Exklusiv Top 30 des deutschen LEH - Top-30-Ranking: Teil 2

Der Verkauf von Kaiser‘s Tengelmann hat zweifelsohne im vergangenen Jahr die Gemüter bewegt. Doch wie hat sich der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel insgesamt entwickelt? Exklusiv in der LP: aktuelle Marktdaten von Nielsen TradeDimensions sowie Einschätzungen von Handelsexperten.

Donnerstag, 09. März 2017 - Management
Lebensmittel Praxis
Artikelbild Top 30 des deutschen LEH - Top-30-Ranking: Teil 2
Wo die Reise hingeht

Die Konzentration im LEH kann kaum mehr weiter steigen. Was bedeutet das eigentlich? Fünf Thesen von Martin Fassnacht

  1. Die Zahlen zur Konzentration im Lebensmittel-Einzelhandel stellen stark den Status quo dar und berücksichtigen nicht die wachsende Bedeutung des Internets. Die fortschreitende Digitalisierung bietet Chancen für neue Player und Geschäftsmodelle, die die traditionelle Handelslandschaft aufbrechen. So baut z. B. Amazon seine Geschäftsfelder immer weiter aus und dringt mit Amazon Go auch in den stationären Handel vor. Diese Verzahnung von verschiedenen Angeboten und Kanälen führt dazu, dass es in ein paar Jahren womöglich Player gibt, die heute noch niemand auf der Agenda hat.
  2. Der Online-Handel wird weiterhin stark an Bedeutung gewinnen und auch die Landschaft verändern. Diese Entwicklung wird 2017 entscheidend durch Amazon Fresh vorangetrieben. Flexibilität, Convenience, größere Sortimente und oftmals bessere Preise sind dabei wesentliche Vorzüge. Das Online-Geschäft mit Lebensmitteln bleibt nur so lange eine Nische, bis Hindernisse bei der Zustellung überwunden sind. Verbraucher werden ihr Einkaufsverhalten langfristig anpassen. Welche Player sich hier auf Dauer durchsetzen, bleibt abzuwarten. Händler tun gut daran, entsprechende digitale Kompetenzen aufzubauen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.
  3. Die Grenzen zwischen Handel und Herstellern verschwimmen zunehmend. Hersteller suchen über den Direktvertrieb den Zugang zum Verbraucher und können so den Handel umgehen. Auch Kooperationen zwischen verschiedenen Herstellern zum Vertrieb ihrer Produkte über einen gemeinsamen Marketplace sind ein denkbares Szenario. Beides ist allerdings mit hohen Kosten verbunden und bedarf entsprechender Handelskompetenzen, über die Hersteller traditionell nicht verfügen. Daher können strategische Kooperationen lohnend sein.
  4. Der Handel setzt verstärkt auf Handelsmarken, um sich von Wettbewerbern zu differenzieren. Händler können dabei leichter zu Herstellern werden als umgekehrt, da sie über den direkten Zugang zum Konsumenten verfügen. Die Produktion von Handelsmarken kann selber erfolgen oder in Auftrag gegeben werden. Vorhandene Verkaufsflächen und Online-Kompetenzen erleichtern den Vertrieb. In Sachen Branding können Händler jedoch von Herstellern lernen. Nur starke Handelsmarken können dauerhaft einen Wettbewerbsvorteil generieren und werden von Verbrauchern als Alternative zu traditionellen Marken wahrgenommen.
  5. Vor dem Hintergrund der hohen Konzentration und einer – dem Internet geschuldeten – Preis- und Nutzentransparenz wird Relevanz aus Verbrauchersicht zum entscheidenden Erfolgsfaktor für Hersteller und Händler. Nur Marken, die für den Verbraucher relevant sind und Mehrwerte schaffen, können sich auf Dauer im Handel durchsetzen. Hersteller werden dazu übergehen, Pop-up Stores permanent zu betreiben, um Marken erlebbar zu machen. Für Hersteller von B- oder C-Marken kann die Herstellung von Handelsmarken eine interessante Alternative werden. Händler müssen dem Verbraucher auch über ihre Store-Konzepte Mehrwerte bieten, die sie einzigartig machen.
Keine falschen Schlüsse

Der Markt ist umkämpft, auch die Nische E-Commerce. Welche Bedeutung wird er für den Lebensmittelhandel künftig haben?

Kaum ein Markt ist so umkämpft wie der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel. Nicht nur die großen Supermärkte und Discounter kämpfen um Marktanteile, sondern auch immer mehr Nischenkonzepte. Wochenmärkte und Hofverkäufe haben Hochkonjunktur. Auch Online-Konzepte rücken immer mehr in den Fokus, beflügelt vom Internetboom in den meisten Produktkategorien. Während der Online-Anteil abseits von Gütern des täglichen Bedarfs rund 20 Prozent beträgt, sind es im Lebensmittel-Einzelhandel – allen Bemühungen zum Trotz – bislang erst 1,8 Prozent. Die Rewe betätigt sich hier mit Rewe Express als Vorreiter und bietet inzwischen in fast 100 Städten die Haustürbelieferung an, inklusive Frischeprodukten und Tiefkühlkost. Auch andere Händler experimentieren mit Lieferservices und Abholstationen – in der Erwartung, dass sich der Markt zeitnah entwickeln könnte. Dabei warten alle gespannt auf den Player, der den Onlinehandel mit Lebensmitteln entscheidend weiter vorantreiben könnte: Amazon mit Amazon Fresh. Aber welches Potenzial bietet der Online-Lebensmittelhandel? Wie gefährlich ist Amazon für den stationären Lebensmittel-Einzelhandel?

Alle Zahlen im Überblick

Bei den Unternehmen Rewe-Gruppe, Aldi-Gruppe, Rossmann, Denree sowie Klaas + Kock kam es im Vergleich zu den Top 30 2016 zu Neubewertungen aufgrund vorliegender Bilanzen oder Korrekturen durch das Unternehmen. Bei Tengelmann geht der Außenumsatz aller Vertriebsbereiche in die Betrachtung ein. Zu den gesamten Zahlen geht es über diesen Link.