Interview Hans-Philipp Okle - Okle GmbH Muss einzigartig sein

Auf Sortiment und Service kommt es an - dann spielt der Preis beim Einkauf eine untergeordnetere Rolle. Moderne Nachbarschaftsmärkte beherrschen das.

Donnerstag, 03. November 2011 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Muss einzigartig sein
Bildquelle: LP-Archiv

Individualität und das flexible Eingehen auf Kundenwünsche sind die Pluspunkte moderner Nachbarschaftsläden. Das erklärt Hans-Philipp Okle, geschäftsführender Gesellschafter der Okle GmbH im Gespräch

.Was macht kleine Nachbarschaftsläden konkurrenzfähig gegenüber großen Super- oder Verbrauchermärkten im jeweiligen Einzugsgebiet?
Kleine oder kleinere Nachbarschaftsläden können sich durch passgenaue Sortimente auf das stets individuelle Einzugsgebiet präzise einstellen und bieten so statt Unübersichtlichkeit von Riesenangeboten genau das Gewünschte. "Nicht immer alles - aber immer das Richtige" ist unsere Devise.

Welche ergänzenden Service-Leistungen sollte ein Nachbarschaftsladen bieten?
Post, Fax, Lotto sind die Service-Leistungen, die in einem Ort zählen. Hol- und Bring-Dienste kommen hinzu. Service-Leistungen sind wie Angebote anzusehen: sie richten sich in ihrem endgültigen Zuschnitt nach dem individuellen Einzugsgebiet.

Welchen Umsatz bzw. welche Rendite braucht ein Nachbarschaftsladen, um als Vollexistenz betrieben werden zu können?
Das lässt sich nur jeweils vor Ort beantworten - es kommt zum Beispiel auf die Eigentumsverhältnisse an, es kommt darauf an, wie der Markt betrieben wird - als genossenschaftliches Modell oder als Selbstständiger Einzelhändler, es kommt auf die Konkurrenzsituationen an. Ab 2000 Einwohner wird sich ein Markt rechnen, wenn Sie zu Grunde legen, dass Sie von den
Lebensmittelausgaben eines Haushalts rund 30% in ihr Geschäft leiten können.

Wie muss das Sortiment eines Nachbarschaftsladens zusammengesetzt sein?
Regionale und lokale Angebote im Mix mit ausgesuchten Marken, ein hoher Anteil an überzeugenden Bio-Qualitäten, ein gesunder Mix von Preiseinstieg zu dem übrigen Sortiment.
Wir haben die Preis-und Wert-Strategie entwickelt: "Jeden Tag" als Preiseinstieg mit rund 700 Artikeln, aus denen sich der SEH seine Favoriten heraussucht, umsatzstarke weil viel verlangte Marken, Regionalität durch unsere Marke Landliebe, die größte Regionalmarke in Süddeutschland, ein starkes Bio-Sortiment, lokale Favoriten und Demeter in voller Breite - wir sind ja ein Demeter-zertifiziertes Handels- und Produktionshaus.

Welche wesentlichen Kunden-Nutzen muss ein Nachbarschaftsladen darüber hinaus bieten?
Ganz einfach: Die Persönlichkeit des Betreibers. Er muss in der Gemeinde verwurzelt sein. Er ist die Kommunikationsdrehscheibe des Ortes, der Lehrer der Kinder, der Beschaffer, der Macher, immer auch in Vereinen oder der Kommune tätig.

Welche Mindest-Einwohnerzahl im unmittelbaren Umfeld braucht ein Nachbarschaftsladen?
Rund 2000 Menschen. Wobei es hier auf die Art der Betreibung ankommt und auf die Konkurrenzsituation.

Wie sieht das Preisniveau eines Nachbarschaftsladens im Vergleich zu Discountern bzw. großen Supermärkten aus?
Durchaus gut. Die Discounter arbeiten mit Eckpreisen -der Rest ist überhaupt nicht billig und Kitt unseren Preisen durchaus vergleichbar. Das haben die Kunden begriffen. Und begriffen haben sie auch, dass scheinbar billige Lebensmittel insgesamt gesehen volkswirtschaftlich einen hohen Preise durch ihre teuren Spuren hinterlassen: Turbo-Hähnchen, Verfall kultureller Vielfalt, Zerstörung von Lebenslandschaften. und Lebensqualität wegen anonym beschaffter und gleichgültig hergestellter Produkte. Die Umweltbelastung ist ebenfalls ein zu denken: in den vergangenen 30 Jahren gibt es in Deutschland knapp 100.000 Ladengeschäfte weniger und dabei oder auch dadurch hat sich der Einkaufsverkehr (KfZ-Kilometer zu Einkaufszwecken) auf rund 440 Millionen Kilometer täglich verdoppelt.

Was unterscheidet z. B. „Um's Eck" von einem Nachbarschaftsladen, der von einer privaten Initiative gegründet und teilweise auch öffentlich finanziert worden ist?
Bei den privaten Initiativen fehlt die Betreiber-Persönlichkeit. Bei Cap- oder Bonus-Märkten können bei der Marktauswahl soziale Impulse hinzu kommen. Bei genossenschaftlich geführten Märkten kann der Großhandel wertvolle Anstöße einbringen. Aber alle drei müssen unter gleichen Voraussetzungen erfolgreich sein: Durch Sortiment und Service. Unsere Preis- und Wertstrategie schafft hier beste Impulse und eine ausgezeichnete Ausgangssituation für einen guten Markterfolg.

Sind Nachbarschaftsläden aus privaten Initiativen überlebensfähig?
Jeder Nachbarschaftsmarkt ist überlebensfähig, der das richtige Sortiment und die richtigen Serviceleistungen bietet - eine gewisse Größe, eine Qualität und die Kenntnis des Einzugsgebietes ist die Voraussetzung.

Wie schätzen Sie das Potenzial für kleine Nachbarschaftsläden ein?
Hoch, weil der Mensch Sicherheit statt klitzekleiner Staunepreise, Herkunft statt Anonymität, Persönlichkeit statt Beliebigkeit, gezielten Einkauf statt Massensuche, Verlässlichkeit statt Windeiern liebt. Ein Beispiel von vielen: MediaMarkt ändert seine Kommunikation. "Zwei zum Preis für Zwei", lautet jetzt die Botschaft.

Wie stellen Sie und Ihre Großhandelskooperationspartner sich darauf ein?
Ständiges Feilen an den Sortimenten und den Sortimentsvorschlägen für die individuellen Einzugsgebiete unserer Handelspartner. Ständige Vergrößerung der regionalen und lokalen Angebotsmenge. Gezielte Einzigartigkeit in Sortiment und Kompetenz.

Die Okle GmbH mit Sitz in Singen am Bodensee beliefert im südlichen Baden-Württemberg ca. 500 selbständige Einzelhändler. Hans-Philipp Okle ist ihr geschäftsführender Gesellschafter.