Warenverkaufskunde Fermentieren - WVK Fermentieren: Teil 2

Säuern, gären, räuchern, reifen: Seit Jahrhunderten sind Techniken des Haltbarmachens in allen Kulturen verankert. Mit dem Trend zum Selbermachen erobern sie ihren Platz in der heimischen Küche zurück.

Freitag, 11. März 2016 - Warenkunden
Nicole Ritter
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Aufbruch in der Küche

Heiko Antoniewicz ist einer der Vorreiter der modernen deutschen Küche. Intensiv hat er sich mit dem Thema Fermentation befasst und die Techniken verfeinert.

Herr Antoniewicz, was verbinden Sie mit Sauerkraut?
Wenn man über Fermentation spricht, ist Sauerkraut eines der typischen Gerichte, die wir dann im Kopf haben. Es gibt eine Vielzahl von Produkten, die durch Fermentation entstehen. Das Entscheidende ist: Sie brauchen Zeit, um zu reifen.

Ist beim Fermentieren im Bewusstsein, dass der Prozess da beginnt, wo das Leben endet?
Ja, da beginnt der Reifeprozess. Wenn man das ins 21. Jahrhundert übersetzt, heißt das: Wenn man eine Flasche frischen Saft aufmacht und die in den Kühlschrank stellt, dann stellt sich auch so etwas wie Fermentation ein. Wir verarbeiten rohe Grundstoffe und legen sie in Essig oder Salzlake ein oder zuckern oder es wird durch ein Trocknungsverfahren fermentiert – das geschieht auch bei Tee, Kaffee oder Vanille.

Das Verfahren wirkt einfach, aber ist es das auch?
Nein, man kann nicht einfach Gemüse in einen Steintopf packen und denken, das funktioniert dann schon. Man muss die Gefäße pflegen und man muss wissen, wie man die Lebensmittel behandelt: Wie lange muss etwas in der Wärme stehen, bei welchen Temperaturen, welcher Luftfeuchtigkeit? Es entsteht eine Verbindung zu den Lebensmitteln, die man über einen langen Zeitraum betreut; vier, sechs, acht Wochen, manchmal länger. Auch ein Kellermeister steht nachts auf, weil er weiß, er muss die Hefe vom Wein nehmen. Das ist natürlich auch ein sehr emotionaler Augenblick. Man merkt, dass etwas reif ist. Am wenigsten kann man falsch machen, wenn man beim Fermentieren mit traditionellem Obst und Gemüse anfängt und sich nach und nach an neue Produkte traut. Wenn Obst oder Gemüse umkippt, riecht man dies. Botulismus bei Fleisch oder Fisch hingegen kann man nicht riechen. Deshalb sollte man diese Produkte erste fermentieren, wenn man mehr Erfahrung gesammelt hat oder eine Fa chmann hinzuziehen.

Tipps:
wozu der Fachmann Rät
  • Hygiene: Es ist nicht notwendig, steril zu arbeiten; sauberes und vorsichtiges Arbeiten unter Berücksichtigung der Hygienerichtlinien ist aber unverzichtbar.
  • Temperatur: Bei Reife und Lagerung spielt die Temperaturkontrolle eine wichtige Rolle.
  • Geduld: Den richtigen Reifegrad eines Lebensmittels herauszufinden, ist eine Frage von Zeit, Experimentierfreude und Geduld.
  • Haltbarmachen: Ist der Reifeprozess abgeschlossen, kann man fermentierte Produkte auch pasteurisieren und den Prozess somit stoppen.

Wie stark muss man die alten Techniken standardisieren, um zu guten Ergebnissen zu kommen?
Man kann zum Beispiel den pH-Wert messen und regeln. Es reicht schon, die Prozesse nur teilweise zu standardisieren. Denn auch bei einer traditionellen Fermentation bekommt man ein Gefühl dafür, wann das Produkt reif ist. Ein großer Vorteil zu früher, der die Prozesse deutlich kontrollierbarer macht, ist das Kühlhaus. Und mit den heutigen Möglichkeiten können wir Fermentiertes im Anschluss sogar pasteurisieren. Hygiene ist beim Fermentieren ein wichtiger Aspekt. Eine ganze Charge kann schnell verderben, wenn man das Lebensmittel mit bloßen Händen anfasst.

Ist das Verfahren auch eine Bewegung gegen das Perfekte, die Geschwindigkeit der heutigen Zeit?
Fermentation sehen wir nicht als eine Bewegung gegen Perfektion. Perfektion hat ihre Berechtigung in der Küche. Auch beim Fermentieren muss man auf den richtigen Reifegrad achten, also auf den Punkt fermentieren. Wir sehen es also eher als Bereicherung des bestehenden Wissens. Wir haben gelernt, sehr steril und homogen zu essen. Daran haben sich auch unsere Körper gewöhnt. Wir freuen uns über Champagner, aber im Essen wollen wir das Prickeln nicht haben. Dabei sind Milchsäurebakterien aus dem Fermentationsprozess von zum Beispiel Sauerkraut gut für den Körper und besonders für die Darmflora. In unseren Workshops möchten wir die Vorbehalte gegenüber fermentierten Lebensmitteln entkräften und den Spaß an neuen alten Geschmackserlebnissen und Wissen um die Möglichkeiten für die Küche weitergeben.

Moderne Kochkunst mit alten Methoden

Gemeinsam mit seinem guten Freund und ebenfalls begeisterten Koch Adrien Hurnungee revitalisierte Heiko Antoniewicz, Vordenker der modernen deutschen Küche, alte Techniken für seine Arbeit. Nun liegt die Dokumentation der Entwicklungen mehrerer Jahre in Buchform vor. Der Schweizer Molekularbiologe Michael Podvinec begleitete und erläuterte die bio-chemischen Prozesse, Fotograf und Gestalter Thomas Ruhl inszenierte Zutaten und Gerichte. Die Autoren erläutern Handwerk und Wirkungsweise der Fermentation mit Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien. Wo sich das Experiment lohnt und wo Vorsicht geboten ist, stellen sie ebenso dar wie die Möglichkeiten, auch aus spontan fermentieren Produkten sichere Lebensmittel zu machen, denen ein HACCP-Regelwerk nichts anhaben kann.

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Bild öffnen Kimchi & Co.: Auch die asiatische Küche ist für das Fermentieren bekannt.

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