Konjunkturfrage TREND 2010

Kaufkraft | Nachfrage | Konsum | Prognose

Die jährliche Konjunkturumfrage der LEBENSMITTEL PRAXIS zeigt zur Jahreswende 2009/2010 einen leichten Aufwärtstrend. Der Wert ist zwar immer noch schlecht, aber lange nicht so mies wie im Vorjahr, als die Finanzkrise gerade ihre volle Kraft entfaltete. Die Branche ist 2010 also etwas besser gestimmt als im vergangenen Jahr.

Donnerstag, 09. September 2010 - Management
Von Reiner Mihr und Markus Oess

„Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann“, wusste schon Tolstoi. Deutschland ist scheinbar besser durch die Finanzkrise gekommen als viele erwartet haben. Die Frage ist nur, ob das Warten schon vorbei ist.

Richtig ist: Deutschland hat in der Krise weniger Arbeitslose als beispielsweise Frankreich, die USA oder Großbritannien. Und das, obwohl die Wirtschaftsleistung eher stärker zurückgegangen ist. Aber: Die Menschen hier zu Lande behielten weitgehend ein festes Einkommen, das sie auch konsumieren konnten. Und das Marktforschungsunternehmen GfK meldete dazu 2009 lange Zeit ein recht sonniges Konsumklima. Erst gegen Ende des Jahres hatte sich der GfK-Konsumklima-Index eingetrübt – aber nur leicht.

Nun ist es nicht so, dass ein positiver Index dem Einzelhändler Kunden in den Laden treibt. Denn im Index werden nämlich nicht nur Einzelhandelsausgaben erfasst, sondern sämtliche Ausgaben des privaten Konsums – also auch Kosten für Reisen, Energie, Miete oder Versicherungen. Werden Strom oder Gas teurer, steigt auch der Konsumklima-Index, weil die Menschen dafür mehr Geld ausgeben müssen. Ob das positiv ist, sei dahingestellt. Es kommt hinzu, dass die Bedeutung der Einzelhandelsausgaben in den letzten Jahrzehnten auch deutlich nachgelassen hat: In den sechziger Jahren betrug der Anteil der Ausgaben für den Einzelhandel noch mehr als 50 Prozent, heute sind es nur noch zwischen 30 und 35 Prozent. So kommt es aber, dass der Einzelhändler Umsatzeinbußen hat, obwohl das Konsumklima anhaltend positiv ist.

Für die Annahme, dass es 2010 steil bergauf geht, besteht leider kein Anlass. Der Konjunktur ist zudem ein „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ schnuppe. Auch viele Einzelhändler sind skeptisch. In der Trendumfrage der LEBENSMITTEL PRAXIS bewertetet die Hälfte der Befragten das Paket als „Tropfen auf den heißem Stein“.Die deutsche Wirtschaft ist noch längst nicht aus der Krise, sagen jedenfalls die einschlägigen Institute. Sie melden zwar auf den ersten Blick Wachstumszahlen für das neue Jahr (zwischen 1 und 2 Prozent Wachstum sollen demnach drin sein), aber selbst diese moderaten Pluszahlen sind wohl eher auf den starken Rückgang 2009 zurückzuführen als real. Und nichts spricht dafür, dass die Privathaushalte 2010 ihre vorsichtige Ausgabenpolitik verändern werden. Dafür ist die Angst vor einem möglichen Arbeitsplatz-Verlust zu präsent.


 Nun gut, gegessen wird immer und so stellt sich wieder mal die Frage, wo wird dafür was gekauft? Discontierende Systeme gewinnen in schwierigen Zeiten, Vollsortimenter tun sich schwerer. Letztere haben sich allerdings mittlerweile zum Teil sehr gut gegen die Billigheimer positioniert und halten dem Wettbewerb ganz gut aus. So ist denn auch erklärbar, dass der LP-Branchenindex in diesem Jahr eine Aufwärtsentwicklung zeigt.

Die jährliche Konjunkturumfrage der LEBENSMITTEL PRAXIS zeigt zur Jahreswende 2009/2010 einen Index von -18. Immer noch ein schlechter Wert, aber nicht so mies wie der vom Vorjahr (-44), als die Finanzkrise gerade ihre volle Kraft entfaltete. Insgesamt ist die Branche also etwas besser gestimmt als im vergangenen Jahr, aber noch meilenweit von euphorischen Zuständen entfernt. Die gab es übrigens zuletzt zum Jahreswechsel 2000/2001 mit einem Wert von plus 20 und 2006 zu 2007 sowie 2007 zu 2008 mit plus 16 und plus 17!

Trotzdem, die Top-Themen, die den Lebensmittel-Einzelhandel beschäftigen, bleiben Kostendruck und Preiskampf. Erst dann geht es an das eher Konzeptionelle: Eigenmarken, Regionalität, Ernährungsansprüche an Produkte, Frische. Bei der Einschätzung der vermutlich 2010 im Fokus stehenden Warengruppen gab es bei der aktuellen Trend-Umfrage eine kleine Überraschung: Vorjahrs-Spitzenreiter „Bio“ fiel auf Platz 4 zurück. Das spricht dafür, dass sich die Erwartungen an das Bio-Sortiment normalisieren. Auf Platz 1 landetet stattdessen Obst und Gemüse. Das Sortiment ist schon immer vorne dabei, aber erstmals ganz vorne. Ernährungsaspekte beim Einkauf nimmt auch der Einzelhändler immer mehr wahr und wichtig. Gleichauf liegt übrigens Tiefkühlkost. Hier zollt der Einzelhandel der Tatsache Tribut, dass eine Warengruppe sowohl vom Handling, dem Nutzen für Kunden als auch von Ernährungsaspekt positive Werte aufweist.

Zur Methode

Die LEBENSMITTEL PRAXIS hat Mitte bis Ende November des vergangenen Jahres erneut ausgewählte Führungskräfte im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel zu ihren Erwartungen für das Jahr 2010 befragt. Gleichzeitig fragte die Redaktion auch nach den voraussichtlich chancenreichsten Sortimenten.

Zu diesem Zeitpunkt sahen einige Experten bereits das Ende der Finanzkrise voraus. So ist zu erklären, dass die Erwartungen für 2010 besser sind als die Beurteilung des 2. Halbjahres 2009. Allerdings sind auch die besseren Erwartungen für das gerade angelaufene Jahr noch negativ und zeugen von gesundem Realismus der Befragten.

Für übertriebenen Optimismus besteht auch kein Anlass: Einige Folgen der Finanzkrise wie Arbeitsplatzverlust, schwindende Kaufkraft oder Konsumunlust kommen erst noch zum Tragen.

Rund 1.000 Fragebögen wurden verschickt, die Rücklaufquote lag bei der Befragung bei fast 70 Prozent. Die Redaktion bedankt sich bei allen, die teilweise schon seit Jahren an dieser Befragung teilnehmen.