Interstore Schweitzer Sammelt und begeistert !

Bernhard Schweitzer (Foto), Geschäftsführer des Ladenbauers Interstore Schweitzer, ist überzeugt, das Rezept für erfolgreichen stationären Lebensmittel-Einzelhandel zu kennen. Die Zutaten? Datensammeln und ein sensorisches Feuerwerk! Und das natürlich so nachhaltig und umweltbewusst wie möglich.

Freitag, 24. September 2021 - Management
Elena Kuss
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Bildquelle: Interstore Schweitzer

Die Corona-Pandemie verändert den Lebensmittel-Einzelhandel. Ein Beispiel? Self-Check-out-Kassen haben sich bereits durchgesetzt. Das Bedürfnis nach Hygiene und Sicherheit hat die Liebe der Deutschen zum Bargeld verdrängt und kontaktloses Bezahlen etabliert. Eine Invidis-Studie zeigt, dass 62 Prozent der Shopper seit Beginn der Corona-Pandemie keine Mitarbeiter mehr ansprechen wollen. Automaten zur Weinverkostung oder Selbstbedienungskonzepte wie beim Sushi-Spezialisten Eat Happy sind auf dem Vormarsch.

Aber auch die Onlinekonkurrenz ist erstarkt. In einer repräsentativen Umfrage, die von Mastercard beauftragt wurde, gab fast ein Viertel der Deutschen an, während des Lockdowns zum ersten Mal Lebensmittel online bestellt zu haben. Bei den 25- bis 34-Jährigen waren es sogar 43 Prozent. Und: Fast die Hälfte der Befragten in dieser Altersgruppe wollen auch nach dem Lockdown weiterhin Lebensmittel online einkaufen. Besonders viel Aufmerksamkeit dürften – vielleicht auch deshalb – die neuen Lebensmittel-Lieferdienste wie Gorillas und Flink bekommen haben. Kooperationen wie beispielsweise von Rewe digital und dem Lieferdienst Bringoo lassen darauf hoffen, dass die Lücke zwischen Online- und stationärem Handel immer kleiner wird. Dass dieser momentan vielleicht treffender mit dem Wort Schlucht beschriebene Unterschied nahtlos aufgehoben werden muss, da ist sich Ladenbauer Bernhard Schweitzer sicher. Im LP-Interview führt er durch den Digitalisierungs-dschungel. Das kommt, das geht.

Interstore Schweitzer ist bei Trends im Ladenbau immer vorne mit dabei. Welche Entwicklungen gibt es?
Bernhard Schweitzer: Einmal ist da ein Trend zu mehr Agilität. Verkaufsflächen müssen verändert werden können. Nachhaltiges Bauen ist ein sehr, sehr großes Thema. Und der dritte große Trend ist, digitale Lösungen zu finden. Unsere Aufgabe ist es, digitale Systeme in den stationären Handel zu integrieren.

Alles Trends, die es auch schon vor Corona gab. Welchen Effekt hat die Pandemie auf diese Entwicklungen?
Der Handel muss jetzt wirklich aus seinem kleinen Dornröschenschlaf erwachen. Ich habe es immer so erklärt: Der umsatzstärkste Ort pro Quadratmeter ist die Couch. Und es ist nicht einfach, einen Kunden zu motivieren, von dieser Couch aufzustehen. Wir stehen dafür, dass die Kundenerfahrung größer und besser ist, wenn ich mich entscheide, eben doch das Haus zu verlassen.

Der Onlinehandel hat während der Corona-Pandemie stark dazugewonnen. Wie verändert das den Lebensmittel-Einzelhandel?
Wo die Onlinehändler uns stationären Händlern voraus sind, ist, dass sie viel konsequenter Daten sammeln. Um das aufzuholen, zu unterstützen, sind wir angetreten mit unserer Strategieberatungsagentur Retail Intelligence, die Teil unseres Dienstleistungsportfolios ist. Wir wollen den Händlern beibringen, wie sie Daten sammeln können, um dann darauf aufbauend Entscheidungen zu treffen.

Warum ist der Onlinehandel, auch wenn es vermutliche keinen Lockdown mehr geben sollte, so gefährlich für den stationären Lebensmitteleinzelhandel?
Viele haben während des Lockdowns positive Erfahrungen online gesammelt. Manche Menschen hatten einen richtigen Wow-Effekt bezüglich des Onlineshoppings. Preisvergleichbarkeit, Produktvielfalt, einfaches Bezahlen, kein Warten: Das wird die Erwartung an den stationären Supermarkt verändern.

Inwiefern?
Wenn ich in einem Onlineshop etwas nicht finde, dann gehe ich auf eine andere Seite. Wenn ich im Handel etwas nicht finde, obwohl ich aus einem bestimmten Grund deshalb dort hingefahren bin, dann sieht es ganz anders aus. Es wird schwierig, das Produkt zu bekommen: Vielleicht muss ich noch mal mit dem Auto fahren und so weiter. Erfahrungen sind also stationär sehr extrem. Positiv oder eben negativ. Wir müssen folglich immer die Erwartungen erfüllen. Der Druck wird durch die positive Online-Erfahrung sehr viel größer.

Was kann der stationäre Handel tun?
Es ist gerade eine sehr interessante Diskussion über Bedienungstheken im Gange. Welche Information möchte der Konsument hier bekommen? Wir glauben und können das auch mit zahlreichen Erfahrungen belegen, dass der Kunde ungewollte Informationen nicht akzeptiert. Also, es bringt nichts, dem Konsumenten minutenlang etwas über faire Tierhaltung an der Theke zu erzählen, wenn er eigentlich wissen will, was er das letzte Mal für eine Wurst hatte. Die hatte ihm so gut geschmeckt. Und er will sie heute wieder kaufen. Solche Infos müssen dann über ein digitales System bereitgestellt werden können. Die Erfahrung, die wir in allen westlichen Ländern gemacht haben, ist, dass der Kunde von Online-Anbietern gewohnt ist, dass diese Daten verfügbar sind. Was kann der Händler tun? Genau das lernen!

Wie genau soll das funktionieren?
Über Kundenkarten oder eine persönliche Registrierung bei einer App. Die Herausforderung für die Lebensmittel-Händler besteht eher darin, ihr Angebot geschickt zu erweitern. In Großbritannien wird das zum Beispiel bei Marks & Spencer schon sehr gut gemacht . Hier kann ich nahtlos auf die Produkte vor Ort zugreifen wie auch auf etliche weitere Produkte online, die dann bestellt werden können und nach Hause geliefert oder in der Filiale zum Abholen bereitgestellt werden. Auch einige Rewe-Händler machen das. Da kann man dann zusätzlich zu den etwa 80 Produkten vor Ort an der Bedientheke per iPad über 300 weitere Produkte bestellen und beim nächsten Einkauf abholen. Die Sortimentsvielfalt ist bei Onlinehändlern um ein Vielfaches größer, das muss der stationäre Handel nachholen. Nahtlos ist dabei das wichtigste Stichwort. Der Kunde darf keinen Unterschied bemerken, ob er seine Produkte nun vor Ort nach Hause bestellt oder von zu Hause in eine Filiale bestellt und dort abgeholt hat. Vielleicht will er noch etwas essen, während er zuschaut, wie seine Würstchen frisch produziert werden oder das Fleisch für das Fondue klein geschnitten wird. Die Einkaufserfahrung muss angenehm sein und nahtlos zwischen online und offline wechseln.

Also könnte auch die Kooperation mit Blitzlieferdiensten wie Gorillas sinnvoll sein?
Selbstverständlich.

Welche Trümpfe hat der stationäre Handel konkret in der Hand?
Man darf nicht vergessen, dass das Alibaba-Lebensmittel-Konzept aus dem Gedanken heraus entstanden ist, den chinesischen Endkonsumenten zu zeigen, dass die Ware frisch ist. Jeder will sehen, wie etwas hergestellt, verarbeitet, verpackt wird. Der Handel muss seine Stärken besser ausspielen. Das Schlagwort für mich sind hier Showrooms. Also viel mehr vor den Augen der Kunden stattfinden lassen.

Wie sieht also der Supermarkt der Zukunft aus?
Ein optisches und sensorisches Feuerwerk. Das muss sein, damit der Kunde überhaupt von der Couch aufsteht. Und eine extreme Effizienz durch Datenanalyse. Der Supermarkt muss wissen, was ich dort finden will.

Welche Märkte sollten sich Händler anschauen, wenn sie einen zukunftsweisenden Markt planen?
Ein ganz starker Trend sind Markthallen. Besonders das französische Unternehmen Biltoki ist extrem inspirierend für uns. Sie managen lokale Markthallen für Kommunen in Frankreich und kombinieren eine straffe Organisation mit einer enormen Produktvielfalt. Es gibt beispielsweise immer zwei oder drei Bäckereien, Käse-, Obst- und Gemüse-Anbieter. Der thailändische Einzelhandelskonzern Central Group, zu dem unter anderem auch das Kadewe in Berlin gehört, hat in Kooperation mit uns in Bangkok einen Markt eröffnet, Central Food Hall Ladprao, der bei der Frischetheke ganz neue Wege gegangen ist. Bedient wird nicht mehr hinter der Theke, sondern die Mitarbeiter stehen neben dem Kunden. In Irland gibt es ein sehenswertes Projekt: Das Jetland Shopping Center. Eine 9.000-Quadratmeter-Fläche, die mit extrem harten Budgets bespielt wurde.