Interview mit Hannelie Bohnes Soziale Kompetenz und sensible Antennen

Wie kann man junge Frauen auf die Karriereschiene setzen? Hannelie Bohnes weiß aus eigener Erfahrung, wie man als Mutter von drei Kindern im Beruf erfolgreich sein kann. Ihre Ansichten zu Recruiting, Inklusion und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Montag, 13. April 2015 - Management
Heidrun Mittler
Artikelbild Soziale Kompetenz und sensible Antennen
Bildquelle: Belz

Es war noch nie so schwierig wie heute, gute Azubis zu bekommen! Stimmt diese Behauptung?
Hannelie Bohnes: Wenn man unter „gut“ den geraden Weg versteht: „zehn Jahre Schule, guter Realschüler und dann eine Ausbildung im Handel“, dann stimmt sie. Die Jugendlichen von heute haben sich gewandelt. Die Personen, die sich bei uns für eine Ausbildung im Handel bewerben, sind eine heterogene Gruppe, die zwar nicht alle die besten Zeugnisse haben, die sich aber während der Ausbildung zu Leistungsträgern entwickeln können. Denn für uns spielen neben guten Noten auch andere Faktoren eine wichtige Rolle.

Welche Faktoren meinen Sie?
Wir legen viel Wert auf den persönlichen Eindruck und, wie der Bewerber auf andere Menschen zugeht. Gerade im Handel sind soziale Kompetenzen, wie z. B. Empathie und Freundlichkeit enorm wichtig. Schließlich dreht sich bei uns alles um die Frage: Passt der Bewerber wirklich in den Verkauf, möchte er dort arbeiten und kann er kundenorientiert agieren? Daher gilt für die Bewerber, zuallererst den Geschäftsleiter vor Ort von sich zu überzeugen.

Die Personalentwickler haben den demografischen Wandel schon vor 15 Jahren kommen sehen. Trotzdem finden viele Händler heute nicht ausreichend Azubis. Was ist da schief gelaufen?
Marketinginstrumente, Ausbildungspläne und Entwicklungsprogramme repräsentieren die theoretische Seite – wie diese im Markt gelebt werden, die praktische. Das heißt, die entscheidende Schnittstelle ist dabei der Markt mit seinen Mitarbeitern und dem Geschäftsleiter, die überzeugen müssen: Der gute Ruf des Marktes ist entscheidend, auch in Sachen Mitarbeiterförderung und -führung. Überzeugen diese Aspekte, dann ist der Handel für potenzielle Bewerber auch attraktiv.

Real investiert wie auch andere Handelsunternehmen in Schulkooperationen. Zahlt sich das aus?
Ja, absolut – und dies sogar in vielerlei Hinsicht: Wir bekommen über diesen Weg Schülerpraktikanten, die nach dieser Zeit oft beschließen, bei uns eine Ausbildung anzuschließen. Darüber freuen wir uns sehr. Außerdem präsentieren wir im Rahmen der Schülerkooperation den Lehrern und Lehrerinnen, was hinter einem Job im Handel steckt. Oft haben sie ein falsches Bild und raten ihren Schülern von einem Berufseinstieg im Handel ab. Wir nutzen dann die Chance, die Lehrer als wichtige Multiplikatoren von den Berufsbildern im Handel zu überzeugen.

Manche Handelsunternehmen locken junge Menschen mit Zugaben wie einem Handy samt Vertrag…
Solche „Fangprämien“ lehnen wir bei Real ab. Wir wollen die potenziellen Auszubildenden nicht durch Geschenke anlocken, sondern wir wollen durch unsere interessanten Ausbildungsmöglichkeiten, den Aufstiegschancen und dem tollen Arbeitsklima überzeugen. Dies ist uns in der Vergangenheit bisher sehr gut gelungen.

Viele ihrer Ausbilder geben jungen Menschen eine Chance, die schlechte Aussichten auf dem Bewerbermarkt haben. Übernehmen diese damit in gewissem Umfang die Aufgaben eines Sozialarbeiters?
Auszubildende, die nach der 10. Klasse in unser Unternehmen kommen, sind meist nicht älter als 16 Jahre. Wir geben diesen Menschen eine Chance, wir integrieren sie in unsere „Marktfamilie“. Selbstverständlich übernehmen da die Ausbilder und Geschäftsleiter eine Vorbildfunktion und prägen die Nachwuchskräfte in ihrer Entwicklung. Soziale Arbeit würde ich diese Form der Zusammenarbeit nicht bezeichnen. In der Tat gibt es die Auszubildenden, die hin und wieder mehr Unterstützung benötigen als andere, aber diese Hilfe bieten unsere Ausbilder den Nachwuchskräften gerne an.

In wie weit hat sich in den letzten Jahren die Arbeit des Ausbilders verändert?
Die größte Veränderung hat der hauptamtliche Ausbilder erfahren. Er hat früher das typische Seminargeschäft gemacht, seinen Ordner ins Regal gestellt und war fertig. Heute veranstaltet er Seminare, begleitet aber auch Azubiprojekte vor Ort und berät die Märkte in allen Fragen der Ausbildung, hält Kontakt zu den Berufsschulen, unterstützt beim Recruiting und kümmert sich um die „kleinen Probleme des Alltags“ der Azubis. Da ist eher der Begleiter gefragt, der den Auszubildenden mit wertvollen Ratschlägen zur Seite steht.