Hieber Weitergeben statt wegwerfen

Lebensmittel sind ein kostbares Gut. Umso schlimmer ist ihre Verschwendung. Wie kann der Handel gegensteuern? Optionen am Beispiel des Edeka-Händlers Hieber.

Mittwoch, 12. September 2018 - Management
Myrjam Dobesch
Artikelbild Weitergeben statt wegwerfen
Bildquelle: Hieber`s Frische Center

18 Millionen Tonnen Lebensmittel landen laut Analyse der Umweltorganisation WWF jährlich in Deutschland auf dem Müll. Die EU nimmt die Lebensmittelverschwendung in Europa ernst: Bis zum Jahr 2020 soll die Menge weggeworfener Lebensmittel, die noch genießbar sind, halbiert werden. Gerade im Einzelhandel kann die Rechnung von Angebot und Nachfrage nicht immer aufgehen. Im Ergebnis landen Tonnen von Lebensmitteln in der Tonne. Schwierigkeit für Nicht-Privatpersonen: Bei Spenden kann es vor allem in Sachen Haftung problematisch werden.

Foodsharing als erste Option
Der in Baden-Württemberg ansässige Einzelhändler Dieter Hieber, Geschäftsführer von Hieber`s Frische Centern, wollte es nicht länger hinnehmen, dass in seinen Läden Essbares in der Tonne landet. In sogenannten Foodsharing-Boxen sah er eine Alternative. Im Juli 2017 wurden diese testweise auf den Parkplätzen der beiden Hieber-Märkte in Nollingen und Schopfheim aufgestellt. Die Mitarbeiter bestückten die Boxen mit Lebensmitteln, deren Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überschritten war und solchen, die nicht mehr dem Verkaufsstandard entsprachen. Jeden Wochentag von 8 bis 20.30 Uhr konnte sich jeder kostenlos an dem Inhalt bedienen. Das Angebot wurde quer durch alle Bevölkerungsschichten sehr gut angenommen. Problematisch: Es gab alut Hieber „Kandidaten“, die es bei der Entnahme übertrieben. Auch bedienten sich nicht nur Bedürftige. „Generell finde ich es schön, wenn die Lebensmittel bedürftigen Menschen zugute kommen. Dass auch andere von den Sachen nehmen, lässt sich aber nicht verhindern“, sagt Hieber.

Abgabe an die Tafel
Bislang hat Hieber die regionalen Tafelläden mit Frischware wie Obst, Gemüse und Backwaren sowie mit Molkereiprodukten kurz vor Ablauf des MHD versorgt. Es lag also nahe, die Zusammenarbeit zu erweitern. Die Abgabe über die Foodsharing-Box wurde zugunsten der Tafel eingestellt. Statt einer unkontrollierten Verteilung wird die abgelaufene Ware künftig an fünf regionale Tafeln im Umkreis gespendet (Dreiländereck-Tafel, Tafel Schopfheim, Rheinfelder Tafel, Markgräfler Tafel und Staufener Tafel).

Dies erfolgt zusätzlich zu den seit jeher abgegebenen Lebensmitteln. Hieber und die jeweilige Tafel-Leitung unterzeichneten eine Vereinbarung, in der für Hieber der Haftungsausschluss gewährleistet ist, und die Tafel erklärt, dass sie die Kühlkette einhält. Die Mitarbeiter der Tafel holen nun täglich Ware, statt wie zuvor zwei- bis dreimal die Woche.

Derartige Vereinbarungen sind für die Tafel nichts Neues und wurden bereits mit anderen Händlern umgesetzt. Ganz wichtig: Die Verantwortlichkeiten sind klar geregelt, sodass die Abgabe abgelaufener Lebensmittel an Bedürftige unproblematisch erfolgen kann.

So kontrollieren die Tafeln
Zwei Mitarbeiter der jeweiligen Tafel prüfen alle Lebensmittel, die ein abgelaufenes MHD aufweisen, täglich vor Ladenöffnung auf Farbe, Aussehen, Konsistenz, Geruch und Geschmack. Anschließend tragen sie die Ergebnisse in einem Überlagerungsprotokoll ein. Bei einer Überprüfung ist damit ein Nachweis für die Lebensmittelkontrolle vorhanden. Das Team des Ladens klärt seine Kunden zudem darüber auf, dass der Verzehr zeitnah erfolgen sollte. Stefanie Bresgott, Pressesprecherin Tafel Deutschland, ergänzt: „Wer Lebensmittel von einer Tafel bekommt, kann diese bedenkenlos verzehren. Besonders im Fall von MHD-Ware ist es uns ein Anliegen, die Konsumenten in Sachen Ernährungsbildung fit zu machen. Ob Lebensmittel noch gut sind oder nicht, ist keine Frage des Aufdrucks, sondern des Riechens und vorsichtigen Probierens.“

Bild: Dieter Hieber vor dem Kühlschrank einer Foodsharing-Box.