Interview mit Lionel Souque - Rewe „Die Zentrale flankt, das Marktteam schießt das Tor“

Die Rewe bietet ihren Kunden eine Vielfalt an Formaten. Vorstand Lionel Souque über Erfolg und Schwierigkeiten der verschiedenen Vertriebslinien.

Montag, 11. März 2013 - Management
Susanne Klopsch
Artikelbild „Die Zentrale flankt, das Marktteam schießt das Tor“
Bildquelle: Mugrauer

Wie oft gehen Sie selbst in Rewe-Märkte? Und worauf achten Sie dort besonders?
Lionel Souque: Ich besuche wann immer möglich Märkte von uns, aber auch von Wettbewerbern. Ich suche dabei auch den Kontakt mit den Kunden, um herauszubekommen, was ihnen gefällt und was nicht. Am wichtigsten ist aber der Austausch mit den Rewe-Kaufleuten und den Marktmanagern. Es interessiert mich zu erfahren, was man aus ihrer Sicht verbessern kann. Für mich ist immer wieder beeindruckend zu sehen, wie engagiert die Mitarbeiter in den Märkten sind. Vom Auszubildenden bis zum „alten Hasen“ haben alle Rewe im Blut, sind mit Leidenschaft dabei, und das macht den Erfolg aus. Denn wir in der Zentrale können viele Projekte starten, aber wir können, um es in der Fußballsprache zu sagen, nur die Flanke geben, das Tor müssen der Marktchef und seine Mannschaft schießen. Und das gelingt sehr gut. Denn Rewe hat laut GfK von allen Handelsunternehmen die meisten Kunden dazugewonnen – 750.000 Kunden mehr als im Vorjahr.

Zur Person
Lionel Souque (41) arbeitet seit 1996 für die Rewe Group. Seine erste Station war der internationale Discount Penny, wo er führende Positionen im Ein- und Verkauf besetzte. 2001 wurde der gebürtige Pariser Leiter Einkauf und Marketing bei Eurobilla und war verantwortlich für die Super- und Großflächenmärkte in Zentral- und Ost-Europa. Von 2002 bis 2005 übernahm er die Aufgabe des leitenden Geschäftsführers der Rewe Group Italien. Im April 2007 folgte der Vorstandsvorsitz von Eurobilla. Dort war der Franzose verantwortlich für alle Super- und Großflächenmärkte in Zentral- und Osteuropa sowie Italien.
Im April 2009 wurde Lionel Souque zum Generalbevollmächtigten der Rewe Group berufen und verantwortet seitdem als Geschäftsführer der Rewe Markt GmbH die Super- und Großflächenmärkte in Deutschland. Als Mitglied des Rewe-Vorstands ist er für das Vollsortiment National zuständig.
Lionel Souque hat einen MBA-Abschluss von der ESSEC Business School in Paris.
Er ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt mit seiner Familie in Köln.


Sie bieten den Kunden verschiedene Formate an, um einzukaufen, darunter auch Abholstationen. Wie werden sie angenommen?
Bisher hat der Abholservice in Deutschland nicht so einen Erfolg wie in Frankreich, wo er allen voran bei Auchan und Leclerc sehr gut läuft.

Woran liegt das?
Vertriebsstruktur und Einkaufsgewohnheiten sind in Deutschland ganz anders. In Frankreich nutzen viele Kunden den Abholservice, um Zeit zu sparen. Dieser Faktor spielt in Deutschland keine so große Rolle. Die Standortdichte in Deutschland ist viel höher, es liegt immer ein Markt auf dem Weg. Die Franzosen sind es dagegen gewohnt, in Großflächen einzukaufen und dafür weiter zu fahren. Deshalb wird der Abholservice meiner Meinung nach in Deutschland langfristig eher ein Zusatzservice bleiben.

Werden Sie die Drive-Standorte trotzdem weiterführen?
Selbstverständlich. Damit bieten wir dem Kunden einen Mehrwert, den er nicht bei allen Wettbewerbern bekommt – bei überschaubaren Kosten.

Werden Sie weitere Abholstationen einrichten?
Es wird sicher keinen nationalen Roll-out geben, aber wir werden den Abholservice an geeigneten Standorten weiter ausbauen.

Wie gut läuft der Lieferservice?
Da ist die Akzeptanz höher als beim Abholservice, weil es für den Kunden praktisch und bequem ist, sich Einkauf und Mehrweg-Getränkekisten bis in den vierten Stock liefern zu lassen. Allerdings verursacht die Auslieferung auch höhere Kosten.

Glauben Sie, dass Sie in Zukunft damit Geld verdienen können?
Wenn die Auslastung steigt, dann bin ich vorsichtig optimistisch.

Wie schätzen Sie den Online-Handel mit Lebensmitteln ein?
Ich denke, keiner kann momentan genau einschätzen, wie schnell sich der Online-Handel mit Lebensmitteln in Deutschland entwickeln wird. Aber als zusätzlicher Vertriebskanal wird er für die überzeugten Online-Shopper unverzichtbar sein. Deshalb müssen wir im Zug sein, damit wir dabei sind, wenn er beschleunigt. Zum Beispiel haben wir schon unser Warenwirtschaftssystem angepasst. Ich bin überzeugt, dass der Online-Anteil gerade bei Trockensortimenten wie Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel oder Tiernahrung deutlich steigen wird. Bei den frischen Produkten wie Fleisch oder Obst und Gemüse habe ich da mehr Zweifel.

Werden sich die stationären Märkte also noch mehr auf Frische konzentrieren?
Ja. Wir optimieren zwar fortlaufend alle Sortimente, aber die Frische-Produkte sind die wichtigsten, in diesen Warengruppen können wir uns gegenüber den Wettbewerbern profilieren.

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Welche Bedeutung kommt Convenience-Artikeln zu?
Im Vergleich zu England oder Holland hinkt Deutschland hier noch hinterher. Aber schon allein wegen der demografischen Entwicklung, der steigenden Anzahl an Single-Haushalten, wird Convenience immer interessanter. Darauf ist unser „To go“-Konzept eine gute Antwort. Was in diesen Läden gut läuft, kann oft auch in unseren Supermärkten angeboten werden. Eine allgemeine Aussage, welche Produkte besonders gut ankommen, ist aber schwierig. Je nach Standort – ob Bürolage, Einkaufsstraßen oder Bahnhöfe – stellen wir standortspezifische Sortimente zusammen.

Welche Rolle spielen Ihre Eigenmarken in den „To go“-Läden?
Wir führen sie, aber wir legen nicht unser Hauptaugenmerk darauf.

Verdienen Sie schon Geld in diesen Shops?
Die Wirtschaftlichkeit bei den „To go“-Märkten ist mit Sicherheit eine große Herausforderung. Die Standortmieten sind sehr teuer, und der Durchschnittsbon ist im Vergleich zum Supermarkt sehr gering. Wir haben eine hohe Kundenfrequenz, aber auch hohe Personalkosten. Wir befinden uns noch in einer Testphase, können aber jetzt schon sagen, dass uns einige Märkte viel Freude bereiten. Es geht uns vor allem darum, dazuzulernen – für weitere „To go“-Standorte, aber auch für die Supermärkte. Wir räumen diesem Konzept einen hohen Stellenwert ein. Deshalb haben wir in der Zentrale auch die Mannschaft verstärkt, die sich um „To go“ kümmert.

Wie viel mehr ist der Kunde in den „To go“-Läden bereit zu bezahlen?
Eine schwierige Frage. Wir müssen auf alle Fälle günstiger sein als die Wettbewerber wie Bäckereien, Gaststätten, Fast-Food-Läden, und viel teurer als ein normaler Rewe-Markt dürfen wir auch nicht sein – maximal 10 Prozent.

Zählen Sie auch „Albert Heijn to go“ zu Ihren Wettbewerbern?
Theoretisch ja, aber in der Praxis gibt es noch keinen Standort, wo beide Konzepte direkt miteinander konkurrieren. Ich finde es mutig, dass Ahold nach Deutschland gekommen ist, aber wir nehmen die Herausforderung gern an.

Wie viele „To go“-Standorte wollen Sie in diesem Jahr eröffnen?
Wir sind noch in einer Testphase und lernen von Markt zu Markt. Deshalb ist es nicht sinnvoll, viele Märkte gleichzeitig aufzumachen und dann nach einem Jahr umbauen zu müssen. Alle neuen Märkte werden in NRW sein, da gibt es noch genug Potenzial. Mit Neueröffnungen und bereits abgeschlossenen Mietverträgen werden wir 2014 rund zehn „Rewe to go“-Märkte am Netz haben.

Werden Sie mit Temma expandieren?
Ja, wir haben entschieden, in diesem Jahr auch Märkte außerhalb von NRW zu eröffnen, und zwar in Hamburg und im Rhein-Main-Gebiet. In beiden Regionen sind wir mit Rewe schon sehr präsent und nutzen Temma als Alternativangebot für die Kunden. Beide Konzepte ergänzen sich sehr gut.

Wie sieht die Zukunft der Großfläche aus?
Die Großfläche leidet in Europa insgesamt – aus unterschiedlichen Gründen. Aufgrund der hohen Benzinpreise ist die Fahrt zur Großfläche teuer geworden, dadurch wird der Vorteil, dass die Preise günstiger sind, wieder aufgehoben. Der Zeitaufwand für Anfahrt und Einkauf ist höher, den die Menschen aufgrund des hohen Zeitdrucks seltener aufbringen wollen. Und ein weiterer Grund ist, dass sich die Großfläche in der Vergangenheit stark mit den Nonfood-Sortimenten profiliert hat. Diese Profilierungsstärke haben die Großflächen in den vergangenen Jahren durch die wachsende Fachmarktpräsenz insbesondere durch die aggressiven Angebote der Online-Händler verloren.

Wie sieht das bei Toom aus?
Toom ist mit seinen bundesweit 56 Märkten und einem Umsatz von mehr als 1 Mrd. Euro eine eher kleine Einheit im deutschen Großflächenmarkt. Der Umsatz ist auf vergleichbarer Fläche im vergangenen Jahr stabil geblieben. Es ist schwierig, auf der Großfläche immer mehr Umsatz zu machen, während gleichzeitig unter anderem die Kosten für Energie stark steigen. Wir glauben, dass die Integration der Toom-Märkte in die Rewe-Regionen für die Großfläche Vorteile bringt. Zum Beispiel können so die regionalen und lokalen Sortimente gestärkt werden, was bisher bei Toom nicht im großen Ausmaß der Fall war.

Wird Toom umbenannt?
Das ist noch nicht entschieden. Sicher ist: In diesem Jahr werden die Märkte auf keinen Fall umbenannt. Der Name ist aber auch zweitrangig. Das Wichtigste ist ein Konzept, das dem Kunden einen Mehrwert bietet, das ihn dazu bringt, sich ins Auto zu setzen und 15 km in den nächsten Toom-Markt zu fahren. Dafür müssen wir an den Sortimenten arbeiten. Zum Beispiel werden wir ein neues Nonfood-Konzept präsentieren. Außerdem werden wir einige Services anbieten, die es bisher bei Toom nicht gab. Genaueres wird Ende des Jahres in unseren beiden Konzept-Märkten in Darmstadt und Egelsbach zu sehen sein.

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Bild öffnen Wenn die Auslastung steigt, lässt sich künftig mit dem Lieferservice Geld verdienen, ist Rewe-Vorstand Lionel Souque überzeugt.
Bild öffnen „In diesem Jahr werden die Toom-Märkte auf keinen Fall umbenannt.“
Bild öffnen „2014 werden wir rund zehn ,Rewe to go’-Märkte am Netz haben.“
Bild öffnen Toom wird auf Vordermann gebracht. Es wird mehr regionale Produkte, ein neues Nonfood-Konzept und erweiterten Service geben, sagt Souque.