Länderreport Thüringen Thüringen reformiert - Länderreport Thüringen: Interview mit Birgit Keller

Der Freistaat strebt im Lutherjahr nach Erneuerung, etwa der Qualitätskriterien und Vermarktungsstrategien für regionale Lebens‧mittel.

Mittwoch, 26. April 2017 - Länderreports
Nicole Ritter
Artikelbild Thüringen reformiert - Länderreport Thüringen: Interview mit Birgit Keller
Zweistufig: Ministerin Keller mit dem neuen Siegel (r.).
Bildquelle: Getty Images
Interview mit Birgit Keller - Die Region stärken

Die Wertschöpfung regionaler Produkte erhöhen: Thüringens Landwirtschaftsministerin Birgit Keller erklärt, wie das geht.

Mit welchem Ziel wurde das Thüringer Qualitätszeichen initiiert, wie hat es sich entwickelt?
Das Zeichen gibt es inzwischen seit 25 Jahren. Das Ziel von damals ist das gleiche wie heute: Mit dem Qualitätszeichen wollen wir den Absatz Thüringer Produkte erhöhen. Es soll Landwirte und Verarbeiter gleichermaßen unterstützen. Seit seiner Einführung im April 1992 haben sich die Bedingungen für den Anbau und die Herstellungsverfahren von Produkten genauso verändert, wie die Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Wunsch der Menschen nach Transparenz und Regionalität ist gestiegen. Dies beeinflusst auch die Erwartungen an ein solches Zeichen. Diesen Erwartungen haben wir uns gestellt und das Zeichen „Geprüfte Qualität aus Thüringen“ mit den neuen Bestimmungen auf mehr Transparenz und Regionalität ausgerichtet.

Welche Neuerungen gibt es konkret? Was sind Gründe für die Überarbeitung der Bestimmungen?
Künftig soll noch mehr Thüringen in den Thüringer Produkten stecken. Das bedeutet, dass der Anteil von Thüringer Rohstoffen in verarbeiteten Lebensmitteln wie Tee, Bratwurst und Klößen nun mehr als 90 Prozent betragen muss, damit hier „Geprüfte Qualität aus Thüringen“ draufstehen kann. Der vorgeschriebene Rohstoffanteil aus Thüringen liegt damit mehr als 40 Prozent höher als in der Vergangenheit. Weil wir wissen, dass diesen Sprung nicht alle Firmen sofort schaffen, gibt es für eine Übergangszeit ein zweites Zeichen. „Hergestellt in Thüringen“ darf ein Produkt heißen, wenn es hier verarbeitet wurde und wie bisher einen Rohstoffanteil aus Thüringen von mindestens 50,1 Prozent aufweist. Damit wollen wir den Herstellern die Chance geben, ihr Bezugskonzept umzustellen und den Anteil Thüringer Rohstoffe zu erhöhen.

Inwiefern kann das Qualitätszeichen Ihres Erachtens nach die Wertschöpfungskette in Thüringen stärken?
Für viele Verbraucher ist es wünschenswert, dass das Lebensmittel, das sie einkaufen – einschließlich der enthaltenen Rohstoffe – aus der Region kommt. Zudem sollte dieses Lebensmittel schnell zu erkennen sein. Genau hier leistet das Zeichen einen wichtigen Beitrag. Bei den vielen Produkten in den Supermärkten ist es eine Orientierungshilfe und ein Argument, sich genau für das jeweilige Produkt zu entscheiden. Das kommt den Herstellern zugute und damit auch den Rohstofflieferanten, den Landwirten aus dem Freistaat. Die Erhöhung des vorgeschriebenen Rohstoffanteils aus Thüringen ist zudem ein wichtiger Beitrag zu unserem Ziel, regionale Wertschöpfungsketten zu stärken, da die Lebensmittelhersteller ihre Rohstoffe verstärkt aus Thüringen beziehen anstatt überregional einzukaufen.

Gelten die neuen Güte- und Prüfbestimmungen für alle Produktgruppen gleichermaßen, oder gibt es eine Differenzierung?
Die Güte- und Prüfbestimmungen sind produktgruppenspezifisch. Das bedeutet, sie umfassen Qualitätsparameter, die für die jeweilige Produktgruppe relevant sind. Beispielsweise werden Brot- und feine Backwaren unter anderem auf das Schimmelpilzgift Deoxynivalenol (DON) untersucht. Es muss gewährleistet sein, dass mit dem Thüringer Qualitätszeichen gekennzeichnete Produkte hier einen deutlich niedrigeren Gehalt aufweisen, als gesetzlich erlaubt ist. Bei Fleisch gilt generell, dass die Güte- und Prüfbestimmungen besondere Anforderungen an das Tierwohl stellen.

Wie werden zertifizierte Unternehmen in der Umstellung begleitet und unterstützt?
Es gibt Lebensmittelhersteller, die bereits vorwiegend regionale Rohstoffe verwenden und sich aktiv um entsprechende Bezugsquellen bemühen. Für andere Unternehmen ist es schwierig, ein Lebensmittel vollständig aus regionalen Rohstoffen herzustellen, zum Beispiel weil diese hier nicht erhältlich sind. Um die regionale Wertschöpfungsketten zu sichern und weiter zu stärken, ist es aus meiner Sicht nötig, die Kommunikation zwischen Erzeugern und Abnehmern zu intensivieren und gemeinsame Ziele zu formulieren. Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat sich deshalb bereit erklärt, eine koordinierende Funktion zwischen Verarbeitern und Rohstoffproduzenten einzunehmen. In speziellen Branchengesprächen wollen wir gemeinsam mit den Akteuren der Branche Engpässe identifizieren und Lösungsansätze erarbeiten, um die Rohstoffproduktion besser auf den Bedarf der Verarbeiter abzustimmen.

Wie wird der Mehrwert des erneuerten Qualitätszeichens für den Verbraucher kommuniziert?
Den Verbrauchern soll der Mehrwert der Produkte, die das Qualitätszeichen „Geprüfte Qualität aus Thüringen“ tragen, mit einer zielgerichteten Kommunikationsstrategie des Thüringer Agrarmarketing, vermittelt werden. Auch das sehen wir als Anreiz für die Thüringer Ernährungswirtschaft, so weit wie möglich Rohstoffe aus der Region bei der Lebensmittelherstellung zu verwenden.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Symbol der Reformation: die Wartburg über Eisenach.
Bild öffnen Zweistufig: Ministerin Keller mit dem neuen Siegel (r.).
Bild öffnen Doreen Ballauf (l.) und Elisabeth Eberlein, Geschäftsstelle Thüringer Ernährungsnetzwerk e.V.