Bei Verbrauchern löst ein Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) zuweilen Irritationen aus. Sind Schäden zu befürchten, und darf ein derartiges Erzeugnis überhaupt noch verkauft werden?
Zur Person:
Rechtsanwalt Martin Kieffer ist auf den Bereich Lebensmittelrecht spezialisiert. Dazu zählen Futtermittelrecht, Wettbewerbs-, Marken- sowie Zoll- und Agrarrecht. Kieffer war einige Jahre Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Spirituosen- Industrie und Importeure.
Ein grosser Unterschied
Zunächst ist das Mindesthaltbarkeitsdatum vom Verbrauchsdatum zu unterscheiden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum gibt nach seiner gesetzlichen Definition an, wie lange ein Produkt seine spezifischen Eigenschaften beibehält – vorausgesetzt, es wird unter den vom Hersteller angegebenen Lagerbedingungen aufbewahrt. Dabei fallen unter „spezifischen Eigenschaften“ Kriterien wie Aussehen, Geruch, Farbe, etc. Die Mindesthaltbarkeit sagt nichts darüber aus, dass nach dem angegebenen Zeitraum das Lebensmittel wertgemindert oder zum Verzehr ungeeignet wäre. Ebenso wenig stellt das MHD eine Garantie dar.
Wenn also ein Jogurt das MHD „mindestens haltbar bis zum…“ trägt, steht dies für die Information des Herstellers, dass das Erzeugnis seine spezifischen Eigenschaften (Nährwert- und Genusswert) mindestens bis zum Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums behält. Das heißt nicht, dass es nach dessen Ablauf seine spezifischen Eigenschaften verliert.
Ganz anders das Verbrauchdatum: wenn auf einem Produkt die Kennzeichnung „zu verbrauchen bis…“ angebracht ist, handelt es sich um ein leicht verderbliches Lebensmittel. Ist das Verbrauchsdatum erreicht, so kann dessen Verzehr gesundheitsschädlich sein. Unter leicht verderblichen Lebensmitteln werden solche verstanden, die in mikrobiologischer Hinsicht in kurzer Zeit leicht verderben und deren Verkehrsfähigkeit nur bei Einhaltung bestimmter Temperaturen oder sonstiger Bedingungen erhalten werden kann. Dazu gehören insbesondere rohes Fleisch, roher Fisch, ab er auch abgepackte frische Salate.
Daraus folgt: Lebensmittel, welche das MHD erreicht haben, sind unbedenklich zu verzehren, während jene, die das Verbrauchsdatum überschritten haben, eine Gefährdung für die Gesundheit darstellen können. Das Inverkehrbringen von Lebensmitteln nach Ablauf des Verbrauchsdatums ist verboten. Ist also das Verbrauchsdatum auf frischem Fisch oder Hackfleisch abgelaufen, dürfen derartige Produkte nicht mehr verkauft werden.
Erhöhte Sorgpfaltspflichten
Erzeugnisse mit abgelaufenem MHD wie Jogurt, pasteurisierte Milch, Käse, etc. können weiter verkauft werden. Nichtsdestoweniger treffen den Händler erhöhte Sorgfaltspflichten. Er muss nämlich kontrollieren, ob die Ware noch einwandfrei ist. Ist dies nicht der Fall, so darf sie nicht im Verkauf verbleiben. Der Händler darf wie jeder andere Lebensmittelunternehmer nur sichere Produkte in den Verkehr bringen: das heißt, von ihnen dürfen keine Gesundheitsgefahren ausgehen, oder diese dürfen für den Menschen nicht inakzeptabel geworden sein. Ein mit Schimmel behafteter Jogurt wäre zum Verzehr ungeeignet und müsste aus dem Verkehr gezogen werden.
Wenn die Lebensmittel nach Ermessen des Anbieters keinerlei Schäden angenommen haben, können sie weiterhin verkauft werden. Eine Frist, wie lange dies geschehen darf, existiert nicht.
Nach Paragraf 11 Abs. 2 Nr. 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) muss der Händler sich aber sorgfältig über die Beschaffenheit des Lebensmittels vergewissern und, sofern eine Wertminderung eingetreten ist, dies in jedem Falle kenntlich machen. Liegt also eine Wertminderung unterhalb der Schwelle zur „Ungeeignetheit zum Verzehr“ vor, kann das Produkt unter entsprechender Kennzeichnung weiter verkauft werden. Ein Fruchtsaft, der ein wenig seine Farbe verändert hat, wäre noch als sicher bzw. als noch nicht zum Verzehr ungeeignet zu bewerten, weist jedoch eine Wertminderung auf,
Erfolgt die Kenntlichmachung nach Paragraf 11 Abs.2 LFGB nicht, so erfüllt dies den Straftatbestand des Parafraf 59 Abs.1 Nr.9 LFGB. Verstöße dagegen können mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe belegt werden.
Darauf sollten Sie achten:
- Ist das Verbrauchsdatum bei leicht verderblichen Lebensmitteln abgelaufen, dürfen diese nicht weiter verkauft werden.
- Die Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums verbietet den Weiterverkauf nicht. Allerdings müssen die Produkte bzw. die Abteilung, in der solche Erzeugnisse angeboten werden, besonders gekennzeichnet sein.
- Unabhängig davon hat der Händler sich zu vergewissern, ob die Produkte noch sicher sind, das heißt, sie dürfen nicht gesundheitsgefährdend geworden sein oder für den Menschen zum Verbrauch inakzeptabel sein.
- Will ein Händler Lebensmittel mit abgelaufenem MHD anbieten, treffen ihn in Bezug auf die Zusammensetzung und Kennzeichnung erhöhte Sorgfaltspflichten.
Mindesthaltbarkeitsdatum offen Kommunizieren
Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg ist der Händler immer verpflichtet, also nicht nur bei Wertminderungen bezogen auf den Nähr- oder Genusswert (Farbe, Geruch, Konsistenz), den Kunden auf die Überschreitung des MHD aufmerksam zu machen. Begründet wird dies damit, dass der Kunde davon ausgehen kann, in einem Supermarkt nur einwandfreie Waren vorzufinden, wozu abgelaufene Lebensmittel nicht zählen (OLG Hamburg, 01.02.2001, 3 U 187/99). Ein Kunde, der ohne es zu wissen, abgelaufene Ware gekauft hat, hat somit das Recht, diese umzutauschen.
Entgegen weit verbreiteter Meinung ist ein Händler rechtlich nicht dazu verpflichtet, die betreffende Ware im Preis zu reduzieren. Viele Anbieter machen dies allerdings, um abgelaufene Lebensmittel schneller ab verkaufen zu können.
Dieser Artikel wurde zuerst am 21.12.2017 auf www.regalplatz.com veröffentlicht.