Arbeitsbedingungen im Visier „Klima der Angst“ bei Knuspr ?

Mitarbeiter erheben im Zusammenhang mit der Bringmeister-Übernahme im LP-Gespräch schwere Vorwürfe gegen ihren Arbeitgeber.

Freitag, 08. Dezember 2023 - Management
Thomas Klaus
Artikelbild „Klima der Angst“ bei Knuspr ?
Bildquelle: Peter Montermann

Lieferando und Wolt sind im Visier einer aktuellen ARD-TV-Dokumentation mit dem Titel „Liefer-Sklaven“; Arbeitskämpfe beim einstigen Anbieter Gorillas (heute: Getir); angebliches Anti-Betriebsrat-Vorgehen bei Flink – Lieferdienste produzieren immer wieder wenig schmeichelhafte Schlagzeilen. Im Fokus: die Arbeitsbedingungen und hier vor allem der auch „Rider“ genannten Kuriere, die Waren möglichst schnell von A nach B bringen sollen.

Vom Lieferdienst Knuspr hatte man in dieser Hinsicht bisher nichts gehört: Der Gewerkschaft Verdi und der Aktion gegen Arbeitsunrecht war das Unternehmen noch im November nicht negativ aufgefallen. Das bestätigen sie auf LP-Anfrage. Doch die Vorwürfe, die drei Mitarbeiter gegenüber unserer Redaktion erheben, wiegen schwer und könnten am Image von Knuspr nagen – so sie denn zutreffen. Denn es steht Aussage gegen Aussage: Knuspr weist die Vorwürfe zurück.

Hintergrund des Ganzen: Im September hat die Rohlik Group aus Tschechien, die in Deutschland in Form von Knuspr aktiv ist, den Online-Supermarkt Bringmeister übernommen. Abgegeben wurde er von der tschechischen Investmentgruppe Rockaway Capital. Geld ist dafür nicht geflossen. Vielmehr wird Rockaway Capital mit einer Rohlik-Beteiligung belohnt. Deren Höhe hängt vom Erfolg der Bringmeister-Übernahme ab.

Die Vorgeschichte: 2017 hatte die Edeka-Zentrale Bringmeister übernommen – im Zuge der Integration von Kaiser’s Tengelmann. 2021 war Rockaway Capital auf den Plan getreten.

Regelmäßige Arbeitseinsätze in Prag
In Berlin soll die Marke Bringmeister nur noch bis Anfang 2024 weitergeführt werden. 70 Angestellte in der Hauptstadt wurden bereits entlassen. Bald soll das Knuspr-Angebot auch in Berlin groß herauskommen. Parallel hat Knuspr seinen Lieferradius im Raum München um insgesamt 34 Postleitzahlgebiete erweitert.

Der Mitarbeiter Max S. (Name ist der Redaktion bekannt) zeichnet vom Umgang mit Mitarbeitern in Berlin und anderswo ein eher düsteres Bild. Die „skrupellos und aus Profitgier“ gekündigten Mitarbeiter seien weder mit Abfindungen bedacht noch freigestellt worden, so Max S. Ein Aufhebungsvertrag, der eine Lohnfortzahlung von ein bis zwei Monaten vorgesehen habe, sei lediglich für knapp 24 Stunden angeboten worden. Außerdem seien Beschäftigte für Unterschriften einzeln „massiv unter Druck gesetzt“ worden.

Die von Knuspr gegenüber Medien behauptete offene Fragerunde habe es nicht gegeben („Das ist schlicht gelogen“), behauptet Max S. Insgesamt praktiziere Knuspr eine „sehr schlechte und intransparente Kommunikation mit den Mitarbeitern“, behandele sie von oben herab – kein Vergleich zu Vor-Knuspr-Zeiten.

Ein anderer Bringmeister/Knuspr-Mitarbeiter, Stefan D. (Name ist der Redaktion bekannt), schildert ein „Klima der Angst und Verunsicherung“. So seien er und Kollegen aufgefordert worden, über regelmäßige Arbeitseinsätze in Prag nachzudenken, wo die Rohlik Group residiert. An der internen Kommunikation lässt er ebenfalls kein gutes Haar.

LP kennt ebenfalls die Geschichte einer Mitarbeiterin, der nach ihren Angaben am letzten Tag ihrer Probezeit gekündigt wurde. Ein Kurier habe bei ihr kurz vor Mitternacht Sturm geklingelt. Sie habe schlaftrunken die Kündigung entgegennehmen müssen – nachdem sich Nachbarn über den vom Kurier verursachten Lärm beschwert hätten.

„Darstellung der Mitarbeiter unzutreffend“
Knuspr will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen, nennt sie „unzutreffend“. Unternehmenssprecher Manuel Kalleder versichert: „Unser Ziel ist es, auch im Sinne der betroffenen Mitarbeiter, den Umstrukturierungsprozess so offen und transparent, aber auch so kurz wie möglich zu halten.“ Deshalb sei tatsächlich von den von Kündigung betroffenen Mitarbeitern eine Rückmeldung bis zum Folgetag erbeten worden – allerdings ohne Druck. „Wenn eine Entscheidungsfindung länger gedauert hat, haben wir die Gespräche zu Aufhebungsvereinbarungen auch in den Folgewochen fortgeführt und stehen weiterhin mit den Personen im Austausch“, so Knuspr. Eine offene Fragerunde habe es „definitiv“ gegeben, „leistungsbezogene Abfindungspakete“ seien geschnürt, Mitarbeiter durch Sonderurlaub bei der Jobsuche unterstützt worden. Und sollte tatsächlich ein Kurier eine Mitarbeiterin nachts aus dem Bett gerissen haben, wäre das ein klarer Verstoß gegen den Zustellauftrag gewesen. Knuspr untersuche das.

Transparenz liefern und keine Angriffsflächen

Kommentar von Thomas Klaus

Das Hauen und Stechen unter den Lebensmittel-Lieferdiensten geht weiter. Und so manches Unternehmen bleibt dabei in Deutschland auf der Strecke, zum Beispiel der norwegische Anbieter Oda Mitte des Jahres. Knuspr hingegen werden von Experten gute Chancen und Steher-Qualitäten nachgesagt. Dieser Lieferdienst will in den kommenden Jahren in 15 weitere deutsche Städte expandieren. Der Umsatz der Rohlik Group soll bis 2030 von einer auf zehn Milliarden Euro zulegen, die Hälfte davon in der DACH-Region.

Attacken von Arbeitnehmer-Seite kommen da zur Unzeit. Denn Kunden reagieren zunehmend allergisch auf angebliche oder tatsächliche Verletzungen von Arbeitnehmerrechten.

Gerichte sind gefordert
Was an den Vorwürfen dran ist, werden deutsche Gerichte entscheiden. Zumindest zum Teil. Denn zahlreiche der in Berlin gekündigten Mitarbeiter wollen nach LP-Informationen klagen. Dass sich Knuspr öffentlich umfassend zu den Vorwürfen äußert, spricht für das Unternehmen und ist unter den Lieferdiensten nicht selbstverständlich. Transparenz ist jedoch einer der mitentscheidenden Faktoren bei der Frage, welche Lieferdienste den Kampf um Marktanteile gewinnen werden. Transparenz und ein fairer, offener Umgang mit Mitarbeitern, der im Idealfall selbst den kritischsten Mitarbeitern einfach keine Angriffsfläche liefert.