Hat Trump recht? Warum viele US-Lebensmittel in Europa unverkäuflich sind

Hintergrund

US-Produkte verkaufen sich im Ausland schlechter, als es Trump lieb ist. Auch viele amerikanische Lebensmittel sind in Europa schwer verkäuflich. Dabei spielen Abgaben eine Rolle – aber bei Weitem nicht nur.

Mittwoch, 23. April 2025, 05:40 Uhr
Tobias Dünnebacke
Trump stellt Zölle für einzelne Länder vor: Willkür oder berechtigtes Interesse? Bildquelle: Joyce N. Boghosian / The White House

Donald Trump hat Anfang April nicht nur ­eine Tafel voller Prozentsätze berühmt gemacht – sondern auch eine Liste von ­Vorwürfen in die Welt gesetzt: Andere Länder benachteiligten die Vereinigten Staaten, betrögen sie gar, behauptete der US-Präsident. Wenn Trump sein Zollprogramm mittlerweile auch zum Großteil auf Pause gestellt hat, bleiben die Vorwürfe in den Verhandlungen über ein künftiges Welthandelssystem auf dem Tisch. Und es stimmt ja: Einige amerikanische Produkte, darunter viele Lebensmittel, sind etwa in Deutschland kaum verkäuflich. Gebäck zum Toasten, Macaroni and Cheese aus der Fast-fertig-Packung oder Hershey’s-Schokolade sind in den USA Alltagsartikel – aber hierzulande eher ­Kuriositäten. Die Frage ist: Woran liegt das wirklich?

Etwa an europäischen Zöllen? Die unbequeme Wahrheit ist: Die EU erhebt auf einige importierte Lebensmittel tatsächlich höhere Abgaben, als es die USA tun. Das liegt etwa an Zusatzzöllen auf Produkte, die bestimmte Agrarrohstoffe enthalten, etwa Zucker, Milch und Getreide. Diese Zahlungen sollen die EU-Landwirtschaft schützen – und machen US-Produkte wie Kellogg’s Pop Tarts für den Toaster, Mac & Cheese von Kraft oder amerikanische Schokolade, sofern sie tatsächlich in den USA hergestellt sind, spürbar teurer. Die Zusatzabgaben sorgen auch in Deutschland für Kritik: Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) spricht von einer „protektionistischen Handelspraktik der EU“: „Diese Zusatzzölle auf Agrarerzeugnisse bei der Einfuhr verarbeiteter Lebensmittel sind sehr überzogen. Sie bilden ein Einfallstor für die Argumentation der reziproken Zollsätze der US-Administration.“

Auch der Regelzoll liegt bei einigen Lebensmitteln in Europa höher als in den USA. Nach Auskunft von Experten fällt etwa für Schokolade aus Amerika oft ein Zollsatz von bis zu 10 Prozent an – die Agrar-Zusatzabgaben kommen hinzu. Der Regelzollsatz für deutsche Schokolade in den USA liegt den Angaben zufolge zwischen 4,3 und 8,5 Prozent.

Maximilian Waltmann, Geschäftsführer bei dem Beratungsunternehmen AFC, bestätigt, dass die EU höhere Zölle auf bestimmte US-Produkte erhebt. Diese seien oft das Ergebnis historischer Verhandlungen und spiegelten die jeweiligen wirtschaft­lichen Prioritäten wider. Holger Hübner, Geschäftsführer der German Export Association for Food and Agriproducts (GEFA), sagt: „Ja, es kann in einzelnen Segmenten zu einer unvorteilhaften Gewichtung kommen. Es geht aber immer um das Gesamtpaket der gemeinsam mit den USA verhandelten Zölle.“ Gesamtwirtschaftlich gleichen sich die Abgabenunterschiede in den USA und Europa praktisch aus, sagen Experten: Die EU-Zölle auf Lebensmittel sind teils vergleichsweise hoch, die auf andere Produkte dafür geringer als die entsprechenden Zölle der USA.

Um die Ecke argumentiert?

Und welche Rolle spielt die Mehrwertsteuer? Nach Meinung von Trump bedeutet die Abgabe, die Deutschland und andere EU-Länder erheben, eine extreme Benachteiligung für amerikanische Hersteller. Tatsächlich gibt es in den USA keine flächendeckende Mehrwertsteuer. Verkaufssteuern auf Ebene der Bundesstaaten sind in der Regel deutlich niedriger als etwa die deutsche Mehrwertsteuer von bis zu 19 Prozent. Trotzdem ist das Argument schon auf den ersten Blick absurd: „Die Mehrwertsteuer belastet US-Unternehmen nicht, schließlich gilt sie auch für europäische Hersteller“, sagt Jürgen Matthes, Experte für internationale Wirtschaftspolitik beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Auf eine Schokolade aus Schwaben müssen deutsche Lebensmittelhändler genauso 19 Prozent Mehrwertsteuer aufschlagen wie auf eine importierte Tafel Hershey’s.

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Die deutsche Ernährungsindustrie macht beim Außen­handel weniger ­Umsatz auf dem US-Markt als in der Schweiz.

Nur: Gibt eine relativ hohe Mehrwertsteuer dem deutschen Staat nicht Spielraum, die einheimi­schen Unternehmen bei anderen Abgaben, etwa der Körperschaftssteuer auf Gewinne, zu entlasten? Entsteht so ein Vorteil für Unternehmen, die hierzulande herstellen? Matthes lässt das nicht gelten: „Das ist schon ziemlich um die Ecke argumentiert.“ Den USA stünde es frei, selbst stärker den Verbrauch zu besteuern. Und in Deutschland und den anderen großen EU-Staaten wie Frankreich und Italien sei die Körperschaftssteuer nicht gerade niedrig. Zudem komme es handelspolitisch auf die „Nicht-Diskriminierung“ zwischen in- und ausländischen Anbietern an. Auch Maximilian Waltmann erteilt dem Mehrwertsteuer-Argument von Trump eine klare Absage: „Die Mehrwertsteuer als versteckten Handelsvorteil zu bezeichnen, ist schlichtweg eine falsche Aussage.“

Trump stört sich auch am sogenannten Vorsorgeprinzip der EU. Dieses führt dazu, dass Produkte wie chlorbehandeltes Hühnerfleisch, hormon­behandeltes Fleisch und bestimmte gentechnisch veränderte Organismen nicht zugelassen sind, solange ihre Unbedenklichkeit nicht ausreichend nachgewiesen ist. Waltmann von AFC sagt, diese Regelung beruhe auf einem berechtigten Interesse der EU, gelte unabhängig vom Herkunftsland und stelle „somit keine Diskriminierung von US-Produkten“ dar. Ob die Beschränkungen für bestimmte Lebensmittel im Detail zu weit gehen, ist allerdings auch in Europa immer wieder Gegenstand von Diskussionen.

Genussmittel-Exporte in die USA
Alkoholhaltige Getränke wie Wein und 
Spirituosen führen das Ranking der 
EU-Exporte in die USA an.

Schmeckt’s nicht?

Dass es an den US-Produkten selbst liegen könnte, wenn Europäer diese verschmähen, scheint für Trump weniger vorstellbar. Dabei dürften deren Qualität und Inhaltsstoffe eine wesentliche Rolle spielen: Hershey’s schmeckt anders als Ritter Sport oder Milka. Nicht wenige amerikanische Produkte enthalten zudem Zusatzstoffe, die in Europa zwar nicht völlig verboten, hiesigen Konsumenten zuweilen aber suspekt sind. Ein Beispiel ist der Farbstoff Tartrazin, der zumindest bis vor einigen Jahren auch in fertig verpackten Mac & Cheese üblich war.

Sollte Trump europäische Produkte doch noch mit den zunächst angedrohten 20 Prozent Zoll belegen, droht auch in der Ernährungswirtschaft Schaden: Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) beispielsweise sieht die Gefahr eines Überangebotes und warnt vor einer neuen Milchkrise. Die deutschen Milchbauern sorgten für rund 300.000 Arbeitsplätze entlang der Wertschöpfungskette. „Diese Arbeitsplätze können nur erhalten werden, wenn wir Marktverwerfungen durch Überproduktion unbedingt vermeiden“, sagt der BDM-Vorsitzende Karsten Hansen.

Andere Teile der Wirtschaft sind allerdings noch weit stärker betroffen als die Lebensmittelbranche. Waltmann von AFC weist darauf hin, dass der Anteil der USA an den Exporten der deutschen Ernährungsindustrie mit 2 Milliarden Euro geringer sei als jener der Schweiz (2,4 Milliarden Euro, siehe Grafik). Der EU-Binnenmarkt sei mit einem Anteil von 74,5 Prozent an den Gesamtexporten der wichtigste Markt. Einzelne Hersteller träfen hohe US-Zölle gleichwohl hart. Ein für Händler und Verbraucher positiver Effekt könnte allerdings sein, dass durch die geringere Nachfrage die Preise in der EU womöglich sinken würden.