Kundenbindung Kundenkarte, warum?

Bei unzähligen Geschäften beendet das Vorzeigen einer Kundenkarte den Einkaufsvorgang. Aber welchen Nutzen, neben dem Sammeln von Daten, haben Kundenkarten künftig?

Freitag, 17. Januar 2020 - Management
Rahii Katyal
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Was kommt? Die klassische Geldbörse verschwindet. Nicht sofort. Aber allmählich. Denn durch eine zunehmende Individualisierung von Kundenkartenfunktionen werden sich Kundenkarten noch besser digitalisieren lassen und so sukzessive das Portemonnaie ersetzen. Umfangreiche Big-Data-Analysen und künstliche Intelligenz werden dabei helfen, den Kunden dann noch besser zu verstehen. Streuverluste bei Werbung werden vermieden, Kosten reduziert, Umsätze und Kundenbindung gesteigert.

Wie war der Verlauf der klassischen Kundenkarte bis heute? Seit dem Wegfall des Rabattgesetzes 2001 probierten sich fast alle Player im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) an Kundenkarten. Neben einigen gescheiterten Versuchen, wie der Edecard oder Rewe Haushaltskarte, konnte sich neben der Deutschlandcard Payback als bekanntester und erfolgreicher Player etablieren.

Als erster Anbieter im LEH hat sich das Multipartnerprogramm Payback seit 2001 eine Vorreiterrolle in der systematischen Auswertung von Kundendaten verschafft. Die Drogeriemarktkette dm konnte 2004 die Daten schon systematisch auswerten und „Dialog Marketing“ von dm-Filiale zu Kunde betreiben. Dm-Payback-Mitglieder gaben rund 50 Prozent mehr Geld aus als Nicht-Mitglieder. Real konnte durch zielgerichtete Mailings, Analyse- und Steuerungsmöglichkeiten, Optimierung der Kategorieabfolge (Obstkonserven im Anschluss von Backen) eine Steigerung von Einkaufsfrequenz und Durchschnitts-Bon erreichen. Nach Real führte auch Rewe 2014 die Payback-Karte ein. Flächendeckend. Penny führte 2018 ebenfalls Payback ein. Im Geschäftsbericht der Rewe Group 2018 wird diese Einführung unter anderem als Treiber der positiven Umsatzentwicklung bei Penny gesehen.

In den vergangenen Jahren lassen sich wenige Aussagen der Händler zu Kundenkarten finden. Für Payback werden verschiedene Effekte deutlich, darunter der Netzwerkeffekt. Je mehr Partnerunternehmen es im Umfeld gibt, um so mehr steigt der prozentuale Anteil an Payback-Kunden und -Nutzern innerhalb des Netzwerks. Durch den Eintritt von Aral bei Payback hat sowohl dm sieben Prozent Neukunden gewonnen hat als auch Aral selbst 12 Prozent.

Auch ein Blick ins Ausland lohnt sich: In Finnland beispielsweise gibt es sogar Kundenbindungsprogramme für Hunde. Informationen zum Hund, Vorlieben und Unverträglichkeiten werden gespeichert. Durch das RFID-Halsband wird der Hund persönlich begrüßt im Markt. 2018 gab es in Deutschland übrigens 10,7 Millionen Hundebesitzer.

Der britische Lebensmittelhändler Waitrose vergibt keine Bonuspunkte, sondern einen kostenlosen Kaffee oder Tee jeden Tag für Kundenkarten-Nutzer. In Deutschland trinken 72 Prozent täglich Kaffee oder regelmäßig. Aha!

Preissensivität sinkt
In der Wissenschaft werden Kundenkarten unter verschiedenen Perspektiven eine positive Bedeutung für die Kundenbindung zugesprochen. Zu den positiven Effekten gehören auch Umsatzeffekte, höhere Weiterempfehlungsraten, eine bessere Einstellung zum Unternehmen und geringere Preissensitivität.

1959 gab das Kaufhaus Breuninger die erste Kundenkarte im Einzelhandel aus, um damit besonderen Kunden einen Service in Form von bargeldlosem Einkauf mit Kreditfunktion zu bieten. Seitdem ist viel passiert. Bei der Edecard (2001 bis 2008) fürchteten die selbstständigen Edeka-Kaufleute um den Ertragsverlust durch den hohen Rabatt von einem Prozent. Am Ende nahmen nur drei von sieben Regionalgesellschaften überhaupt an dem Kundenkartenprogramm teil. Auch die Überführung der Edecard zur Deutschland-Card verschaffte Edeka keine flächendeckende Teilnahme. Die Rewe Haushaltskarte (2003 bis bis 2006) ermöglichte Karteninhabern eine Teilnahme an einer Rewe-Lotterie, die auf SAT1 ausgestrahlt wurde. Die Gewinnwahrscheinlichkeit war laut Stiftung Warentest deutlich geringer als ein 6er im Lotto. Flop.

Die Beispiele zeigen, wie unterschiedlich der Erfolg von Kundenkarten sein kann. Kundenkarten sind kein Garant für mehr Umsatz. Der hängt maßgeblich neben den Erfolgsfaktoren (Multipartner-Programme, Attraktivität) auch von einer gesunden Kernleistung des Unternehmens ab. Kundenkarten können positiv zu Einkaufshäufigkeit, Durchschnittsbon und damit Mehrumsatz beitragen, müssen es aber nicht. Alle Big Player haben im deutschen LEH eine Kundenkarte mit Ausnahme von Kaufland und Aldi. Diese werden in Hinblick auf deren Kostenstrukturen auch nicht zu erwarten sein. Kundenkarten waren mal ein nicht zwingend erforderliches Instrument, sind aber mittlerweile für die strategische Zielsetzung notwendig.