Interview mit Gunther Seifert und Roger Ulke „Der Kampf um Standorte ist mörderisch“

Verkaufsflächen für Lebensmittel gibt es in der Elbmetropole Dresden wie in kaum einer anderen Großstadt Deutschlands. Trotzdem behauptet sich hier der Konsum Dresden als lokales Handelsunternehmen gegen national aufgestellte Konkurrenz. Wie das heute funktioniert und auch die Zukunft sichern soll, diskutieren die Vorstände Gunther Seifert und Roger Ulke mit der LP-Redaktion.

Freitag, 26. Februar 2016 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild „Der Kampf   um Standorte ist   mörderisch“
Bildquelle: Roger Günther

35 Supermärkte, rund 30.000 qm VKF – welchen Stellenwert hat der Konsum für Dresden?
Roger Ulke: Einen großen. Wir sind einer der größten Arbeitgeber in Dresden mit mehr als 850 Mitarbeitern. Im Kammerbezirk hier haben nur ein halbes Prozent aller Unternehmen mehr als 500 Mitarbeiter. Wir sind außerdem ein wichtiger Ausbildungsbetrieb. Jedes Jahr mindestens 20 neue Ausbildungsplätze. Und als Verbrauchergenossenschaft bieten wir den Dresdnern über genossenschaftliche Vergütungen und Gewinnanteile, Rückvergütung und Dividende auch mehr als ein Einkaufserlebnis. Letztes tun wir aber auch, weil wir uns als Spezialisten für Essen und Trinken sehen. Und wir bringen Werte voran, die uns wichtig sind: Nachhaltigkeit oder Regionalität.

Das Angebot an Lebensmittelhandels-Fläche in Dresden erschlägt einen. Warum ist der Konsum Dresden notwendig?
Gunther Seifert: Richtig, hier gibt es allein 13 Kaufländer, 230 Discounter und natürlich Rewe und Edeka. Der Kampf um die Standorte hier ist mörderisch. Der Konsum zieht seine Bedeutung einmal aus dem genossenschaftlichen Auftrag, aber auch als Vertreter von Qualität, Service und Bedienung. Die Dresdner haben großes Vertrauen in ihren Konsum, wollen ihren heimischen Händler. Wir haben durch die Genossenschaftsform einen ganz engen Draht zu unseren Kunden.

Wie viele Genossenschaftsmitglieder haben Sie aktuell?
Seifert: 23.000. Das bleibt in etwa auch gleich, was als Erfolg zu werten ist. Denn es wachsen wieder zunehmend junge Menschen nach. Mitglied, Miteigentümer, Mitgestalter – das leben wir.

Ulke: Unter diesen haben wir übrigens einen Kundenbeirat mit Kunden aus allen Stadtteilen, der uns regelmäßig berät und auch kritisiert. Dieser Dialog ist durchaus anstrengend, aber auch anregend.

Sie haben zwei Formate. Was unterscheidet einen Konsum- vom Frida-Markt?
Ulke: Ursprünglich war die Idee, mit Frida vor allem einem jüngeren Publikum einen ansprechenden Markt zu bieten – mit überschaubarem, modernen Sortiment auch auf kleinerer Fläche. Das hatte auch damit zu tun, dass viele Kunden den Namen „Konsum“ aus DDR-Zeiten nicht mehr so toll fanden. Andererseits ist der Name „Konsum“ für viele Touristen attraktiv, gerade Osteuropäer kennen das von zu Hause. Mittlerweile gibt es aber keine konzeptionellen Unterschiede mehr. Und wir machen ohnehin für jeden Standort den passenden Markt und das richtige Konzept.

Beim Ausflug nach Franken hat das nicht geklappt …
Ulke: Nürnberg läuft noch, aber diese Art der Expansion steht für uns nicht mehr im Fokus.

Aber wachsen wollen Sie schon? Neue Standorte – wie gehen Sie vor?
Seifert: Der Wettbewerb in der Stadt ist hart, der Kampf um Standorte auch. Die werden heute ja oft strategisch besetzt. Wir als Konsum können keinen Standort um jeden Preis machen. Wir gehen behutsamer vor, kennen natürlich die Bewohner, das Umfeld und passen die Märkte dann sehr sorgfältig an den Standort an.

Was heißt das genauer?
Ulke: Da geht es um mehr als ein angepasstes Sortiment. An bestimmten Standorten brauchen Sie kein tiefes Sortiment. Der Konsum in der Centrum Galerie ist kein Markt für Stammkunden, hier ist Convenience gefragt, Vorratskäufe werden hier nicht gemacht, eine Bedienungstheke ist nicht nötig. Das ist beim Frida-Markt in der Tolkewitzer Straße ganz anders. Beide sind vom Ladenbau, Aufbau und Einrichtung ebenfalls ganz verschieden. Und letztlich sind die Mitarbeiter entscheidend. Die kommen in der Regel aus dem Stadtteil des Standorts und kennen Bewohner, ihre Eigenheiten und Vorlieben.

Sind Kleinflächen in der Stadt wieder im Kommen?
Seifert: Das kommt sicher drauf an. Aber ein Konsum wie der in der Münchner Straße scheint das zu bestätigen. Der hat nur 189 qm, bietet alles, was der Kunde braucht, und verdient gutes Geld.

Aber ein wenig gehen Sie schon über die Stadtgrenze hinaus…
Ulke: Ja, klar. Unser Gebiet ist schon der Großraum Dresden, nicht nur das Stadtgebiet. Also gehen wir bis Radeberg, Radebeul oder Pirna.

Sie beziehen Ihr Grundsortiment über Bartels-Langness, profilieren sich aber auch stark über regionale Produkte? Wie teilt sich das auf?
Ulke: Rund 60 Prozent ziehen wir über Bela. Das ist eine sehr gute Zusammenarbeit. Sobald ein Artikel, den wir ordern, erfolgreich ist, wird er auch über Zentrallager bei Bela geführt.

Welche starken Entwicklungen sehen Sie derzeit noch?
Seifert: Vegan natürlich, macht bei uns schon 1,4 Prozent Umsatzanteil. Craft-Biere, neue Limonaden, Convenience. Bio ist mittlerweile normal im Sortiment integriert.

Und online?
Ulke: Wir hatten schon 2000 bis 2006 einen Online-Shop. Wirtschaftlich erfolgreich war der aber nie. Ich glaube auch nicht, dass unter den gegebenen Bedingungen mit dem Online-Verkauf von Lebensmitteln Geld verdient werden kann. Wir gehen einen anderen Weg.

Seifert: Wir setzen auf Lieferservice. Der Kunde kauft im Laden und lässt sich gegen eine Gebühr von 5 Euro nach Hause liefern. Am gleichen Tag, in einem verabredeten Zeitfenster.

Und? Läuft?
Ulke: Explodiert. Hier ist echter Bedarf. Eine große Chance für den Supermarkt. Wir haben hier Zuwachsraten von 70, 80 Prozent jährlich. Natürlich ist das nicht einfach: die ganze Logistik, der Fuhrpark, die richtigen Mitarbeiter. Aber wir setzen kein Geld zu.

Ihre Catering-Sparte funktioniert auch?
Seifert: Klar. Die wird sehr gut angenommen

Wie haben Sie im vergangenen Jahr abgeschnitten?
Seifert: Wir haben fast 109 Mio. Euro umgesetzt, beinahe 6 Mio. Euro mehr als 2014. Das spiegelt sich auch in unserem Jahresergebnis wider. Wir sind all unseren Mitstreitern dafür sehr dankbar.

Was sind Ihre Herausforderungen für 2016?
Ulke: Dass es so weitergeht. Die grundsolide Entwicklung der vergangenen Jahre bietet uns Raum für neue Ideen und macht auch Mut dazu. Wir haben dabei einen weiter verschärften Wettbewerb in Dresden, nicht nur um Flächen, sondern auch um Mitarbeiter und Nachwuchs.

Wo steht die Konsumgenossenschaft Dresden in – sagen wir – fünf oder zehn Jahren?
Seifert: Unser Ziel ist die Qualitätsführerschaft in Dresden. Diesem Ziel werden wir näher sein. Wir werden weiter kontinuierlich wachsen, wenn auch nur leicht.

Ulke: Wir werden noch näher an den Kunden rücken, mehr kleinere Flächen haben und noch einiges an neuen Ideen realisieren.