Interview mit Stefan Lenk „Als Team auf Augenhöhe arbeiten“

Rewe-Kaufmann Stefan Lenk ist Nachfolger von Friedhelm Dornseifer an der Spitze des MLF. Was er von seinem Vorgänger gelernt hat, welche Themen ihn besonders bewegen, was der MLF für ihn bedeutet und was der VFL Bochum damit zu tun hat, das verriet er im Interview.

Freitag, 26. Mai 2023, 05:16 Uhr
Heidrun Mittler und Susanne Klopsch
Artikelbild „Als Team auf Augenhöhe arbeiten“
Bildquelle: Peter Eilers

Ihr Familienunternehmen mit neun Märkten wird 60, Sie haben den Vorsitz im Aufsichtsrat der Rewe Dortmund inne und sitzen im Aufsichtsrat der Rewe Group. Jetzt übernehmen Sie noch den Vorstand des MLF. Wie bekommen Sie das alles gestemmt?
Stefan Lenk:
Wir sind ein echtes Familienunternehmen. Seit dem 1. Januar 2022 sind meine drei Söhne nicht nur mit jeweils 25 Prozent am Unternehmen beteiligt. Sie geben auch alle drei Vollgas. Meine Frau Claudia ist jeden Tag in der Firma und kümmert sich um das wirklich wichtige Thema Mitarbeiter. Unser Sohn Moritz übernimmt einen Teil der Aufgaben meines Assistenten und einen Teil meiner Aufgaben. Das ist Teil unserer Strategie für einen guten Übergang. Fabian ist Fleischermeister und Sommelier. Er kümmert sich um die Serviceabteilungen. Und Philipp bastelt gerade in Neuwied an seinem Handelsbetriebswirt, nachdem er im vergangenen Jahr den Handelsfachwirt bestanden hat. Bei der Rewe und dem MLF gibt es hervorragende Strukturen und Top-Mitstreiter. So geht das alles gut zusammen.

Die nächste Generation ist also vorbereitet.
Das stimmt. Wir leben aber auch von einem stabilen Fundament an langjährigen, erfahrenen Mitarbeitern. Das ist ein gutes Pfund für uns. Aber als ich in den Aufsichtsrat der Rewe Dortmund gewählt wurde und dann in den Aufsichtsrat der Rewe Group, habe ich einen unserer Marktleiter aus dem Markt herausgelöst, er nimmt mir seitdem viele Dinge ab. Er wird von meinem Sohn Moritz unterstützt, und die zwei arbeiten als Team zusammen.

Und wie oft sind Sie noch in den eigenen Läden?
Ich versuche, jeden Markt zwei bis drei Mal in der Woche persönlich zu sehen. Meist bin ich einen halben Tag in den Märkten unterwegs. Ich arbeite normalerweise sechs Tage die Woche. Das ist viel, ich weiß, da muss ich mich eben vernünftig organisieren, gerade in Wochen mit Gremienterminen. Das Wichtigste in unseren Läden sind nicht Technik und Systeme, sondern die Mitarbeiter. Und nur Kontakt schafft Nähe. Ich bin Kaufmann und glaube an Zahlen, aber ohne Bauchgefühl kann ich die Läden auch nicht führen. Und außerdem: Schlaf wird überbewertet (lacht).

Ihr Vorgänger Friedhelm Dornseifer hat das Amt des MLF-Vorsitzenden knapp 30 Jahre erfolgreich ausgefüllt. Sie arbeiten bereits eine Weile im MLF-Vorstand mit. Was konnten Sie von Ihrem Vorgänger lernen?
Mein Vorgänger ist zunächst ein wirklich guter Freund. Ich konnte von ihm die Werte mitnehmen, die wir seit Langem in Beirat und Vorstand des MLF leben: als Team auf Augenhöhe zu arbeiten, Ehrlichkeit und Vertrauen. Immer den Blick zielgerichtet nach vorne. Schauen, wie die Dinge besser gehen können, wie man sich weiterentwickeln kann, ruhig auch mal den Finger in die offene Wunde legen. Friedhelm hat nie Verlierer produziert. Der Teamgedanke, das fokussierte Arbeiten miteinander auf ein Ziel hin, das zeichnet Friedhelm aus. Was uns verbindet, ist, dass wir uns selbst nicht so wichtig nehmen.

Friedhelm Dornseifer ist als Präsident des BVLH immer aktiv auf der politischen Bühne gewesen. Wie halten Sie es mit der Politik?
Friedhelm macht einen fantastischen Job in Berlin. Er war dadurch immer politischer als ich. Das bin ich jetzt nicht so. Ich finde auch nicht, dass der MLF politisch sein soll. Er soll eine Meinung und eine Haltung haben. Der Verein ist eine Austausch-Plattform von Kaufleuten mit Freunden und Kollegen, mit Ehrlichkeit, Offenheit und auf Augenhöhe.

Die Bundesregierung nähert sich der Ernährungsbranche mit Verboten. Wie wollen Sie die Kanäle zur Regierung offen halten?
Dafür gibt es neben den Fachabteilungen der Vorstufen einen Verband, den BVLH. Und solange MLF-Kollegen, so wie derzeit etwa Friedhelm Dornseifer und auch andere dort aktiv sind, mache ich mir keine Sorgen, dass in Berlin die richtigen Inhalte thematisiert werden. Ob da immer die richtigen Beschlüsse folgen, das steht auf einem anderen Blatt. Aber wie gesagt: Ich finde nicht, dass der MLF als Organisation politisch sein sollte. Und ich kann sagen, meine Kolleginnen und Kollegen im MLF sehen das auch so.

Was sind Ihrer Meinung nach die drei wichtigsten Herausforderungen, denen sich der Handel hierzulande zurzeit stellen muss?
Mitarbeiter sind ein Riesenthema, ich will gar nicht von Personalmangel reden. Wir müssen Leute wieder für den Ausbildungsberuf begeistern. Wir müssen anständige Arbeitsbedingungen schaffen, wir müssen eine anständige Dotierung schaffen, um gleichzeitig im Wettbewerb zu bestehen. Das Zweite ist die Kostenseite. Wir haben gewaltige Herausforderungen, und das wird noch mehr. Und drittens: Wir haben in den vergangenen zehn Jahren Werte geschaffen, haben uns qualitativ weiterentwickelt, die Mitarbeitenden, die Sortimente, den Ladenbau. Derzeit ändert sich aber das Kundenverhalten: Der Kunde kauft sehr bewusst ein, ist preisfokussiert. Wir erleben meiner Meinung nach gerade den größten Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung, den es je gab. Die Kundenzahlen steigen zwar, doch der Durchschnittsbon ist etwas unter Druck. In dieser Gemengelage haben wir schon eine Menge zu tun.

Was lässt sich Ihrer Meinung nach gegen den Fachkräftemangel tun?
Ich glaube nicht, dass wir das Thema in den Griff bekommen, wenn Kollege A den Kollegen B überbietet. Wir müssen ein gutes Klima in den Märkten schaffen, in den Teams. Wir haben in diesem Jahr in allen unseren Märkten mit den Führungsteams gesprochen. Wie wollen wir mit unseren Mitarbeitern umgehen? Das muss immer aufgefrischt und thematisiert werden: Wertschätzung und eine strukturierte Feedback-Kultur sind wesentlich. Das können wir besser als in großen Strukturen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass unsere ganze Familie regelmäßig bei den Menschen in den Märkten vor Ort ist.

Der Alltag besteht nicht nur aus Zuckerschlecken. Wie gewinnen Sie Abstand von den Herausforderungen des Tages?
Ich habe ein relativ dickes Fell. Wenn ich abends nach Hause komme und die Tür zumache, dann schalte ich ab. Wir haben eine tolle Familie und einen großen Freundeskreis, da ist immer etwas los. Setze ich mich sonntags aufs Rad oder schnappe mir unter Woche den Hund, dann ist das gut. Ich muss mich halt bewegen. Und wenn ich drei Stunden mal so gar nichts denken will, dann gehe ich halt zum VfL Bochum!

Unter Ihrem Vorgänger hat die Currywurst aus dem Hause Dornseifer bei den MLF-Arbeitstagungen Kultstatus erreicht. Was schicken Sie ins Rennen?
Ganz klar: Es bleibt bei der Currywurst von Dornseifer.