Plagwitz ist nicht nur das Szene-Viertel Leipzigs. Es ist auch die Geburtsstätte des „Consum-Vereins für Plagwitz und Umgegend“, heute besser bekannt als Konsum Leipzig. Vor 135 Jahre befand sich die erste Warenausgabestelle der Genossenschaft nur wenige Hundert Meter entfernt von der neuen Filiale im historischen Westwerk. „Im Herzen sind wir Plagwitzer“, bekräftigte deshalb Vorstandssprecher Dirk Thärichen bei der Eröffnung im April. Diese Verbundenheit manifestiert sich auch im großen, beleuchteten Schriftzug mit der ursprünglichen Firmierung an der hinteren Wand.
Um sich möglichst geschmeidig in das angesagte Stadtviertel einzufügen, haben sich die Vorstände Dirk Thärichen und Michael Faupel für ein sehr individuelles Konzept entschieden. Der 500 Quadratmeter große Markt ist zum einen so in das Gebäude integriert worden, dass in der ehemaligen Produktionshalle weiterhin genug Platz ist für Veranstaltungen, Flohmärkte oder einfach als Treffpunkt für eine Runde Tischtennis an den dort aufgestellten Platten. Zum anderen passt das Ladendesign zur alternativen Umgebung. Im Westwerk-Komplex leben und arbeiten viele Künstler und Kreative. Einige der Mieter sind in die Gestaltung der Konsum-Filiale einbezogen worden. So hat Wolf Konrad Roscher acht aufwendig restaurierte Originalleuchten beigesteuert, die das industrielle Flair des Marktes genauso wie die geklinkerten Originalwände unterstreichen. Und Graffitikünstler Peter Freund hat die Außenwände, Raumtrenner in der Filiale und die individuell angefertigten Regale für Wein und Spirituosen besprüht. „Wir haben ihm bei der Wahl der Motive freie Hand gelassen und sind total zufrieden“, sagt Thärichen. Filialleiter Michael Simon, der in 21 Jahren bei Konsum Leipzig schon viel rumgekommen ist, und seine 18 Mitarbeiter arbeiten gern in der zum Supermarkt umgebauten Lagerhalle. „Viele Kunden sind ebenfalls begeistert von der Atmosphäre hier“, sagt er. Vorstandssprecher Thärichen hebt bei der Einrichtung auch das Beleuchtungskonzept inklusive holografischer Elemente hervor: „Das findet man in dieser Form sonst nirgends.“
In Plagwitz wohnen viele Studenten und junge Leute, die sich abends gern am Westwerk treffen. „Um 21.30 Uhr geht es bei uns dann noch mal richtig los“, sagt Filialleiter Simon. Doch sie kommen nicht nur, weil ihnen die Industrieoptik und die offene Decke mit Tageslicht so gut gefallen. In der Planungsphase äußerten manche Anwohner sogar Bedenken, weil sie durch den neuen Supermarkt die Gentrifizierung ihres Stadtteils befürchteten.
Die kritische Klientel vom Konsum-Angebot zu überzeugen, war deshalb ein besonderer Anreiz für Michael Faupel, der im Vorstand unter anderem für das Sortiment zuständig ist. Als Profilwarengruppen hat er für das Westwerk Convenience-Artikel, Produkte aus eigener Herstellung und Mehrweg-Getränke definiert.
„In New York gibt es schon Wohnungen ohne Küche“, sagt Faupel, der davon überzeugt ist, dass sich amerikanische Trends meist auch hierzulande durchsetzen. „Es wird deshalb immer wichtiger, verzehrfertige Sachen anzubieten.“ Zwei Obst- und Gemüsekräfte bereiten vor Ort zum Beispiel frische Salate zu (Kilopreis: 5,90 Euro), für die Frischetheke direkt am Eingang stellen Thekenleiterin Kathleen Schnürpel und ihr Team kleine Imbissangebote sowie kalte und warme Mahlzeiten her.
„Wir verabschieden uns vom klassischen Thekenkonzept mit Fleisch-, Wurst- und Käsetheke“, sagt Faupel.
Bedienungsabteilungen gibt es in 25 der 60 Konsum-Leipzig-Märkte, 2020 sollen sie auf ein individuelles, modulares Konzept umgestellt werden. „Wir glauben an die Zukunft der Theke, aber nicht mehr mit dem üblichen Fleisch- und Wurstangebot“, betont er. „Wir wollen je nach Standort zum Beispiel Module für Bio-Fleisch und Frischfisch testen.“
Im Westwerk gibt es das flexible Konzept schon, unter anderem mit einem Imbissmodul und einem für vegetarische Produkte. Frischfleisch wird laut Faupel hier wegen mangelnder Nachfrage kaum angeboten. Dafür seien ein zweites Imbissmodul sowie der Ausbau der vegetarischen Ware geplant. Das Westwerk ist eine von vier Filialen mit einem Gastro-Angebot, Tendenz steigend. Die Palette reicht vom Frühstück über eine gemischte Snack-Box und belegte Bagels bis hin zu vorproduzierten warmen Gerichten. „80 bis 100 Teller verkaufen wir am Tag“, sagt Theken-Chefin Schnürpel. Die Tagesgerichte kosten zwischen 2,90 und 5,90 Euro, es gibt immer auch eine vegetarische Variante. „Die Renner sind unsere hausgemachte Pizza, gefüllte Paprika, sämtliche Nudelgerichte und Kohlrouladen“, zählt sie auf. Abends seien eher kalte Mahlzeiten gefragt, zum Beispiel eine Schale mit Salat, Frikadelle und Tomaten für zwei Euro.
Wer vor Ort an den Stehtischen isst, bekommt übrigens echtes Besteck. „Das haben wir umgestellt, nachdem das Plastikbesteck kritisiert worden war“, erzählt Schnürpel. Nicht verwunderlich also, dass die Kunden an diesem Standort auch gern eigene Behälter an die Theke mitbringen.
Im Markt sind vegetarische und Bio-Artikel ebenfalls überdurchschnittlich vertreten. „Insgesamt bieten wir mit knapp 8.000 Artikeln ein vollwertiges Supermarktsortiment an“, sagt Faupel. 70 Prozent der Ware kommt über die Edeka. „Günstig einkaufen zu können, ist für die Kunden immer noch wichtig, weshalb wir gerade auch Gut- und Günstig-Artikel breit anbieten“, erklärt der Vorstand.
Seine Devise ist: „Wenn der Preis stimmt, kommen die Leute öfter.“ Ein attraktiver Preis ist ihm deshalb wichtiger als die Spanne. Den Rohertrag will Faupel über die Menge machen und setzt seine Priorität so: „Erst der Basiskunde, dann der Premiumkunde.“ Deshalb hat er zum Beispiel das Segment SB-Fleisch- und -Wurst gestärkt, das im Frischegürtel mit Kühlregalen rund um die Filiale platziert ist. Das Sortiment sei bei Konsum Leipzig früher unterrepräsentiert gewesen, weil die Theke gestärkt werden sollte. „Aber es ist ein anderer Kunde, der SB kauft, und auch den möchten wir bedienen“, sagt Faupel. Genauso hat er das Angebot an Mehrweggetränken ausgebaut. „Bei Kästen haben wir nun absolute Wettbewerbspreise. Auch hier haben wir nach unten abgerundet. Es gibt jetzt eine Kiste Thurmquell für 5,99 Euro, das gab es früher nicht.“
Deutlich vom Discount abheben will sich Faupel dagegen mit der großen Auswahl in der Obst- und Gemüseabteilung. Mit den gut 220 Artikeln erreicht die Filiale einen Umsatzanteil von 15 Prozent. Hier spielen, wie im gesamten Markt, regionale und lokale Produkte eine große Rolle. Sie sind an Regalwobblern mit der Aufschrift „Von hier“ zu erkennen.
Die Plagwitzer sind offenbar zufrieden mit dem Angebot der Genossenschaft, die getreu dem Unternehmensmotto „Nah. Frisch. Freundlich.“ agiert. 1.300 Kunden kaufen täglich im Westwerk ein. „Das ist schon ein sehr guter Wert“, sagt Faupel zufrieden.
Fakten im Fokus
500 qm Verkaufsfläche
1.300 Kunden pro Tag
8.000 gelistete Artikel
7,50 Euro Durchschnittsbon
15% Umsatzanteil mit Obst und Gemüse
von montags bis samstags: 7 - 22 Uhr
Schnell gelesen
Konsum Leipzig/Westwerk, Karl-Heine-Str. 87, 04229 Leipzig
Konsum Leipzig hat die neue Filiale im historischen Westwerk im Stadtteil Plagwitz in die ehemalige Produktionshalle eingesetzt.
Mieter des Komplexes, darunter ein Graffitikünstler, sind in die Gestaltung des Marktes eingebunden worden.
Profilwarengruppen an dem Standort sind Convenience-Artikel, Produkte aus eigener Herstellung sowie Mehrweggetränke.
Die Frischetheke am Eingang ist modular aufgebaut, inklusive Gastro-Angebot. Bis zu 100 warme Gerichte werden täglich verkauft.