Pfand Wert des Leerguts

Im Marktkauf in Münster zeigt sich, wie sich Händler mit einem guten Rücknahmesystem für Ein- und Mehrweggebinde profilieren können.

Mittwoch, 07. März 2012 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Wert des Leerguts
Bildquelle: Hoppen

Wenn Kunden im Marktkauf in Münster ihre leeren Getränkekisten zurückgeben, ist das besonders für Kinder eine Attraktion. Durch eine Glasscheibe schauen sie zu, wie die Kästen auf einem Band über eine Schnecke bis unter das Dach gezogen werden. Danach zuckeln sie unter der Decke entlang bis zum Lager, wo sie durch eine Spindel wieder kontrolliert auf den Boden rutschen. Je mehr Kisten an einem der vier Automaten zurückgegeben werden, desto schneller dreht sich die Schnecke. Das freut die Kinder – und Geschäftsleiter Uwe Marx. Tag für Tag landen in seinem Laden 620 Kisten, 2.000 Mehrwegflaschen und 4.880 Einweggebinde an Leergut. Das sind etwa 12 Prozent mehr an Gebinden als verkauft wird. Für Marx eine gute Sache: Er macht mit der Leergutrücknahme monatlich einen zusätzlichen Umsatz von circa 10.000 Euro. Das Geld stammt aus dem Pfandausgleich, dem sogenannten „Clearing“. Mehrere Clearing-Unternehmen sorgen bundesweit dafür, dass Pfandüber- und - unterschüsse zwischen den Geschäften ausgeglichen werden (siehe Beispielrechnung für Einweggebinde im Kasten). „Im Handel ist das Bewusstsein dafür gestiegen, dass das Material, das man zurückbekommt, einen Wert hat. Pro Jahr werden allein 16 bis 20 Mrd. pfandpflichtige Einweggebinde zurückgenommen, das sind 4 bis 5 Mrd. Euro Pfandgeld“, sagt Heiner Bevers, Geschäftsführer von Tomra Systems Deutschland, dem Marktführer unter den Herstellern von Leergutrücknahmeautomaten.

Der Pfandausgleich ist aber nur ein Grund, warum Marx so großen Wert auf ein gutes Leergutrücknahmesystem legt. Dass er alle Gebinde zurücknimmt, auch solche, die er gar nicht führt, hat viel mit Dienstleistung und Service zu tun. Doch es rechnet sich auch für ihn, weil es Frequenz schafft: „Wir haben durchaus Neukunden gewonnen, die frustriert waren, weil sie ihr Leergut bei anderen Händlern nicht los wurden. Und die kommen jetzt auch zu uns, wenn sie gar kein Leergut haben.“ Seine Beobachtung ist: „Die Einkaufsstätten, die alles zurücknehmen, wachsen, andere haben rückläufige Umsätze.“

Mehr Kunden sind das eine, das Geld, das sie im Markt lassen, das andere. „In der Regel kaufen die Leute für den Pfandbon Ware. Und meistens kaufen sie mehr als nur den Pfandwert einzulösen“, weiß Marx zu berichten. Tomra-Chef Bevers pflichtet ihm bei: „Unsere Erfahrung ist, dass Menschen, die Leergut zurückbringen, einen höheren Durchschnittsbon haben als Leute, die ohne Leergut kommen.“ Gründe dafür sind Bevers zufolge, dass Menschen, die Pfandflaschen zurückbringen, einen geplanten Einkauf erledigen, in der Regel ein Auto dabei und somit genug Stauraum zur Verfügung haben und dass sie durch den Pfandbon Liquidität mitbringen. „Der Verbraucher freut sich, wenn der Kassenbon geringer ausfällt, denn er hat das Pfandgeld nicht verplant.“

Deutliche Kostenersparnis

Zur Rücknahme sind inzwischen laut Bevers Automaten der Standard. „Wir kennen keinen Markt mit mehr als 800 qm, der neu gebaut oder renoviert wird, der kein Leergutrücknahmesystem hat“, sagt er. In neun von zehn Fällen werde es dann am Eingang platziert, damit der Kunde den Wagen schon vor Beginn des Einkaufs wieder frei hat. Auch Marx, der gut 300.000 Euro in die Tomra-Anlage in Münster investiert hat, ist von den Vorteilen der Automatisierung überzeugt: „Für eine manuelle Rückgabe bräuchte ich vier Vollzeitkräfte. Das sind 30.000 Euro brutto im Jahr pro Mitarbeiter. Da amortisiert sich die Anlage schnell.“ Außerdem sei das automatische System insgesamt kalkulierbarer. Im Schnitt haben die Automaten nach Tomra-Angaben eine Lebensdauer von sieben bis zehn Jahren und können mehrere Mio. Gebinde zurücknehmen.

Hinzu komme, dass Automaten bei Kunden eine höhere Akzeptanz hätten als eine manuelle Rückgabe. „Kunden wollen nicht diskutieren. Sie wollen nicht, dass ein Mensch entscheidet, ob etwas angenommen wird oder nicht“, hat Marx festgestellt. Die Schnelligkeit spiele ebenfalls eine Rolle. „Die Leergutrückgabe findet satt, wenn der Markt ohnehin voll ist und die Mitarbeiter keine Zeit haben“, glaubt Bevers. Damit es im Automaten nicht zu Engpässen kommt, muss die Staufläche richtig dimensioniert sein. „Mindestens einen halben Tag sollte sie abpuffern können“, empfiehlt er.

Im Vergleich zur manuellen Rückgabe mache der Automat auch weniger Fehler. „Es gibt weit mehr als 2.000 verschiedene Kisten und allein mehr als 1.000 verschiedene Mehrwegflaschen, hinzu kommt die Differenzierung zwischen Mehrweg- und Einwegpfand. Da verrechnen sich Mitarbeiter schon mal“, erklärt Bevers. Dem Missbrauch sei durch das automatisierte System ebenfalls ein Riegel vorgeschoben.

Die Datensätze, die der Automat speichert, liefern Marx zusätzlich wertvolle Informationen: „Wir können minütlich sehen, was wir gerade da haben.“ Ein modernes Leergutrücknahmesystem könne ergänzend zur Kasse auch zu Marktforschungszwecken dienen, findet Bevers: „Der Händler kann abgleichen, ob das, was er an Getränken führt, übereinstimmt mit dem, was er zurückbekommt, und gegebenenfalls sein Sortiment anpassen.“ So könnten zusätzliche Getränke verkauft und weiteres Leergut generiert werden. Uwe Marx freut das – ebenso wie die Kinder, für die das Einkaufserlebnis im Marktkauf in Münster durch das Beobachten der die Schnecke hochfahrenden Kisten noch größer wird.?

Rücknahme rechnet sich
 Der Pfandbetrag unterliegt seit der Einführung des Einwegpfands 2006 der Mehrwertsteuerpflicht. Dies hat finanzielle Auswirkungen für den Händler. Er zahlt bei seinem Lieferanten pro Einweggebinde den Pfandbetrag von 0,25 Euro zuzüglich der Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Das macht einen Betrag von 0,0475 Euro, also fast 5 Cent pro Gebinde, aus. An seinen Kunden verkauft der Händler das pfandpflichtige Einweggetränk mit 0,25 Euro Pfand inklusive Mehrwertsteuer. Er tritt also in Vorleistung. Bekommt er das Einweggebinde zurück, erhält er vom Clearing-Unternehmen den Pfandbetrag zuzüglich der Mehrwertsteuer erstattet; dann ist seine Bilanz ausgeglichen. Jedes Einweggebinde aber, das er weniger zurücknimmt als er verkauft, verursacht bei ihm einen Verlust von 0,0475 Euro. Umgekehrt kann er einen Gewinn von 0,0475 Euro für jedes Gebinde verbuchen, das er mehr zurück nimmt, als er verkauft.
Bild: Mehr Leergut auf dem Band ist gut fürs Geschäft, finden Marktkauf-Geschäftsleiter Uwe Marx (l.) und Tomra-Chef Heiner Bevers.