Ernährungsverhalten Zu viel und zu fett

Wie Corona unser Ernährungsverhalten nicht immer nur zum Guten verändert, erklärte Professor Dr. Stefan Lorkowski von der Universität Jena auf der LP-Veranstaltung „Supermarkt des Jahres“.

Donnerstag, 02. Dezember 2021 - Management
Silke Wartenberg
Artikelbild Zu viel und zu fett
Bildquelle: Getty Images

Wir haben zugenommen. Rund ein Drittel der Eltern und 10 Prozent der Kinder legten im ersten Lockdown signifikant, das heißt mehr als 10 Prozent, an Körpergewicht zu. Besonders stark betroffen sind sozial schwache Familien, so das Ergebnis einer Forsa-Umfrage, durchgeführt im Auftrag der Universitätsklinik München. Sowohl Kinder als auch Erwachsene haben häufiger Süßigkeiten, Softdrinks und Knabbereien zu sich genommen. Und auch Fertiggerichte standen vermehrt auf dem Speiseplan, so Stefan Lorkowski beim „Supermarkt des Jahres“ in Essen. Demgegenüber haben sich 14 Prozent der Deutschen im Homeoffice aber auch gesünder ernährt als zuvor.

Eine weitere Online-Umfrage unter Studierenden mehrerer bayerischer Universitäten zeigt ein ähnliches Bild: Was bereits grundsätzlich im Lebensstil zu kurz kam und aus ärztlicher Sicht in höherem Maße geboten wäre, körperliche Bewegung, wurde von vielen noch stärker vernachlässigt. So gaben rund 45 Prozent der Befragten an, sich im Lockdown weniger bewegt zu haben als vorher. Es gibt allerdings auch eine Gruppe, die sich mehr bewegt hat. Jedoch ist diese mit rund 33 Prozent der Befragten deutlich kleiner. Fazit: Genau wie diejenigen, die sich vorher schon gesund ernährt haben, sich jetzt noch gesünder ernähren, werden diejenigen, die sich vorher schon bewegt haben, noch aktiver. Demgegenüber verhalten sich die Studierenden, die sich vorher wenig bewegt oder unausgewogen ernährt haben, noch schlechter, so Lorkowski. Und auch bei der Essensmenge im Lockdown zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Etwa ein Drittel der Befragten gab an, deutlich mehr gegessen zu haben als vorher, sprich mehr als 10 Prozent zusätzlich. Nur 17 Prozent haben auf ihre Ernährung geachtet und weniger konsumiert als vorher.

Untersuchungen des Marktforschungsunternehmens Yougov (Tabelle) zeigen, dass rund ein Viertel der Konsumenten während der Covid-19-Pandemie deutlich mehr Obst und Gemüse konsumiert hat als zuvor. „Aber wir sehen auch, dass der Anteil an Junkfood und Fertiggerichten durchaus zugenommen hat“, betonte Lorkowski. Diejenigen, die vor Corona schon ein Übergewichtsproblem hatten, hätten jetzt ein noch größeres. Die Gewichtszunahme war auch höher bei denen, die bereits übergewichtig waren. Ursächlich dafür ist nach seiner Ansicht, dass die Menschen im Lockdown mehr Zeit hatten. Zu Hause wird oft mehr gegessen, weil Essen permanent zur Verfügung steht. „Essen aus Langeweile“ bedeutet in erster Linie Verzehr von Knabbereien und Fast Food.

Lorkowski berichtete von einer neuen Studie, im Rahmen derer Probanden in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Eine Gruppe ließ man so essen, wie sie wollte, einschließlich des Verzehrs von Fertigprodukten. Die andere Gruppe musste ausnahmslos selber kochen. Es habe sich gezeigt, dass die Gruppe, die auch Fertiggerichte aß, pro Woche etwa 500 Kilokalorien mehr verzehrte als die Vergleichsgruppe, erklärte der Wissenschaftler. Daraus resultiere langfristig eine Gewichtszunahme. Demgegenüber habe die Gruppe, die selbst kochte, sogar noch abgenommen – durchschnittlich 2 Kilogramm in 14 Tagen. Es handele sich bei dem Problem des Übergewichts in der Gesellschaft um ein nicht irrelevantes Thema, weshalb wirklich darüber nachgedacht werden müsse, zum einen das Selberkochen zu fördern und zum anderen Rezepturen von Fertigprodukten und Fast Food zu überarbeiten, forderte Lorkowski.

Ernährung hat Einfluss auf den Verlauf einer Corona-Erkrankung
Studien belegen, dass eine Zunahme des Körpergewichts während der Corona-Pandemie der einzige Faktor ist, der altersunabhängig ist und für einen schweren Verlauf der Erkrankung sorgt. „Übergewichtige junge Menschen haben das gleiche Risiko für schwere Verläufe von Covid-Erkrankungen wie Ältere“, erklärte Lorkowski. Daher komme der Prävention gegen Adipositas eine große Bedeutung zu, wenn es um das aktuelle Pandemiegeschehen geht.

Grundsätzlich ist bekannt, dass eine nicht ausgewogene Ernährung das Risiko eines schweren Verlaufs von Covid-19 um das Zweifache erhöht. Im Umkehrschluss bedeutet das eine Risikoreduktion bei einer ausgewogenen Ernährung.

So zeige eine Studie aus Großbritannien, dass eine flexitarische, also pflanzenbasierte, gesunde Ernährung mit wenig Fleisch das Risiko für eine schwere Corona-Infektion deutlich senken kann. Dies liege wahrscheinlich daran, dass die Ernährungsform zu einer besseren Nährstoffversorgung mit ausreichend Vitaminen und Spurenelementen beiträgt. So ist der Körper vor allem gegen schwere Krankheitsverläufe besser gewappnet.