Zwei Seiten Verordnung nicht optimal?

Die EU-Kommission hat Pläne für eine Reform der europäischen Öko-Verordnung vorgestellt. Diese stoßen, wie zu erwarten, nicht durchgehend auf Zustimmung.

Freitag, 18. Juli 2014, 19:43 Uhr
Susanne Klopsch
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„Europäische Produktion könnte erschwert werden“

Der Weltmarkt für Bio-Erzeugnisse hat sich in den vergangenen zehn Jahren vervierfacht. Welche Weichen müssen gestellt werden, Erzeugung und Handel von Bio-Produkten in Europa zu unterstützen und gleichzeitig das Vertrauen der Kunden in Bio-Lebensmittel zu stärken? Aus der Sicht des Einzelhandels gelingt der EU-Kommission mit ihrem Verordnungsvorschlag diese Weichenstellung nicht optimal. Die vorgeschlagene Verschärfung der Produktionskriterien birgt das Risiko, dass die europäische Produktion zugunsten von unter Umständen betrugsanfälligeren Drittlandimporten unverhältnismäßig erschwert wird. Das könnte hiesige Bio-Betriebe überfordern, im Extremfall könnte das zu Insolvenzen führen. Dies hat Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette, da damit gegebenenfalls die erforderlichen und der Nachfrage entsprechenden Produktionsmengen nicht mehr sichergestellt werden können, ohne auf importierte Ware zurückzugreifen. Die Kommission schafft zudem neue Hürden für Produktion und Handel. So wird u. a. eine Pflicht zur Einrichtung eines Umweltmanagementsystems eingeführt. Ein anderes Beispiel ist die Ausweitung der Zertifizierungspflicht auf Einzelhandelsfilialen und Einzelprodukte – unabhängig davon, ob das Unternehmen lose oder verpackte Ware vertreibt. Dies würde bei verpackten Bio-Produkten keinen erkennbaren Mehrwert für die Lebensmittelsicherheit oder für die Verbraucher bringen, da diese Produkte im Einzelhandel durchgehandelt werden. Es bleibt zu hoffen, dass EU-Parlament und Ministerrat ihre Korrekturfunktion wahrnehmen.

Miriam Schneider, Referentin EU-Lebensmittelrecht, HDE-Büro Brüssel

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„Gleiche Standards sind grundsätzlich zu begrüßen“

Einheitliche Standards für Bio-Produkte bringen viele Vorteile mit sich. Gerade auch, weil EU-Mitgliedsstaaten bisher zu viele Möglichkeiten hatten, die Definition von „bio“ individuell auszulegen. Daher begrüßen wir, dass Brüssel mit einer Überarbeitung der Öko-Verordnung die Standards EU-weit angleichen will. Immerhin müssen Betriebe jetzt komplett auf „bio“ umstellen, wenn sie ihre Ware mit dem Bio-Siegel kennzeichnen wollen. Das erleichtert die Kontrolle. Mit dem Öko-Gedanken ist aber auch der standortgerechte Anbau untrennbar verbunden. Welche Produkte die Bauern wie anbauen, hängt von Klima, Boden und der Verfügbarkeit von Wasser und Dünger ab. Zudem spielt die Kultur des jeweiligen Landes eine Rolle. Bei der Definition von Bio-Standards sollte der Verordnungsentwurf diese regionalen Unterschiede ausführlicher berücksichtigen. Die EU-Kommission sollte bei zwei weiteren dringenden Problemen nachbessern. Erstens sollte die neue Verordnung einen Zeitplan vorgeben, der festlegt, ab wann die Landwirte gewährleisten können, dass ihr Bio-Gemüse aus Bio-Saatgut stammt. Denn derzeit kommt der Bio-Anbau noch nicht ohne konventionelle Züchtungen aus. Zweitens muss die EU die Verursacher von Verunreinigungen stärker in die Verantwortung nehmen. Bisher haften Bio-Bauern für belastete Produkte, auch wenn nicht zugelassene Stoffe vom Nachbarhof stammen. Wir fordern, dass derjenige haftet, der die Stoffe freisetzt. Der Entwurf zur Öko-Verordnung enthält gute Ansätze, die EU-Kommission ist aber aufgefordert, an zentralen Stellen nachzubessern.

Jutta Jaksche, Referentin Bereich Lebensmittel, Verbraucherzentrale Bundesverband