

820

aktive Mitglieder und 1.600 Mitglieder insgesamt unterstützen

3.000

Artikel werden im Super Coop angeboten

100 Euro

Einen oder mehrere Anteile in dieser Höhe müssen gezeichnet werden, um Mitglied zu werden.

4 Fragen an

Johanna Kühner. Die 25-Jährige ist im Vorstand von Super Coop unter anderem für Finanzen zuständig.
 
Welche Ziele verfolgt ein Genossenschafts-Supermarkt wie Super Coop?
Johanna Kühner:
Wir sehen den Lebensmittelhandel als Plattform, um Produzenten und Verbraucher zusammenzuführen. Kooperative Supermärkte stehen für eine Wirtschaft, die regionale Produzenten stärkt und faire Preise für Erzeuger und Kunden gewährleistet. Da die Coop keine Gewinne machen muss und durch die Arbeit der Mitglieder Personalkosten spart, gibt es einen niedrigen und für alle transparenten Aufschlag, über den die Kosten gedeckt werden.

Wie sieht die Klientel aus?
Der Großteil der Super-Coop-Mitglieder ist zwischen Ende 20 und 40. Junge Familien, Studenten, aber auch immer mehr ältere Menschen gehören zur Gemeinschaft und bringen sich ein.

Wie gewinnt ihr neue Mitglieder?

Vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda. Einmal pro Monat ist Tag der offenen Tür. An diesen Tagen informieren wir mehr und ermöglichen den Einkauf für alle. Im Schnitt kommen 25 neue Mitglieder im Monat hinzu.

Wie viele Mitglieder braucht es für den wirtschaftlichen Erfolg?

Wir benötigen mindestens 1.500 Aktive, damit das Modell auch langfristig funktionieren kann.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Im Super Coop in den ehemaligen Osramhöfen in Berlin Wedding kann nur einkaufen, wer auch Miteigentümer und Mitarbeiter ist
Bild öffnen Rund 3000 Artikel umfasst das Sortiment
Bild öffnen Obst und Gemüse aus solidarischer Landwirtschaft „ums Eck“ ist ein Eckpfeiler des Sortiments
Bild öffnen 90 Prozent des Sortiments ist bio-zertifiziert, konventionelle Produkte werden gesondert gekennzeichnet
Bild öffnen Kühlregale wurden aus Gründen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes neu angeschafft
Bild öffnen Drei Stunden pro Monat helfen Mitglieder aktiv mit
Bild öffnen Johanna Kühner ist Vorstandsmitglied von Super Coop
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