Interview mit Renate Künast „Mit dem Einkaufskorb Politik machen“ - Was sind denn die Anfänge?

Das Interesse der Menschen am Thema Ernährung wird weiter wachsen. Sagt Renate Künast, Vorsitzende des Ausschuss Recht und Verbraucherschutz im Bundestag.

Freitag, 27. Juni 2014 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild „Mit dem Einkaufskorb Politik machen“ - Was sind denn die Anfänge?
Bildquelle: Santiago Engelhardt

Was sind denn die Anfänge?
Nehmen Sie „Urban Gardening“, also die Nutzung städtischer Flächen für Gemüse- oder Obstanbau. Oder neue Konzepte wie die Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg, wo es um „Anders Essen“ und „Anders Einkaufen“ geht. Oder auch die Bewegung der „Foodies“, die das tägliche Essen eben sehr ernst nehmen. Da geht es – ausgehend von Qualität und Geschmack – immer auch um Umwelt- und Tierschutz, Regionalität und Saisonalität, handwerkliche Produktion.

Aber der Anteil solcher Konzepte, Produkte etc. ist doch gering?
Noch. Natürlich haben wir auf der anderen Seite große, global agierende Konzerne, die komplexe globale Lieferketten für ihre Roh- und Zusatzstoffe haben und die Verbraucherinnen und Verbraucher häufig im Unklaren darüber lassen, woher genau die einzelnen Zutaten stammen.

Na, auch die denken um und werden nachhaltiger...
Müssen sie auch. Der Druck auf sie nimmt zu. Und im digitalen Zeitalter verbreiten sich auch kritische Informationen immer schneller.

Sind die Verbraucher angesichts quasi täglicher Meldungen über echte oder vermeintliche Lebensmittelskandale nicht längst abgestumpft?
Fakt ist, das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lebensmittelwirtschaft ist gering. Hier haben die Unternehmen eine klare Bringschuld. Transparenz und Öffentlichkeit sind dabei die Voraussetzung für Veränderung.

Wo sehen Sie direkte Risiken für Lebensmittel im Supermarkt?
Ich denke, die Supermärkte wissen sehr gut mit Hygiene, Kühlkette und Sauberkeit umzugehen. Trotzdem könnte sich der Handel noch stärker einbringen für mehr Lebensmittelsicherheit und Transparenz. Er könnte mehr Druck auf die Politik ausüben, damit Lebensmittelkontrollen zur Krisenvorbeugung verstärkt werden.

Was sind Ihre Vorstellungen, um Lebensmittel sicherer zu machen?
Wir brauchen mehr Krisenvorbeugung durch verstärkte Kontrollen. Wir brauchen ein Frühwarnsystem, das sich mit den kritischen Bereichen auf Bundes- und Europa-Ebene auseinandersetzt – und zwar kontinuierlich. Dafür brauchen wir Spezialeinheiten bei den Lebensmittel-Kontrolleuren, die auf Länderebene angesiedelt sein müssen. Außerdem Spezialdezernate bei den Staatsanwaltschaften, weil das Thema so komplex geworden ist, dass Qualifizierung und Spezialisierung nötig sind. Mehr Transparenz und Offenlegungspflichten über die gesamte Kette sind unerlässlich. Unternehmen müssen also in die Pflicht genommen werden, aber sie profitieren davon auch, wenn sie zum Beispiel mit sicheren deutschen Lebensmitteln werben können.

Da spüren Sie den Gegenwind ja sicher schon ...
Klar, aber der Kern ist: Verbraucher haben ein Recht, zu wissen, was drin ist. Ohne ergänzende Kontrolle geht das nicht. Es ist auch im Interesse des Lebensmittelhandels, wenn Kunden bewusster einkaufen, werden Qualität und Transparenz immer wichtigere Kriterien für Kaufentscheidungen. Das Ganze ist also auch ein Weg, um der Preis-Diskussion zu entkommen.

Wenn Sie selber einkaufen, worauf achten Sie?
Regional, saisonal und ökologisch darf es schon sein. Das hat auch etwas mit Lebensqualität zu tun. Und ich gehe gerne auf den Markt, weil ich die Atmosphäre genieße und es da in jeder Hinsicht noch echte Originale gibt.

Zur Person

Renate Künast führt als Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz ihre Arbeit als ehemalige Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft gewissermaßen fort. Künast stammt aus Recklinghausen, arbeitete als Sozialarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel. Später studierte sie Jura und ist Rechtsanwältin. Politisch engagierte sie sich zunächst in der Westberliner Alternativen Liste und kam später zu den Grünen.

Ihre Hartnäckigkeit ist erprobt: Über ihre frühe Förderung von Bioprodukten lachten noch einige. Auch den Vorschlag des Veggie-Day nahmen wenige ernst. Die Marktentwicklung allerdings dürfte Lacher verstummen und die Reaktion auf ihre These einer „Umweltpolitik mit Messer und Gabel“ ernsthafter ausfallen lassen.

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