Rüschens Kolumne Der Preis darf nicht alles sein

In der Krise gehen Kunden wieder verstärkt zum Discounter, es tobt eine Preisschlacht. Sollte sich der Vollsortimenter darauf einlassen?

Freitag, 15. Juli 2022 - Management
Stephan Rüschen
Artikelbild Der Preis darf nicht alles sein
Bildquelle: Carsten Hoppen

Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges haben Hersteller und Handel in einem Moment getroffen, als man dachte, die Corona-Folgen überwunden zu haben. Die Kunden änderten ihr Einkaufsverhalten ab dem 24. Februar 2022, dem Tag, als der Ukraine-Krieg begann. Unsicherheit und eine stark steigende Inflation führten zu weniger Marke, mehr Handelsmarke, mehr Werbeartikel, weniger Delikatessen und vielem mehr.

Gewinner dieses veränderten Einkaufsverhaltens sind die Discounter, die die verlorenen Marktanteile (minus 2 Prozent) in den vergangenen beiden Corona-Jahren wieder von den Vollsortimentern zurückgewinnen könnten und wollen.

Der Preis ist wieder die wichtigste Kommunikationsbotschaft aller Händler. Edeka führt plötzlich mehr als 7.000 Discount-Artikel – mehr als die Discounter im Sortiment haben. Bei Kaufland heißt es „Jetzt erst recht“, Edeka und Netto geben für 200 Artikel eine Preisgarantie ab, Lidl-Preise sollen die günstigsten sein, und, und, und. Die Superlative werden in den nächsten Wochen sicherlich noch weiter zunehmen.

Die Reaktionen des Handels sind nachvollziehbar. Aber sind diese die einzige, richtige Strategie? Händler, die sich bisher über Qualität, Sortimentstiefe und Mitarbeiter profiliert haben, sollten ihre bisherigen Wettbewerbsvorteile nicht über Bord werfen. Handel und Kunden dürfen auch dem Thema Nachhaltigkeit keine Pause geben.

Alle Versuche von Vollsortimentern in den vergangenen 30 Jahren, dem Kunden zu erklären, dass er sich den Weg zum Discounter „sparen“ kann, da der Vollsortimenter selbst auch einen Discounter beinhaltet, haben nicht funktioniert. Warum also jetzt?

„Schuster, bleib bei deinem Leisten.“ Eine deutsche Weisheit, die aufzeigt, dass der Vollsortimenter die Preisschlacht gegen Discounter nicht gewinnen kann. Die Discounter werden in der jetzigen Phase unweigerlich ihre Marktanteile zurückgewinnen. Das wird keine Kommunikationskampa- gne der Vollsortimenter verhindern können.

Aber wir werden irgendwann wieder eine „Neue Normalität“ erleben. Anders als vor drei Jahren, aber „normal“. Dann werden die Kunden ihre Einkaufsstätte wieder nach stabilen Kriterien wählen. Es wird sich zeigen, welche Betriebsform dann steigende Marktanteile vorweisen kann. Die Vollsortimenter haben eine gute Chance, wenn sie ihren Stärken treu bleiben.