Lebensmittelverluste Neue Werte

Es ist ein Zeichen ethischer Verantwortung, wenn Handel, Industrie und Politik gemeinsam nach Wegen zur Reduzierung von Lebensmittelverlusten suchen.

Mittwoch, 07. März 2012 - Management
Udo Mett
Artikelbild Neue Werte
Gerd Häuser, Vorsitzender Bundesverband Deutsche Tafel:
Bildquelle: iStockphoto

In Europa werden jährlich laut einer Studie der Europäischen Kommission fast 90 Mio. t Lebensmittel vernichtet - pro Kopf sind das 180 kg. Werden keine weiteren präventiven Maßnahmen ergriffen, könnte das Volumen bis 2020 nach Prognosen der Kommission auf nahezu 126 Mio. t, also um 40 Prozent ansteigen. Laut Studie fallen 39 Prozent der vernichteten Lebensmittel in der Produktionsebene an, 42 Prozent beim Endverbraucher und nur 5 Prozent im Einzel- und Großhandel. Die EU-Kommission will nun die Situation im Sinne einer nachhaltigen Lebensmittelversorgungskette genauer analysieren und bis 2013 Maßnahmen zur Verringerung von Lebensmittelverlusten entwickeln. Auch das Europäische Parlament beschäftigt sich mit dem Thema. Ziel müsse sein, die Lebensmittelverschwendung bis 2025 zu halbieren. Die Parlamentarier appellieren u. a. an Industrie und Einzelhandel, Leitlinien zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen auszuarbeiten.

Die Bundesregierung schätzt das Volumen der in Deutschland im Abfall landenden Lebensmittel auf bis zu 20 Mio. t. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner hat eine Studie in Auftrag gegeben, die genauere Zahlen liefern soll. Die Ergebnisse werden am 27. März veröffentlicht.

Bezogen auf den LEH hat das EHI Retail Institute in Köln mit seiner Erhebung vom Sommer 2011 bereits differenzierte Ergebnisse geliefert. Die Quote der Lebensmittel, die durch Beschädigung oder Verderb in den Märkten nicht mehr verkauft werden können, beträgt hiernach im Durchschnitt 1,1 Prozent des Warenwertes aller bezogenen Produkte.

Obwohl nach Einschätzung des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels (BVL) ein Großteil der vernichteten Lebensmittel beim Endverbraucher anfällt, stehe dennoch der LEH in der Schusslinie, beklagt der Verband. Dem Einzelhandel wird in der Diskussion u. a. vorgeworfen, durch seine hohen Vermarktungs- und Qualitätsstandards zur Vernichtung von Lebensmitteln beizutragen. „Die Wareneinteilung nach Größe, Gewicht und Beschaffenheit durch den Handel ist jedoch kein Selbstzweck“, stellt der BVL klar. Sie diene der Qualitätsdefinition der Produkte und sei damit eine wichtige Basis der Geschäftsbeziehungen über die gesamte Kette. Kritiker bemängeln zudem, dass bei den Verbrauchern Verwirrung über Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) und Verbrauchsdatum herrscht. Der BVL verweist auf Umfragen, wonach Verbraucher Sinn und Zweck der Daten durchaus kennen, sich aber nicht oft genug daran hielten. (siehe S. 16). „Der Handel hat schon allein aus wirtscha ftlichen Gründen ein verstärktes Interesse daran, Lebensmittelabfälle zu vermeiden“, betont der BVL. So würden die Warenwirtschaftssysteme ständig optimiert, um die Warenmengen an die tatsächliche Nachfrage anzupassen. Dadurch ließen sich hohe Lagerbestände vermeiden und die Verderbsquote verringern. Produkte, die kurz vor MHD-Ablauf stünden, würden in Sonderaktionen verkauft. Ferner arbeitete der LEH bereits seit Jahren mit den Tafeln zusammen, um den Konsum noch verzehr- , aber nicht mehr verkaufsfähiger Lebensmittel zu ermöglichen. Oliver Krück, Marketing Manager beim Feinkosthersteller Kühlmann, hält die Diskussion um das Thema Lebensmittelvernichtung für ein wenig überzogen. Handel und Hersteller hätten ein gemeinsames Interesse, Lebensmittel zu verkaufen und nicht zu vernichten: „Die heutzutage verfolgte konsequente Sortimentspolitik und die damit verbundene recht zügige Auslistung relativ schwach laufender Artikel führt zudem zu einer Reduktion zu vernichtender Ware.“ Ein Ans atzpunkt zur Gewährleistung von Frische im Rahmen des MHD sind für Kühlmann kleinere Verpackungseinheiten. Auch Uplegger/GÜ, Hersteller von gekühlten Desserts, setzt bewusst auf kleinere Verkaufseinheiten, um Abschriften zu minimieren. Maximilian Graf Saurma (Business Development): „Dabei orientieren wir uns auch an den ländlichen Standorten, die einen nicht so hohen Umschlag haben wie beispielsweise City-Standorte.“

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Bild öffnen Gerd Häuser, Vorsitzender Bundesverband Deutsche Tafel:
Bild öffnen Michael Glück, Rewe Glück, Neuwied:
Bild öffnen Lebensmittelverschwendung: Die Diskussion um das MHD ist nur eine von vielen Facetten.