Tiktok weiter in der Diskussion Kniffliger Spagat

Influencer werden aus Verbrauchersicht immer wichtiger. Das erschwert dem LEH einen möglichen Tiktok-Abschied zusätzlich.

Freitag, 16. Juni 2023 - Social Media
Thomas Klaus
Artikelbild  Kniffliger Spagat
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Es ist eine Gratwanderung: Auf der einen Seite beobachten die Lebensmitteleinzelhändler die Entwicklung auf Tiktok genau und sind grundsätzlich bereit zum Absprung (siehe LP, Heft 10). Auf der anderen Seite wissen sie, wie bedeutsam diese Plattform bei der jüngeren Zielgruppe geworden ist – und dass ein Abschied schmerzvoll werden könnte. Diesen Eindruck hat LP nach Gesprächen mit einigen Entscheidungsträgern der LEH-Branche zum Thema „Tiktok-Verzicht“ gewonnen.

In der Spagat-Position findet sich auch Aldi Süd, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Discounter bringt es auf mehr als 280.000 Tiktok-Follower. Vor allem bei den Jugendlichen ab 13 Jahren sei Tiktok sehr beliebt – entsprechend hoch die Bedeutung für Aldi Süd beim „gezielten Ansprechen und Abholen dieser Gruppe“. Darauf weist Unternehmenssprecherin Anna-Maria Lennertz auf LP-Anfrage hin. Oberste Maxime sei jedoch ein „sicheres und unterhaltsames Erlebnis“.

Kein Tiktok-Verbot in Sicht
Beim Engagement sei entscheidend, dass sich die Inhalte auf Tiktok sowohl an den Unternehmenswerten von Aldi Süd als auch an den umfassenden Community-Richtlinien der Plattform orientieren müssten. Die Unternehmenssprecherin betont, dass ein generelles Tiktok-Verbot in Deutschland nicht ernsthaft zur Debatte stehe. Gleichwohl werde aber die „gesamtgesellschaftliche Diskussion um Social-Media-Plattformen wie Tiktok von Aldi Süd weiterhin sehr aufmerksam“ verfolgt.

Nicht nur auf Tiktok nimmt der Einfluss der Influencer auf die Kaufentscheidungen zu. Jüngster Beleg: Für den jährlich erscheinenden Social-Media-Atlas der Kommunikationsagentur PER hatte der Marktforscher Toluna im Dezember 2022 und Januar 2023 repräsentativ 3.500 Internet-Nutzer ab 16 Jahren befragt. Im Mai wurden die Ergebnisse veröffentlicht.

Negativbeispiel Fragrance
Demnach lassen sich 41 Prozent der 16- bis 29-Jährigen von der Social-Media-Prominenz stark inspirieren. Mit zunehmendem Alter sinkt diese Quote, steigt allerdings insgesamt betrachtet seit Jahren. PER-Geschäftsführer Dr. Roland Heintze rät: „Unternehmen kommen nicht mehr darum herum, sich mit möglichen Kooperationen mit Influencern auseinanderzusetzen.“ Selbstverständlich ebenfalls auf Tiktok.

Nicht immer geht eine solche Zusammenarbeit gut. Davon kann Aldi Nord ein aktuelles Lied singen. Im Mai trennte sich der Discounter von seinem Influencer Jeremy Fragrance, der wegen angeblich sexistischer Sprüche in Ungnade gefallen war. Social-Media-Präsenz ist eben, über Tiktok hinaus, stets eine knifflige Gratwanderung.