Jahrhundertflut Die Krise gemeistert

Im Sommer lag nach der Jahrhundertflut das komplette Ahrtal unter Schlamm begraben. Viele Märkte der Rewe West waren verwüstet. Wie man die Krise bewältigt und was man daraus gelernt hat, schildert Hanno Rieger (Foto), Vorsitzender der Rewe-West-Geschäftsleitung.

Dienstag, 14. Dezember 2021, 18:49 Uhr
Heidrun Mittler
Artikelbild Die Krise gemeistert
Bildquelle: Peter Eilers

Am 14. Juli hat eine Flutkatastrophe von ungeahntem Ausmaß das Ahrtal in Rheinland-Pfalz und Teile Nordrhein-Westfalens verwüstet. Wie stark waren die Supermärkte der Rewe West davon betroffen?
Hanno Rieger:
Insgesamt waren 55 Märkte betroffen, sowohl Rewe als auch Nahkauf und Penny sowie DER-Reisebüros. Das heißt, dass diese Läden mindestens vorübergehend einige Tage schließen mussten. Derzeit sind immer noch elf Rewe-Märkte geschlossen.

Wie genau waren die Schäden gelagert?
Auf der einen Seite sprechen wir von Gebäudeschäden und Umsatzverlusten durch die Betriebsschließungen. Aber was natürlich viel schwerer wiegt, sind einzelne persönliche Schicksale von unseren Kaufleuten, Marktmanagern und Marktmanagerinnen und Mitarbeitenden.

Mit welchen Sofortmaßnahmen haben Sie geholfen?
Gemeinsam mit der Rewe Group haben wir sehr schnell Soforthilfemaßnahmen beschlossen. Für Menschen, die persönlich betroffen waren, etwa weil das Haus überflutet war, haben wir ein dreistufiges Hilfspaket veranlasst, dessen Höhe sich an dem Maß der Betroffenheit der Mitarbeitenden orientiert. Darüber hinaus arbeiten wir derzeit an Unterstützungsmöglichkeiten für größere Schadensfälle.

Ist das Geld aus der Rewe-Kasse oder von Versicherungen?
Bei den bereits genannten Fällen handelt es sich um Finanzmittel der Rewe Group. Hinzu kamen Spenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es war sehr imponierend zu sehen, wie stark das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Solidarität unter unseren Mitarbeitenden ist.

Aber es blieb nicht nur bei der finanziellen Unterstützung, oder?
Allen voran haben unsere Kaufleute neben finanzieller Hilfe auch Lebensmittel-Ausgabestellen und sogar ganze Verteilzentren aufgebaut sowie die Hilfskräfte mit Lebensmitteln und Getränken versorgt, obwohl sie teilweise selbst betroffen waren. Das hat uns sehr beeindruckt. Auch unsere rückwärtigen Dienste und die Logistik haben mit zahlreichen Hilfsmaßnahmen und Warenspenden – auch viele Wochen nach der Katastrophe – Unterstützung geleistet und eng mit Hilfsorganisationen zusammengearbeitet.

Mal grundsätzlich: Was passiert, wenn Wasser in einen Lebensmittelmarkt eindringt?
Wassereinbrüche in Gebäude sind immer hochdramatisch. Wenn innerhalb weniger Minuten das Wasser auf teilweise über zwei Meter ansteigt, entsteht in kürzester Zeit sowohl ein hoher Warenschaden als auch fast durchgängig eine vollständige Zerstörung der Einrichtung und technischer Geräte. Fast immer handelt es sich um komplette Havarien. Glücklicherweise waren alle Mitarbeitenden sowie Kundinnen und Kunden rechtzeitig in Sicherheit.

Was geschieht dann mit den gefluteten Lebensmitteln?
Die meisten Lebensmittel waren – allein schon aus hygienischen Gründen – nicht mehr verkäuflich. Von daher mussten diese zum größten Teil vernichtet werden. Sofern es sich um Verpackungsschäden gehandelt hat, haben wir die betroffenen Lebensmittel gespendet.

Wenn Sie zurückblicken: Was war für Ihre Kaufleute am wichtigsten?
Für unsere Kaufleute wie auch für uns als Betreiber von Filialmärkten hatten die Sicherheit und das Wohl der Mitarbeitenden oberste Priorität. Gleichzeitig wurden gemeinsam mit einer Riesenenergie, Solidarität und Hilfsbereitschaft alle Kräfte aufgeboten, um die Märkte wieder verkaufsbereit zu bekommen.

Die Auswirkungen der Flut sind ja noch lange nicht vorüber. Worauf konzentrieren Sie sich derzeit?
Derzeit arbeiten wir mit Hochdruck daran, die noch geschlossenen Märkte zügig wieder in Betrieb zu bringen. Dies wird teilweise noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen, aber wir sind auf einem schnellen und guten Weg. Teilweise arbeiten wir mit provisorischen Bauten, um für unsere Kundinnen und Kunden präsent zu sein.

Was ist Ihrer Erfahrung nach in einer solchen Krisensituation wichtig?
Innerhalb der Rewe Group gibt es seit vielen Jahren konkrete und erprobte Prozesse, die genau beschreiben, was in welcher Situation getan werden soll und muss. Von daher waren unsere Märkte schon sehr gut aufgestellt. Versicherungen sind ohnehin Standard, unter anderem gegen Betriebsunterbrechung und Elementarschäden. Die Herausforderung an sich lag eher im Ausmaß und der Schadenshöhe. Zudem ist es in Krisensituationen wichtig, fokussiert zu bleiben, verständliche Emotionen unter Kontrolle zu halten und dafür zu sorgen, dass alle Bereiche solidarisch Hand in Hand arbeiten.

Welche Empfehlung können Sie anderen Unternehmern mit auf den Weg geben?
Unabhängig von der eigenen Betroffenheit sind Krisen auch immer ein guter Anlass, Prozesse auf den Prüfstand zu stellen. Aktualität, Machbarkeit, Kommunikation und Risikoabwägung sind hier nur einige wichtige Aspekte. Dieses Mal war ein Wetterthema die Ursache, beim nächsten Mal aber kann der Auslöser ein ganz anderer sein, mit dem niemand rechnet. Wer hat vor zwei Jahren schon mit einer Pandemie gerechnet?

Zur Person

Hanno Rieger ist seit Januar 2018 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Rewe Region West in Hürth. Der studierte Wirtschaftsgeograf war zuvor vier Jahre als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Rewe Region Südwest tätig sowie zwölf Jahre für Lidl, unter anderem als Geschäftsführer München/Oberbayern und Geschäftsleitungsvorsitzender in Österreich und Slowenien.