Ladendiebstahl Prävention mit klaren Regeln

Bei rund 20 Prozent der Diebstähle im Handel haben die eigenen Mitarbeiter die Hände im Spiel. Präzise organisatorische Anweisungen helfen bei der Vorbeugung.

Sonntag, 17. August 2014 - Management
Susanne Klopsch
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Das Thema ist unangenehm. Eigentlich redet keiner gerne darüber. Doch es geht um Geld. Um richtig viel Geld. Auf rund 900 Mio. Euro schätzt das EHI Retail Institute in Köln den Schaden, der im gesamten Einzelhandel durch unehrliche Mitarbeiter allein im Jahr 2013 entstanden ist. Und da lohnt es sich für jeden Händler, das unangenehme Thema offensiv anzugehen. Das fängt für Frank Horst, Leiter der Forschungsbereiche Inventurdifferenzen und Sicherheit beim EHI Retail Institute (EHI), schon bei der Einstellung eines Mitarbeiters an. Er hält die von Psychologen entwickelten Integritätstests für durchaus geeignet, um Hinweise zu erhalten, ob ein Bewerber ein integrer, leistungsmotivierter und verlässlicher Mitarbeiter sein könnte. „Die Trefferquote ist hoch“, sagt Horst. In den USA werden diese Tests bei etwa der Hälfte der Bewerbungsverfahren eingesetzt. In Deutschland liegt die Quote erheblich niedriger (nach Schätzungen der Branche bei unter 5 Prozent). Die genannten Tests werden von einer Reihe von Unternehmen angeboten.

Wer auf dieses Instrument nicht zurückgreifen will, der kann eine einfache Regel im Unternehmen umsetzen. „Ich empfehle immer, mit klaren organisatorischen Anweisungen den Rahmen vorzugeben“, sagt Frank Horst, „denn dann wissen die Mitarbeiter, wie sie sich verhalten sollen, und es gibt keine Missverständnisse.“ Beispiel Zigarettenpause: Im Unternehmen ist schriftlich festgelegt, dass die Zigarettenbox des Mitarbeiters mit einem bestimmten Zeichen gekennzeichnet ist und ein Vorgesetzter mit Unterschrift bestätigt, dass dies die Zigaretten des Mitarbeiters sind. So kann die Pause entspannt angegangen werden. Um Kungeleien mit Lieferanten zu unterbinden, empfiehlt sich laut Horst das Vier-Augen-Prinzip mit Unterschrift bei der Warenannahme, „um Tatgelegenheiten zu reduzieren“. Gleiches gelte für Retourenannahmen.

Verbindliche Regeln hält Horst auch für ein probates Mittel, um für Klarheit an der Kasse zu sorgen. Etwa wenn ein Kunde an der Kasse 1 oder 2 Cent Wechselgeld liegen lässt bzw. der Kassiererin mit den Worten „Das können Sie ruhig behalten“ wieder zurückgibt: Wenn klar ist, dass das Geld wieder in die Kasse kommt oder in ein gesondertes „Sparschwein“ an der Kasse, dann kann es keinen Loyalitätskonflikt geben. Auf die Redlichkeit des Kassierers kommt es auch in dem Augenblick an, in dem ein Kunde, der es besonders eilig hat, den 5-Euro-Schein aufs Kassenband legt, sich die Zigaretten greift und schon aus dem Laden raus ist, bevor die Ware überhaupt eingescannt werden kann. Loyalität lässt sich nicht erzwingen, in einem „angenehmen und nicht auf Druck basierenden Betriebsklima werden Sie aber eher loyale Mitarbeiter haben“, so die Erfahrung des EHI-Experten.

Wer Regeln aufstellt, der sollte allerdings auch hin und wieder dokumentieren, dass er deren Einhaltung kontrolliert. Das kann etwa durch professionelle Testkäufer geschehen, die das Verhalten der Mitarbeiter im Laden beobachten. Die Ergebnisse können anschließend anonymisiert mit der Belegschaft besprochen werden. „Wissen Mitarbeiter, dass kontrolliert wird, dann erhöht das die Hemmschwelle“, sagt Horst.

Unredliche Mitarbeiter, so zumindest die Erfahrung der Polizei, wollen meist schnell an Bargeld gelangen. Erreicht werde dies vor allem durch Manipulationen an der Kasse: Dazu zählen „Tricks“ mit Leergut-Bons, beim Umtausch oder Retouren sowie Stornos und 1-Cent-Buchungen. Aus Sicht des EHI-Experten Frank Horst lohnt es sich für Händler daher, moderne Kassensoftware zu nutzen. Programme können nach auffälligen Mustern suchen, die Hinweise geben auf Fehlverhalten: Die Kasse wird in einer bestimmten Schicht immer wieder für 1- oder 2-Cent-Beträge geöffnet, Nullbons oder Stornos häufen sich, die Summen der Leergutbons sind auffällig häufig immer wieder glatte Summen (5 oder 10 Euro). All das sind zwar nur Hinweise auf ein mögliches Fehlverhalten: Dennoch kann dies in Teambesprechungen offen und anonymisiert angesprochen werden, sodass der so entstehende soziale Druck weiteres Fehlverhalten unterbindet bzw. gar nicht erst entstehen lässt. „Wenn Mitarbeiter überführt werden, stellt man häufig fest, dass sie am Anfang mit kleinen Beträgen in großen Zeiträumen beginnen und dass dann die Beträge und Häufigkeit ansteigen, wenn sie nicht erwischt werden“, sagt Horst.

Die Installation von Videokameras in den Verkaufsräumen hält Horst grundsätzlich für eine gute Idee. Er plädiert aber dafür, den Mitarbeitern zu verdeutlichen, dass diese vor allem ihrem Schutz dienen, etwa bei Überfällen, oder als Beweismittel für die Überführung von Ladendieben, und nicht als reine Überwachungsinstrumente zu sehen sind.

Und was kann ein Mitarbeiter tun, der die Befürchtung hat, ein Kollege hat etwa an der Kasse manipuliert, und der diesen Verdacht nicht dem Marktleiter oder Inhaber erzählen möchte? Er kann sich an einen Obmann wenden, den es laut Horst in jedem größeren Handelsunternehmen gibt. Dieser, meist ein Rechtsanwalt, geht dem Verdacht nach, ohne die Identität des Tippgebers zu enthüllen.