Edeka Esslinger Weißensberg „Oifach guat“

Im Allgäu will man Heimat schmecken. In ihrem vierten Edeka-Markt spielt die Kaufmannsfamilie Esslinger das Thema auf vielfache Weise. Gemütlichkeit, ein neues Gastro-Konzept und viel Ungewöhnliches erwarten Kunden in Esslingers Markthalle in Weißensberg.

Montag, 26. Juni 2017 - Ladenreportagen
Bettina Röttig
Artikelbild „Oifach guat“
Edeka-Kaufleute in dritter und vierter Generation: Herbert und Johannes Esslinger führen die Familientradition weiter. 1936 gründete der Urgroßvater von Herbert Esslinger das erste Kolonialwarengeschäft der Familie in Neuravensburg und legte den Grundstein für das Unternehmen mit heute vier Märkten.
Bildquelle: Henry Linder
Fakten im Fokus
  • Öffnungszeiten: Sommerzeit: Mo – Sa 7 bis 20 Uhr
  • Winterzeit: Mo – Sa 7 bis 19 Uhr
  • Backstube: sonntags 7 bis 11 Uhr
  • Verkaufsfläche: 1.300qm
  • Sitzplätze im Gastro-Bereich: 35 Zusätzlich gibt es 40 Sitzplätze auf der Sonnenterrasse
  • Artikelzahl: 20.000
  • Kassen: 4

„Kompromisse mache ich nicht.“ Der Ton von Frohnatur Herbert Esslinger wird schärfer, versucht jemand, ihn von seinen klaren Vorstellungen auch nur ansatzweise abzubringen. Nicht nur der Anrufer während unseres Interviews. Auch eine Reihe Handwerker, Lieferanten und Ladenbauer, die an der Entstehung seines neuen Edeka-Marktes in Weißensberg bei Lindau am Bodensee beteiligt waren, hat diese Worte in den vergangenen Monaten zu hören bekommen. „Mit mir ist es nicht immer einfach“, räumt der Kaufmann ein. „Ich musste viele kleine Kämpfe austragen, um mein Konzept durchzusetzen.“

Die Kompromisslosigkeit kann sich sehen lassen: In jeder Ecke der 1.300 qm großen Esslingers Markthalle, bis hin zu den „Eventtoiletten“ und dem Mitarbeiterwohnzimmer, ist die Handschrift der Inhaberfamilie erkennbar. Sohn Johannes führt den neuen Markt und hat mit an Konzept und Umsetzung gefeilt. Mit viel Liebe zum Detail verwandelten Vater und Sohn den einstigen „Betonklotz“ in eine Industriehalle im alten Stil. Dafür wurden zum Teil Wände herausgenommen und die Decke erhöht. Stahl, Beton, Holz und Ziegel dominieren die Optik. Ein wiederkehrendes Element und zugleich Hingucker sind Sprossenfenster.

„Ich habe über viele Jahre Ideen und jede Menge Antiquitäten gesammelt, meine Frau hat auf Flohmärkten alte Bücher zusammengekauft, die nun zum gemütlichen Ambiente unseres Gastro-Bereichs beitragen, und zur Not wurden neue Dinge auf alt getrimmt“, erzählt Herbert Esslinger beim Rundgang durch den Markt. Dabei legte er oft selbst Hand an, griff auch mal zum Pinsel, um neuen Metallrahmen einen antiken Anstrich zu verleihen. Neben alten Zahnrädern, einem Flaschenzug und Lampen mit deutlicher Patina sammelte Esslinger sogar Ziegelsteine eines alten Bauernhofs, aus denen eine kleine Mauer im Marktentree errichtet wurde. Die übrigen Ziegelwände sind Kulissenbau. Auch hierfür suchte der Chef lange nach der richtigen Optik, die einer Industriehalle eine behagliche Atmosphäre verleiht – das primäre Ziel von Esslinger. Die richtige Beleuchtung trägt zusätzlich dazu bei. „Das Spiel mit Licht und Schatten macht Räume erst gemütlich“, weiß Esslinger. Bäro nahm die Herausforderung an. 15 unterschiedliche Lampentypen dienen nicht nur als Lichtquelle, sondern auch als Eyecatcher.

Ungewöhnlich ist die Abfolge der Warengruppen im Kundenlauf. Darauf angesprochen, kontert Esslinger mit spitzbübischem Grinsen: „Ich bin auch ein ungewöhnlicher Typ.“ Im Linkslauf findet der Kunde zunächst Getränke und Nonfood, bevor er auf das Herzstück des Marktes trifft, die Obst- und Gemüseabteilung. Bedienungstheken, Frische in SB und das Trockensortiment folgen. Vor der Kassenzone gibt es Süßwaren und Snacks sowie Kosmetik und WPR. Bodensticker leiten zu den Warengruppen – praktisch in Zeiten, da der Smartphone-süchtige Blick stets nach unten gerichtet ist.

Zwischen 20 und 25 Prozent der Lebensmittel in Esslingers Märkten tragen das Bio-Siegel. Vor allem jedoch profilieren sich die Allgäuer über das Thema Regionalität. Gut ein Fünftel des Sortiments kommt aus der Heimat. Allein 48 Artikel umfasst dabei die eigene Dachmarke „Allgäu Bodensee“. Darunter vereint sind ausgewählte Produkte wie Apfelchips, Eier, frische Nudeln oder Enten von bäuerlich und handwerklich arbeitenden Familienbetrieben vom Bodensee, aus dem Allgäu und Bregenzer Wald (Umkreis bis 50 km). Im neuen Markt werden die Artikel erstmals nicht im Block, sondern zugeordnet präsentiert.

Schnell gelesen
  • Markthalle Esslinger, Beim Rothen-Kreuz 1, 88138 Weissenberg
  • Vierter Markt von Edeka Esslinger, eröffnet am 1. Juni 2017
  • Im Stil einer alten Markthalle im Industrielook geschaffen
  • Umweltfreundlich, mit LEDBeleuchtung, Wärmerückgewinnung, Betonkernaktivierung und Solarstrom errichtet
  • Fokus auf Regionalität (Eigenmarke Allgäu-Bodensee) und Bio mit je gut 20 Prozent Umsatzanteil
  • Mut zu Neuem in Ladenbau und Sortimentgestaltung
  • Bistro und Bäckerei in Eigenregie

Neues wagt Esslinger auch im Bereich der Bedienungstheken: Nimmt Fleisch und Wurst den Hauptteil des 14 m langen Thekengürtels ein, wurde der Bedienungsbereich für Käse zurückgefahren. „Der Trend geht zu Käsestücken. Daher haben wir einer dreistufigen Präsentation mit Prepack-Ware mehr Platz eingeräumt, in der wir hochwertige Käsesorten, insbesondere unserer Regionalmarke, in Szene setzen“, erklärt der Edekaner. Auch einen Reifeschrank für Fleisch testet er. Wird das Angebot mit dry-aged Simmentaler Alpenrind und anderen Spezialitäten gut angenommen, werden die übrigen Esslinger-Märkte möglicherweise nachgerüstet.

Mit solch hochwertigen Produkten sollen u. a. anspruchsvolle Grenztouristen wie die Besucher des Schweizer Golf Clubs wenige hundert Meter entfernt angelockt werden. Bei Durchreisenden von der A96 und Mitarbeitern der örtlichen Mercedes-Benz-Niederlassung und anderer Firmen ohne eigene Kantine wollen Esslingers mit einem abwechslungsreichen gastronomischen Mittags-Angebot punkten. „Die Wirtschaften in der Umgebung sterben immer mehr aus“, erklärt der Chef.

Möglichst alles wird bei Esslingers selbst gemacht, Bäckerei und Bistro in Eigenregie betrieben. Aus frisch angeliefertem Teig werden vor Ort Seelen und Knauzen (Schwäbisches Brot und Brötchen aus Dinkelteig), sowie Steinofen-Pizza gebacken. Verschiedene Pasta-Sorten, nach Vapiano-Prinzip vorgegart und portioniert, werden ebenfalls im Handumdrehen zubereitet. Nicht selbst gekocht werden die drei Standardmenüs, die mittags zur Auswahl stehen – aus wirtschaftlichen Gründen.

Für die Einwohner von Weißensberge und Umgebung soll die Markthalle ein echter Treffpunkt sein, ihnen zudem Wege ersparen. „Es gibt keine Sparkasse mehr im Ort, daher kann man bei uns per EC-Kartenzahlung auch Bargeld abheben“, so Esslinger. Poststelle und Reinigungsservice (Abholung dienstags und freitags) befinden sich ebenfalls im Markt.

Bilder zum Artikel

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Bild öffnen Edeka-Kaufleute in dritter und vierter Generation: Herbert und Johannes Esslinger führen die Familientradition weiter. 1936 gründete der Urgroßvater von Herbert Esslinger das erste Kolonialwarengeschäft der Familie in Neuravensburg und legte den Grundstein für das Unternehmen mit heute vier Märkten.
Bild öffnen Die Produkte der eigenen Regional-Marke Allgäu Bodensee (Slogan „oifach guat“) präsentiert Esslinger im neuen Markt den Sortimenten zugeordnet.
Bild öffnen Regionale Fleischwaren und Dry aged-Beef finden Kunden in Bedienung.
Bild öffnen Dem Trend zu Käsestücken kommen Esslingers mit Partner Aichinger nach durch einen großen Präsentationsbereich für Prepack im Anschluss an die reduzierte Käse- Bedienungstheke.
Bild öffnen Sammlerstücke: Alte Zahnräder, Flaschenzug oder antike Lampen – Herbert Esslinger sammelte über Jahre Antikes für seinen nächsten Markt.
Bild öffnen Das Gastro-Angebot richtet sich auch an Firmen im Umkreis und an Durchreisende.
Bild öffnen Der Kühlraum für Getränke ist kombiniert mit einem gekühlten Zwischenlager für die dahinter liegende Obst- und Gemüseabteilung, aus dem Ware kurzfristig aufgefüllt werden kann.
Bild öffnen Herzstück des Marktes: Die Obst- und Gemüseabteilung liegt in der Mitte der Verkaufsfläche.
Bild öffnen Sprossenfenster, Holz und an geschliffenen Estrich erinnernde Bodenfliesen machten aus dem Betonklotz eine Markthalle.
Bild öffnen Ziegelmauer zu blass, Metallrahmen zu modern? Für den antiken Look griff der Chef selbst zu Pinsel und Holzkohle.
Bild öffnen Unter der Marke Peter Prime bündelt Johannes Esslinger mit Partnern besondere Produkte wie den Gin „Lake Stuff“.
Bild öffnen Sonst nur auf Wochenmärkten in der Region erhältlich: die Tees und Würzen der Marke Aurelia.

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