Interview mit Maria Flothkötter Wunsch und Wirklichkeit - Interview mit Maria Flothkötter: Teil 2

Was ist gut für Kinder? Beim Thema Essen beschäftigt diese Frage Eltern, Hersteller und Handel. Eine Einschätzung aus der Sicht von Ernährungswissenschaftlerin Maria Flothkötter, Leiterin des Netzwerks „Gesund ins Leben“

Donnerstag, 23. Juni 2016, 22:46 Uhr
Nicole Ritter
Artikelbild Wunsch und Wirklichkeit - Interview mit Maria Flothkötter: Teil 2
Bildquelle: Stefan Mugrauer

Stellt Kindermilch eine Alternative zu Kuhmilch dar?
Kuhmilch ist für Kleinkinder ein wertvolles Lebensmittel, und spezielle Milchgetränke bieten keine Vorteile bei der Ernährung von Kleinkindern. Kindermilch ist auch für Kuhmilchallergiker keine Alternative. Das Milcheiweiß in der Kuhmilch, das eine Allergie auslösen kann, ist auch in Kindermilch enthalten.

Brauchen Kleinkinder Lebensmittel, die mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert sind?
Bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Familienkost bekommen Kinder alle notwendigen Nährstoffe, die sie benötigen. Mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Produkte sind deshalb nicht erforderlich; oft enthalten solche Produkte auch Vitamine, die gar nicht gebraucht werden. Manche Eltern meinen, sie könnten mit diesen Lebensmitteln den geringen Obst- und Gemüse-Verzehr ihres Kindes „ausgleichen“. Dass sie auf eine ausreichende Nährstoffzufuhr bedacht sind, ist zwar zu begrüßen, der Ansatz sollte jedoch ein anderer sein: Eltern sollten ihr Kind immer wieder verschiedene frische Lebensmittel anbieten. Viele Kinder kommen erst nach mehrmaligem Probieren auf den Geschmack.

Ist eine vegetarische Ernährung für Kleinkinder empfehlenswert?
Kleinkinder essen im Durchschnitt mehr Fleisch und Wurst als empfohlen wird. Dreimal Fleisch in der Woche ist genug. Eine vegetarische Ernährung, die kein Fleisch, aber Milch/-produkte und Eier beinhaltet, ist bei Kleinkindern möglich. Da Fleisch dann als wichtiger Lieferant für Eisen und Zink wegfällt, sollten die Kinder ausreichend andere eisen- und zinkhaltige Lebensmittel essen. Eisen befindet sich zum Beispiel in Vollkorngetreideprodukten, Hülsenfrüchten sowie in einigen Gemüse- und Obstarten. Zink ist z. B. in Vollkorn-, Sojaprodukten und in Hülsenfrüchten enthalten.

Und wie steht es mit veganer Kost?
Von einer rein pflanzlichen (veganen) Ernährung für Kleinkinder, die auf alle tierischen Lebensmittel wie Fleisch- und Wurstwaren, Milch und Milchprodukte und Eier verzichtet, ist dringend abzuraten. Sie versorgt das Kind nicht ausreichend mit lebensnotwendigen Nährstoffen. Eine vegane Kost kann die Gesundheit und Entwicklung des Kindes gefährden. Je einseitiger die Ernährungsweise und je jünger das Kind, desto größer ist das Risiko für einen Nährstoffmangel. Das gilt insbesondere für das Vitamin B12, das natürlicherweise nur in tierischen Lebensmitteln vorkommt. Auch die Zufuhr von Eiweiß, langkettigen Omega-3-Fettsäuren, Kalzium, Eisen, Jod, Zink, Selen sowie den Vitaminen D und B2 kann kritisch sein. Eine vegane Ernährung erfordert immer medizinische Kontrollen, qualifizierte Ernährungsberatung und bestimmte Nährstoffpräparate.

Müssen Kleinkinder auf bestimmte Lebensmittel verzichten, wenn der Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie besteht?
Solange beim Kind nur der Verdacht auf eine Lebensmittelallergie besteht, sollte es deshalb keine bestimmten Lebensmittel meiden. Ein vorsorglicher Verzicht beugt auch keiner Allergie vor. Im Gegenteil: Es besteht die Gefahr der Mangelernährung. Zusätzlich kann es das Kind belasten, weil es nicht mit den anderen mitessen darf. Kinder müssen nur dann bestimmte Lebensmittel meiden, wenn eine Allergie darauf sicher diagnostiziert wurde.

Wie kann der Handel zu einer ausgewogenen Ernährung von Kleinkindern beitragen?
Frisches Obst und Gemüse spielen eine wichtige Rolle. Kleinkinder sollten dazu angeregt werden, die Vielfalt frischer Obst- und Gemüsearten und -sorten kennenzulernen. Auch Händler können hier einen Beitrag leisten, indem sie zum Beispiel an Probierständen frische Früchte der Saison kleinkindgerecht zur Verkostung anbieten. Kleine Aktionen in Kooperation mit einer Kindertagesstätte können bei Kindern ebenfalls die Neugier für frische Lebensmittel wecken. Rezeptvorschläge regen Eltern dazu an, leckere Speisen mit frischem Obst und Gemüse für die ganze Familie zuzubereiten.