„Das Feedback der Metro-Kunden war durchweg positiv“, sagt Mathias Brunner, Geschäftsführer von Tsenso, dem Entwickler-Unternehmen von Fresh-Index. In fünf Metro-Großmärkten wurde die App über sechs Wochen für Schweinefleisch getestet. Und auch Metro zeigte sich zufrieden: „Die App Fresh-Index bietet eine vielversprechende Lösung für mehr Transparenz über die tatsächliche Halthaltbarkeit von Lebensmitteln.“
In der Feldphase konnte das Start-up Erfahrungen unter realen Bedingungen sammeln. Erstes Ergebnis: Das dynamische Haltbarkeitsdatum (DHD) liegt in der Regel drei bis sieben Tage nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD). 900.000 Tonnen Lebensmittel im Wert von 1,5 Milliarden Euro könnten durch die App in Europa vor der Mülltonne bewahrt werden, so das Ergebnis einer ersten internen Analyse des Wirkungspotenzials. Wie valide die Angaben des vermeintlich realistischen Haltbarkeitsdatum sind, prüft gerade ein unabhängiges Labor. Eines zeigte der Feldversuch bei Metro aber bereits: „Die Berechnungen in der Cloud laufen zuverlässig.“
Anders als das statische Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) wird das dynamische Haltbarkeitsdatum aus verschiedenen aktuellen Daten berechnet. In welchem Zustand befand sich das Fleisch vor dem Verpacken? Wie war die Temperatur während des Transports? Welchen Hygiene- und Lagerbedingungen war das Produkt ausgesetzt? Um Antworten auf diese Fragen geben zu können, erhält Fresh-Index die Hygienedaten der Produktion sowie die Logistikdaten der Transportunternehmen. Sensoren überwachen die genaue Temperatur. „Mit diesen Daten rekonstruieren wir für jede Packung eine eigene Temperaturkurve, und das von der Herstellung an“, erklärt Brunner. Danach ist der Verbraucher gefragt. Die App kann auf dem Smartphone installiert werden. Verbraucher müssen den Barcode auf den Verpackungen scannen und zusätzliche Angaben über Transport und Lagerung nach dem Kauf angeben. Alle Daten werden in der „Fresh-Index-Cloud“ – einer eigenen Big-Data-Lösung – erfasst.
Dynamisches Verzehrslimit
Fresh Index gibt in der Verbraucher-App dann zwei Daten aus: Zum einen das dynamische Haltbarkeitsdatum, das den Zeitpunkt angibt, zu dem das Produkt noch alle zu erwartenden Qualitätseigenschaften hat. Nach dem angegebenen Datum können sich erste Verfallszeichen, zum Beispiel Geruch, bemerkbar machen. Das Produkt ist aber unbedenklich und kann auch nach dem Ablauf des DHD gegessen werden. Das dynamische Verzehrslimit (DVL) zeigt an, ab wann das Lebensmittel wirklich nicht mehr verzehrt werden sollte. Hier spielt die Risikobewertung pathogener Keime die führende Rolle.
Durch zahlreiche Medienberichte ist die Nachfrage vor allem bei den Verbrauchern hoch. „Leider gibt es Fresh-Index derzeit nur für Schweinefleisch bei der Metro“, sagt Brunner. Das Start-up will jedoch möglichst schnell auch mit anderen Einzelhändlern zusammenarbeiten.
Der Wert der App für Händler liegt vor allem in den gesammelten Daten. Sie werden über Auffälligkeiten informiert, die dann wiederum zu Verbesserungen der Lebensmittelqualität oder des Lagermanagement führen können. „Die Verwendung von Echtzeitdaten ermöglicht dem Handel, die Lebensmittelverschwendung entlang der Lieferkette zu reduzieren“, erklärt der Start-up-Gründer Brunner.
DHD für Lebensmittel ohne MHD
Ware mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum darf zwar verkauft werden. Allerdings ist „sicherzustellen, dass die Ware einwandfrei“ ist, erklärt die Verbraucherzentrale NRW. Anders verhält es sich mit dem Verbrauchsdatum, mit dem besonders schnell verderbliche Lebensmittel ausgezeichnet werden müssen. Ist dieses abgelaufen, darf die Ware nicht mehr verkauft werden. Besonders interessant sei das dynamische Haltbarkeitsdatum deshalb auch für Produkte, die derzeit kein MHD haben – wie Frischfisch, Obst und Gemüse. Denn auch hier gilt: Die Ware muss zum Zeitpunkt des Verkaufs einwandfrei sein. Das DHD kann für Planungssicherheit sorgen.
Fresh-Index wird mit etwa einer Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Nach Ende der Testphase ist ab 2020 die Einführung und Weiterentwicklung des dynamischen Haltbarkeitsdatums bei der Metro geplant. „Wir wollen, dass der Fokus weg von der Verpackung mehr Richtung Inhalt rutscht“, fasst Brunner das Ziel der App zusammen.
Metro plant ab 2020 das DHD fest einzuführen. Neben Schweinefleisch sollen Frischfisch, Obst und Gemüse mit dem Datum versehen werden.
Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in der Lebensmittel Praxis 16-2019 unter der Überschrift "Schwein gehabt".