The New Meat Company AG „Wir können die Nischen bedienen“

Die The New Meat Company AG will den Markt für alternative Proteine mitgestalten. CEO Dr. Caroline Heil im Interview zur Strategie des Start-ups.

Freitag, 21. Oktober 2022 - Management
Bettina Röttig
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Bildquelle: Amin Akhtar

The New Meat Company AG (TNMC) versteht sich als Plattformunternehmen für Protein-Alternativen. Zwei Produzenten von Fleischersatzprodukten gehören zu der jungen Unternehmensgruppe: Planty of Meat stellt vegane Burgerpatties aus Bio-Sonnenblumenprotein her. Für andere Produkte bilden Erbsen- und Weizenproteine von regionalen Zulieferern die Basis. Auf Soja wird verzichtet. L’Herbivore bietet keine Fleisch- oder Wurstimitate an, sondern selbst kreierte vegane Alternativen aus Seitan und Lupinen in Bio-Qualität. Diese sind eiweißreich und frei von künstlichen Farb- und Konservierungsstoffen oder Geschmacksverstärkern. Im Sommer 2022 übernahm TNMC eine frühere Wildmanufaktur in Dobbertin (Mecklenburg-Vorpommern). „Der Inhaber hat sich zum Ziel gesetzt, zur Transformation des Lebensmittelsektors beizutragen“, erklärt Dr. Caroline E. Heil, CEO der TNMC. So wird die Metzgerei auf eine rein vegane Produktion umgestellt. L’Herbivore treibt den Umbau der 600 Quadratmeter großen Produktion voran. Künftig sollen aber auch weitere Unternehmen unter dem Dach von TNMC in Dobbertin produzieren. Teil des Komplexes ist ein altes Schulgebäude. „Hier würden wir gerne Startups ansiedeln und in Kooperation mit Hochschulen einen Innovation Hub aufbauen für die Forschung und Entwicklung veganer Lebensmittel und alternativer Proteine“, sagt Heil. Die Fachhochschule Neubrandenburg, die neue Studiengänge zu veganen und nachhaltigen Lebensmitteln aufgesetzt hat, sei in der Nähe. In enger Zusammenarbeit könnten die Studenten und Forscher Innovationen direkt in unserer Produktion testen, so die Vision. Warum sich TNMC nicht in Berlin oder Hamburg angesiedelt hat? „Der Standort passt zu unserer Strategie, den ländlichen Raum stärker in den Fokus zu nehmen“, antwortet die Geschäftsführerin. Die Großstädte seien aktuell die besten Absatzmärkte für alternative Proteine. Im ländlichen Raum lebe jedoch der Großteil der Bevölkerung. Dem Unternehmen sei es wichtig, alternative Proteine dorthin zu bringen, wo das Thema noch nicht so stark angekommen sei. Details zur Strategie erklärt Caroline Heil im Gespräch mit der Lebensmittel Praxis.

Frau Dr. Heil, welche Vision steckt hinter dem Plattformunternehmen The New Meat Company?
Der Haupttreiber für uns ist die Reduktion von tierischen Lebensmitteln. Es geht um ein Umdenken, eine Transformation der Ernährung. In den vergangenen 50 Jahren haben sich die Schlachtmengen global laut FAO vervierfacht. Und in den nächsten zehn Jahren soll der Fleischmarkt noch mal um 30 Prozent wachsen. Dahinter steht ein ungeheurer Landverbrauch, insbesondere für den Anbau von Futtermitteln. Die Flächen haben wir nicht. Es muss daher etwas passieren. Derzeit werden für die Tierhaltung sensible Ökosysteme wie Hochmoore trockengelegt und gigantische Mengen CO2 dadurch freigesetzt. Wenn wir nicht umsteuern, können wir uns auch alle anderen Klimaschutz-Maßnahmen sparen. Dabei muss nicht jeder vegetarisch oder vegan leben. Es wäre jedoch viel gewonnen, wenn sich die Menschheit Fleisch in geringen Mengen konsumiert. Ich ernähre mich im Schwerpunkt fleischlos, esse aber gelegentlich auch Wildfleisch.

Der Markt für Fleischersatz ist hoch kompetitiv. Wie schwer ist es, im konventionellen Lebensmittel-Einzelhandel Fuß zu fassen?
Der LEH ist schon sehr besetzt von den konventionell etablierten Playern. Es werden für Listings zum Teil horrende Beträge aufgerufen, die wir als Startup weder zahlen können noch wollen. Wir sind daher darauf angewiesen, dass Händler offen sind für Startups, die Werte und Innovationskraft mitbringen. Es spielt uns in die Karten, dass wir Nischen bedienen können. L’Herbivore ist aus meiner Sicht ein perfekter Kandidat für eine Nische. Seitan ist aktuell in Deutschland noch nicht so etabliert und gewürdigt, hat jedoch enormes Potenzial. In Asien oder UK der Fall ist der Trend schon größer. Wenn der LEH offen ist für Startups, die eine Mission und Werte mitbringen, dann können wir viel erreichen. Im konventionellen Handel tut sich aktuell viel, es ist jedoch auch ein knallhartes Segment. Die großen Player der Lebensmittelindustrie kopieren die Ansätze der Startups. Hier muss man sehr kämpfen, um sich einen Stand zu erarbeiten.

Mit welchen USPs punktet Planty of Meat?
Was Planty of Meat von anderen Unternehmen abhebt, ist, dass sie unglaublich spannende Produktinnovationen mit ich bringen. Zum Beispiel hat eine vegane Marke gerade 70 Millionen Euro bei Investoren eingesammelt mit der Nachricht, dass sie nun eine vegane Hühnerbrust anbieten kann. Planty of Meat hat diese jedoch schon erfolgreich auf dem Markt. Die Produkte haben eine sehr hohe Produktqualität und bedienen die Nachfrage der Konsumenten im LEH und Großhandel. Dazu wird lokal produziert mit lokalen Zutaten.

Werden Sie sich auf Fleischersatzprodukte beschränken?
Der Name unseres Unternehmens, The New Meat Company AG, suggeriert zwar, dass es ausschließlich um Fleischersatz geht. Wir denken das Thema aber viel weiter. Langfristig möchten wir uns von anderen Anbietern abheben, indem wir ein sehr breites Produktportfolio anstreben und Segmente besetzen, in denen der Bedarf noch nicht gedeckt werden kann.

Zum Beispiel?
Vegane Käse-Alternativen, die gut schmeckten, deren Zutatenlisten überzeugen – auch in Bezug auf Nachhaltigkeit, darin sehen wir Wachstumschancen. Die nächste Generation der Fleisch-Alternativen ist für uns ebenfalls spannend. Dabei werden die Herkunft der Rohstoffe, aber auch Gesundheitsaspekte in den Fokus rücken. Wie gesund sind Texturate und bestimmte Füllstoffe? Das wissen wir heute noch nicht. Ich sehe daher ein riesiges Potenzial für Pilze und Produkte aus Fermentation. Der Pilz ist in Bezug auf die Zellstruktur dem Fleisch sehr ähnlich. Über die Fermentation kann man Produkte mit nachweislich positiven Eigenschaften für die Darmgesundheit und das Mikrobiom hervorbringen. Gesunde, innovative Produkte anzubieten, die möglicherweise irgendwann auch Health Claims tragen dürfen und gut für den Planeten sind, darin sehe ich die Zukunft.

Dann geht es in die Richtung Planetary Health Diet…
Da muss es hingehen. Von den großen Konzernen ist dieser Ansatz noch nicht besetzt. Hier liegt also auch eine Chance für uns.

Wie wollen Sie bis dahin diese Aspekte über die Produkte kommunizieren?
Wir haben uns mit bestehenden Kennzeichnungen wie NutriScore, EcoScore etc. intensiv beschäftigt. Diese greifen für uns bisher zu kurz. Wichtig wird sein, dass Kunden Informationen zur Herkunft von Rohwaren und deren Effekte auf Gesundheit, Umwelt und Klima am PoS abrufen können. Am besten über den EAN-Code per Handy. Für Kosmetik gibt es Apps, die dies bereits gewährleisten.

Für die Weiterentwicklung von Fleisch- und Käseersatz braucht es viel Geld. Fehlen aktuell die nötigen Forschungsgelder?
Die aktuelle wirtschaftliche Lage führt dazu, dass Venture Capital Fonds wieder konservativer agieren. Dies wird die Entwicklungsdynamik verlangsamen. In der Biotechnologie sind in den nächsten fünf bis zehn Jahren bei vielen jungen Unternehmen keine Gewinne zu erwarten, dieser Bereich wird es schwerer haben. In zellbasiertem Fleisch ist jedoch bereits so viel Geld investiert worden, dass dieser Bereich sicher nicht aufgegeben wird. Dennoch beobachte ich, dass innovative Konzepte auf Basis von Fermentation und Pilzen durchaus noch Kapitalgeber gewinnen – hier bleibt die Entwicklung also zum Glück nicht stehen.

Welche weiteren Hürden Sehen Sie für Hersteller alternativer Proteine?
Die bestehende Rechtslage: Die Novel-Food-Verordnung der EU ist zB noch einmal strenger als ähnliche Richtlinien in den USA oder asiatischer Länder. Lebensmittel müssen sicher sein. Wir sollten jedoch keinen Wettbewerbsnachteil haben.

 

Zur Person:
Dr. Caroline E. Heil ist seit 2021 CEO der The New Meat Company AG. Sie war zuvor beim Beratungsunternehmen Ernst & Young als Anwältin und Beraterin aktiv und hat sich schwerpunktmäßig mit dem Markt für alternative Proteine und dessen Bedeutung für eine nachhaltige und CO2-arme Ernährung beschäftigt.