Hamburg-Ottensen Rewe-Markt Kann ein Laden „hip“ sein? - Hamburg-Ottensen Rewe-Markt: Teil 2

Na klar! Es sind in der Regel Vorzeigemärkte – solche, die in denkmalgeschützten Gebäuden errichtet werden. Das erfordert große Sorgfalt, erhöhten Aufwand und ein besonderes Konzept – müssen doch auch diese Märkte irgendwann Gewinn erwirtschaften. So wie der Rewe-Markt in den Zeisehallen in Hamburg-Ottensen.

Donnerstag, 30. August 2018 - Ladenreportagen
Reiner Mihr
Artikelbild Kann ein Laden „hip“ sein? - Hamburg-Ottensen Rewe-Markt: Teil 2
Bildquelle: Architekturbüro Kinzel

Die Aufgabe hier: Aus dem historischen Gebäude etwas Besonderes machen. Die Architektin Valentina Kinzel hat die Geschichte der ehemaligen Fabrikhalle in enger Absprache mit den Denkmalschützern in einen topmodernen Supermarkt integriert. Sie hat einerseits den Charme des Baudenkmals erhalten, andererseits auf rund 1.100 Quadratmeter Verkaufsfläche 13.000 Produkte untergebracht, die auch noch ein durchaus hippes Publikum in diesem angesagten Hamburger Stadtteil ansprechen. So wurde die Gießerei-Grube, wo früher die Schiffsschrauben gegossen wurden, erhalten und durch eine Glasplatte im Boden für die Kunden sichtbar gemacht – inklusive Schiffsschraube (eine Replik, aber vom Original nicht zu unterscheiden). Schwere Eisenträger, die früher den Kran trugen, bilden das zentrale Element im Laden. Historische 6 x 3 Meter große Fotos aus dem benachbarten Museum machen die Geschichte des Gebäudes genauso deutlich wie Texttafeln. Die Beschriftung der Sortimente erfolgt in großformatig gesetzten Tafeln, die an Jugendstilschriften erinnern sollen. Die Backsteinfassade blieb erhalten, auf das charakteristische Rewe-Rot wurde zugunsten einer Beschriftung mit Industrie-Retro-Touch verzichtet. Materialien und Farben: Edelstahl und Chrom, Glas, Gitter, aber auch Rost, schwarze Metallprofile, Holz, weiß gestrichener Backstein, passende Stoffe.

Das allein dürfte allerdings für einen erfolgreichen Supermarkt nicht ausreichen. Denn hier im Viertel ist die Konkurrenz groß: Discounter, Edekaner und auch mehrere Rewe-Märkte buhlen um die Gunst der Kunden.

Jetzt kommt der Betreiber ins Spiel. Sasa Surdanovic, gelernter Fleischer und Lebensmittel-Kaufmann, seit mittlerweile fast 20 Jahren beim zweitgrößten Lebensmittelhändler Deutschlands unter anderem im Außendienst tätig, kennt den Standort im Szeneviertel wie seine Westentasche, hat hier schon gearbeitet und begeisterte sich schnell für das Projekt. Jetzt ist er Partner der Rewe und in deren 80 : 20 Prozent-System selbstständiger Betreiber des Marktes. Und der ist mehr als ein Nahversorger.

Fakten im Fokus
  • Gesammtfläche: 1.100 qm
  • Mitarbeiter: 45 davon 35 Vollzeit
  • Artikel: 13.000
  • Selbstscaner: 5

Wer den Markt betritt, sieht zuerst eine massive Stützenreihe in der Mitte des Marktes - der funktionale Kern. Um diesen historischen Kern muss der Kunde, vorbei an Gastronomie und Bedientheken („Frischeinsel“), herum. Andere Sortimente sind in acht Themenwelten rundherum angeordnet. Den eigentlichen Sortimentsbereich prägt dann der Kaufmann Surdanovic deutlich: Obst und Gemüseabteilung, Frühstücksbereich, Pasta- und Teigwarensortiment, Getränke, Convenience, wenig Nonfood. Eigentlich ein Rewe-City, aber doch ganz anders. Die hier üblichen Bereiche sind durch schwarze „Zäune“ voneinander getrennt, die von den Regalen aus bis zur 2,60 Meter niedrigen Decke reichen – stilechter Zeise-Look à la 19. Jahrhundert. Neben der architektonischen Finesse, kommt die Detailarbeit im Sortiment hinzu. Zahlreiche regionale, ja lokale Hersteller finden sich hier. „Einige Lieferanten kommen zu Fuß“ strahlt Surdanovic. Nun ja, Hamburg halt. Eier und Geflügel aus dem Norden, Honig aus Reinbek, Bier von der Altonaer Craft-Brauerei Landgang. Surdanovic’ Lieferanten für Popcorn und Gin produzieren gleich um die Ecke.

Im Sortiment finden sich also zeitgemäß auch viele Start-ups. Sushi-Bar und Bäcker sind untervermietet. Wichtige Themen sind Nachhaltigkeit, Bio, Vegan, moderne Ernährungsformen. Am Sortiment wird stetig gearbeitet, es verändert sich gerade in den ersten Monaten und wird sich, so Surdanovic, in zwei bis drei Jahren richtig eingespielt haben. Die Zielgruppen sind junge Akademiker, junge Familien, Szenegänger, Anwohner, Angestellte aus den zahlreichen Büros rundum. „Denen ist Ernährung wichtig, aber auch die Gestaltung meines Marktes“. Das darf durchaus „cool“ sein.

Eine besondere Rolle spielt die Gastronomie. Hier wird zentral live von einem Profi-Koch gekocht (übrigens auch sonntags). Die Karte ist umfangreich und bietet vom Frühstück über Gegrilltes, Pizza, Salat und Burger bis Crème brulée alles, was das Herz begehrt (Tipp: Zeiseburger!). Wenn da mittags Pause in den umliegenden Büros ist, brummt der Laden.

In der Marktmitte führt dann etwas überraschend eine Holztreppe zu einer Empore hinauf: Tische, Sitzplätze, zwei Jugendstil-Lounges mit schwarzen Ledersesseln und: eine Bühne, auf der ein schwarzer Flügel steht. Hier wird tatsächlich regelmäßig musiziert – auch an Sonntagen, wenn nur der Gastrobereich geöffnet hat. Das wird noch weiter ausgebaut. „Zuerst muss mal der Laden stehen“, sagt Surdanovic. Aber er will sein Geschäft schon zum Szenetreff ausbauen. Nächstes Jahr soll Außengastronomie dazukommen. Sein Ziel: Nummer 1 in Ottensen. „Die Leute sollen nicht sagen, „ich geh einkaufen“, sondern ich geh zu Surdanovic.“. Oder zu Sasa – wäre doch szeniger, oder?

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