Schlachtschweine Verknappung politisch gewollt

Der Bestand an Schlachtschweinen hat dramatisch abgenommen, aber die Erzeugerpreise sind für die Bauern immer noch nicht auskömmlich.

Dienstag, 14. Februar 2023, 16:15 Uhr
Jens Hertling
Bildquelle: Lebensmittel Praxis

Der Bestand an Schweinen in Deutschland ist im langjährigen Vergleich sowie verglichen mit dem Vorjahr jeweils deutlich zurückgegangen. Das hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt. Am Stichtag 3. November 2022 wurden hier 21,3 Millionen Schweine gehalten. Das waren 10,2 Prozent oder 2,43 Millionen Tiere weniger als zum gleichen Zeitpunkt 2021. Damit hat sich ein Trend fortgesetzt: Allein seit dem Jahr 2020 ist der Bestand um beinahe ein Fünftel (18,2 Prozent) zurückgegangen, innerhalb der vergangenen zehn Jahre sogar um knapp ein Viertel (24,7 Prozent). Eine Tendenz, die von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Wirtschafts-GmbH (ISN) auch bei den Schlachtschweinen bestätigt wird. „Hier verzeichnen wir in den letzten Jahren einen deutlichen Rückgang, Tendenz weiter sinkend: Während im Jahr 2016 noch fast 60 Millionen Schweine in Deutschland geschlachtet wurden, dürfte sich die Anzahl der Schlachtschweine nach unseren Berechnungen 2022 nur noch auf etwa 47 Millionen belaufen“, sagt Dr. Torsten Staack, Geschäftsführer der ISN. Laut Staack ist der Bestand an Schlachtschweinen noch nicht an der Talsohle angekommen. „Da die Bestände hier zuletzt massiv abgebaut wurden, erwarten wir für 2023 eine weitere sehr deutliche Abnahme der Schlachtzahlen.“ Als eine Reaktion auf die geringere Zahl der Schlachtschweine verringert der Fleischkonzern Danish Crown seine Produktionskapazitäten in Deutschland und schließt seinen Zerlegebetrieb im mecklenburgischen Boizenburg.

Erzeuger fahren Verluste ein
Als Ursache sieht Staack, dass die Schweine haltenden Betriebe seit inzwischen fast drei Jahren große finanzielle Verluste einfahren. „Das konnten und können viele Betriebe nicht durchhalten. Die schwierige finanzielle Situation und die stark gestiegenen Kosten sind aber nicht allein verantwortlich für die dramatische Strukturentwicklung. Auch die Politik hat einen hohen Anteil daran. Denn ihr ist es nicht gelungen, wichtige Weichen für die Schweinehaltung zu stellen“, sagt Staack und ergänzt: „Den Schweinehaltern fehlt der politische Rückhalt. Sie sehen deshalb keine Planungssicherheit und Perspektive.“ Hinzu kommt auch, dass der Schweinefleischverzehr seit einigen Jahren zurückgeht, seit 2011 hat er um knapp 27 Prozent abgenommen – auch aufgrund von Trends hin zur vegetarischen oder veganen Ernährung.

Was sollte die Politik tun? „Die Regierung steht in der Verantwortung, schnell Lösungen zu schaffen und für Planungssicherheit zu sorgen. Die noch aktiven Betriebe brauchen schleunigst wieder eine Perspektive. Das geht nur mit einem Gesamtkonzept, das nicht allein auf Bestandsabbau ausgerichtet ist“, sagt Staack. Allerdings zeige sich derzeit genau das Gegenteil. Der Regierung scheine es nicht um die Transformation, sondern ausschließlich um den Abbau der Tierzahlen und die Verdrängung der Schweine haltenden Betriebe zu gehen, so Staack. Deutlich wird das laut Staack an den drei Rechtsvorhaben für die Schweinehaltung (Einführung einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung, Anpassung des Baugesetzbuches, Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung), die derzeit im Raum stehen und unbedingt nachgebessert werden müssen. „Wenn jetzt nicht schnell reagiert wird, werden morgen in Deutschland keine Schweine haltenden Betriebe mehr da sein, die den gesellschaftlich gewollten Wandel in der Schweinehaltung umsetzen“, sagt Staack. Auch von anderen Stellen kommt Protest. „Es brodelt“, sagt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), auf einer Pressekonferenz auf der Grünen Woche in Berlin. Rukwied meinte damit unter anderen eine Verlagerung der Schweinemast ins Ausland. Dr. Tim Koch, Experte im Bereich Fleischwirtschaft bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI), kann dem nur zustimmen: „Wir haben hier den Trend zu artgerechter Tierhaltung und Tierwohl. Das kostet Geld, und das muss der Verbraucher bezahlen. Solange der Verbraucher aber nicht dazu bereit ist oder es schlicht nicht bezahlen kann, wird der LEH das Fleisch in anderen Ländern kostengünstiger kaufen.“

Borchert-Plan ist der Ansatz
ISN-Geschäftsführer Staack sieht deshalb den Borchert-Plan als die richtige Lösung, um die Misere in der Schweinehaltung zu beenden. „Aus unserer Sicht liefert der Borchert-Plan eine fundierte Basis – leider wurden die Vorschläge von der Regierung geradezu filetiert und spielen zumindest derzeit scheinbar keine Rolle mehr.“ Was müsste ein Landwirt bekommen, um ein vernünftiges Auskommen zu haben? Allein für eine Vollkostendeckung in Ferkelerzeugung und Schweinemast müsste laut Torsten Staack ein Schlachtschwein etwa 230 Euro kosten – also 2,40 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht. „Darüber hinaus wäre eigentlich auch noch ein Unternehmergewinn erforderlich, um Investitionen in den Fortbestand des Betriebes zu ermöglichen“, so Staack. Durch die schlechten vergangenen drei Jahre seien zudem große finanzielle Löcher zu stopfen. Für eine zukunftsfähige Schweinehaltung wären also Preise deutlich über 2,40 Euro/Kilogramm Schlachtgewicht erforderlich. Aktuell liegt der Preis der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch bei 2 Euro/Kilogramm Schlachtgewicht. Torsten Staack sieht deshalb für 2023 weiterhin steigende Fleischpreise: „Die stark abnehmenden Angebotsmengen an Schlachtschweinen bringen gute Voraussetzungen für steigende Schweinepreise mit sich. In Kombination mit den weiteren Kostensteigerungen im Verlauf der Wertschöpfungskette sind höhere Verbraucherpreise für das Fleisch an der Ladentheke wahrscheinlich.“ Entscheidend wird laut Staack in diesem Zusammenhang sein, ob der Verbraucher bereit ist, die höheren Preise zu zahlen, beziehungsweise inwiefern die höheren Preise die Fleischnachfrage hemmen werden.

3 Fragen an

Dr. Tim Koch, Experte im Bereich Fleischwirtschaft bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI)

Es gibt immer weniger Schweine. Können Sie das kommentieren?
Tim Koch:
Der Rückgang der Schweine von November 2021 zu November 2022 war mit 10,2 Prozent sehr heftig. Innerhalb von zwei Jahren hatten wir einen Rückgang von rund 20 Prozent. Obwohl ich davon ausgehe, dass sich diese Entwicklung verlangsamen wird.

Das heißt?
Ich gehe davon aus, dass es in diesem Jahr für die Landwirte finanziell besser wird. Noch ist nicht entschieden, wie es im Februar weitergeht. Eigentlich ist der Januar aber der schwierigste Monat am Schweinemarkt in der ersten Jahreshälfte. Danach ziehen die Preise zumeist an. Ich rechne damit, dass die Mäster in diesem Jahr noch höhere Preise erzielen werden. Unklar ist, wie sich die Kosten entwickeln. Aber auch hier sieht es so aus, als wäre die extreme Unsicherheit erst mal überwunden.

Was sind die Ursachen?
Die Schweine haltenden Betriebe fahren seit inzwischen fast drei Jahren große finanzielle Verluste ein – hervorgerufen durch eine Multikrise aus Corona-Pandemie, dem Auftreten der ASP, den Turbulenzen auf den Rohstoffmärkten und der hohen Inflation. Dazu kommt der Ukraine-Krieg. Und natürlich der nationale Rückgang des Fleischverzehrs. Das betrifft den Schweineverzehr besonders stark.