Veggie Round Table „Unumkehrbare Entwicklung“ - Welche Produkte laufen in Ihren Märkten besonders erfolgreich?

Es ist das neue Lieblingskind des Handels: das vegetarisch-vegane Angebot. Zeit für ein Gespräch mit Experten. Welche Voraussetzungen die Produkte erfüllen müssen, um beim Verbraucher anzukommen, und was sich vom Bio-Markt auf die Warengruppe übertragen lässt, lesen Sie auf den nächsten Seiten. Das Gespräch führten Reiner Mihr und Bettina Röttig

Freitag, 30. Januar 2015 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild „Unumkehrbare Entwicklung“ - Welche Produkte laufen in Ihren Märkten besonders erfolgreich?
Bildquelle: Thienemann

Welche Produkte laufen in Ihren Märkten besonders erfolgreich?
Bredack: Unsere stärksten Warengruppen sind zunächst Milch- und Käseersatz, gefolgt von Fleisch- und Wurstersatz. Auf dritter Position folgen bereits Süßwaren.

Röthemeier: Ich musste unlängst staunen: Wir haben einen kleinen Markt auf dem platten Land nach dem Umbau wieder eröffnet und das, was wir als allererstes nachfüllen mussten, war Soja-Milch. Fleisch- und Wurstersatzprodukte laufen in unseren Märkten allerdings nicht so erfolgreich.

Wo herrscht Ihrer Beobachtung nach der größte Bedarf an Sortimentserweiterungen im fleischfreien Segment?
K. Ladage: Ganz klar bei Fertigprodukten. Wir brauchen mehr qualitativ gute Convenience-Artikel.

Röthemeier: Vegane Pizza fehlt.
Bredack: Mein Wunsch an die Industrie: Arbeitet an gutem Käse-Ersatz! Käse hat so viele Eigenschaften, er muss schmelzen, Fäden ziehen etc. Je nachdem, ob das Produkt für Raclette, Fondue, aufs Brot oder auf Pizza eingesetzt werden soll, benötigt man derzeit jeweils ein anderes. Käse-Ersatz, der ohne E-Nummern auskommt, gibt es nur sehr wenig.

Welche Zusatzkriterien sind bei vegetarischen bzw. veganen Produkten relevant?
Bredack: Vegan ist nicht zwingend gleichzeitig gesund. Viele Produkte beinhalten zu viele Gewürze, Zucker, Hefe etc. Wir zählen sehr viele Allergiker zu unseren Kunden. Kriterien wie „frei von Allergenen“ und „frei von Zusatzstoffen“ sind daher von großer Bedeutung.

Röben: Der Verzicht auf Gluten, Geschmacksverstärker etc. ist sehr wichtig. Die Zielgruppe ist sehr interessiert, schaut genau hin, das haben wir ganz schnell festgestellt. Wir haben sehr schnell reagiert und nach Anfragen, woher die in unseren Produkten verwendeten Eier stammen, komplett auf Eier aus Freilandhaltung umgestellt.

K. Ladage: Was man gerade bei Soja-Produkten nicht unterschätzen darf, ist das Thema Gentechnik! Die Mehrheit der Bundesbürger lehnt Gentechnik bekanntermaßen ab, ‚ohne Gentechnik‘ ist daher ein wichtiges Argument.

Kommen wir zum Thema Preisstellung: Dürfen die Produkte mehr kosten?
K. Ladage: Vegetarische und vegane Produkte müssen für alle erschwinglich sein, das Angebot im Handel also auch den Preiseinstieg umfassen.

Röben: Wir sind der Meinung: Wenn die Produkte ungefähr zu gleichen Preisen angeboten werden wie die fleischigen, funktionieren sie. Unser vegetarischer Schinken Spicker liegt daher exakt auf dem gleichen preislichen Niveau wie das Original mit Fleisch.

S. Ladage: Es darf durchaus Qualitätsunterschiede geben, die sich auch über den Preis darstellen. Um Wiederholungstäter zu gewinnen, brauchen wir aber qualitativ hochwertige Produkte mit gutem Geschmack und gutem Mundgefühl. Diese besondere Qualität darf dann auch ihren Preis haben.

Bredack: Man kann ein Preispremium in dem Segment durchsetzen, das beweisen wir u. a. mit unserer Premium-Eigenmarke und vielen besonderen Importartikeln. Preispunkte sind in der Warengruppe noch nicht wirklich gesetzt. Wir verkaufen beispielsweise erfolgreich vegane Pizza zum Stückpreis von 4,99 Euro bis 8,99 Euro.

Wie sollten die Produkte im Handel platziert werden? Im eigenen Regal oder zugeordnet in den Produktgruppen?
Röthemeier: Die Präsentation im eigenen Block ist sinnvoll.

Bredack: Wir arbeiten mittlerweile mit einer Reihe von Handelsketten als Lieferant zusammen und übernehmen dabei vor allem die Gestaltung des Sortiments, ersparen dem Handel also viel im Category Management. Vegetarische und vegane Produkte müssen im Block präsentiert werden, um Kompetenz zu zeigen. Unsere Empfehlung ist aus der Erfahrung heraus dabei jedoch ganz klar: Vegane Produkte müssen getrennt von vegetarischen Artikeln präsentiert werden, also zwei Sektionen geschaffen werden. Perspektivisch wird es jedoch dahin gehen, dass die Zuordnung in den Sortimenten erfolgt, der Verbraucher also immer wieder vor die Wahl gestellt wird „Wurst“ oder „fleischfreie Alternative“.

Röben: In zwei bis drei Jahren wird es normal sein, vegetarische und vegane Artikel zugeordnet neben Fleisch- und Geflügelprodukten zu finden.

S. Ladage: Für das Bio-Sortiment hat die Zuordnung zum konventionellen Angebot deutliche Absatzsteigerungen gebracht. Das kann hier genauso funktionieren.

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Bild öffnen Vegane Produkte müssen im LEH getrennt von
vegetarischen Artikeln präsentiert werden, also zwei Sektionen
geschaffen werden. Jan Bredack
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Bild öffnen Es darf bei vegetarischen und veganen Produkten
durchaus Qualitäts-Unterschiede geben, die sich
auch über den Preis darstellen. Stefan Ladage
Bild öffnen In drei Jahren wird es normal sein, vegetarische und
vegane Artikel zugeordnet neben Fleisch- und Geflügelprodukten zu finden. Godo Röben
Bild öffnen Gastronomie im Handel ist ein wichtiges Thema. Noch
ehe ich jedoch kaum vegane Angebote außerhalb großer Städte. Reagieren wir zu langsam? Horst Röthemeier
Bild öffnen Überzeugungsarbeit können wir bei Mitarbeitern wie
Verbrauchern nur erfolgreich leisten, wenn wir über den
Faktor Genuss gehen. Kerstin Ladage