SdJ - Kongress Auf die Zukunft vorbereitet

Hochkarätige Redner und spannende Themen: Wichtige Zukunftsfragen wurden auf dem Kongresspodium diskutiert. Abgerundet wurde das Programm durch praxisnahe Themen wie Ladenbau.

Montag, 06. Mai 2024 - Management
Susanne Klopsch und Jens Hertling
Artikelbild Auf die Zukunft vorbereitet
„KI-Systeme sind Assistenzsysteme, sie ersetzen keinen Menschen auf der Fläche“, sagte Dr. Robert Reiche von Conet.
Bildquelle: Ingo Hilger, Peter Eilers

Die Branche befinde sich in einem ständigen Wandel, sei dabei aber auch oft Motor für Fortschritt, Innovation und Wohlstand: So fasste Björn Fromm, Präsident des BVLH, die aktuellen Herausforderungen der Branche zusammen. Von der Regierung erwartet er dabei Verlässlichkeit, Praxistauglichkeit und Kooperationsbereitschaft.

Dass dies laut Fromm nicht immer der Fall ist, zeige das Beispiel der Initiative Tierwohl (ITW). Praktisch allgegenwärtig ist das vierstufige Label der Haltungsform-Gesellschaft, hinter der die 2015 von Fleischwirtschaft, Handel und Gastronomie gegründete ITW steht. „Dieses vierstufige System ist ein großer Erfolg und wird von den Verbrauchern geschätzt und honoriert. Und wie reagiert die Regierung: Sie schafft mit dem verbindlichen staatlichen Tierwohllabel ein eigenes Siegel.“ Fromm weiter: „Warum verdient ein privatwirtschaftlicher Ansatz nicht anerkannt und geschätzt zu werden?“ Er forderte die Händler auf, Politikern ihrer Region zu erklären, wie die Lebensmittelbranche funktioniert. „Beteiligen Sie sich an der Meinungsbildung und überlassen Sie diese nicht anderen“, so sein Appell.

Der Händler muss reagieren
Über künftige Arbeitszeitmodelle im Handel diskutierten Jens Berger (Globus), Viktoria Habig (Edeka Habig) und Dr. Oliver Stettes (Institut der Deutschen Wirtschaft Köln). „Tatsache ist, dass für die Menschen nicht nur das Gehalt, sondern auch die Arbeitszeitgestaltung immer wichtiger wird. Und darauf muss der Händler reagieren“, sagte Stettes. Jens Berger betonte die Verantwortung des Arbeitgebers für die Mitarbeiter. „Arbeitszeitmodelle sind daher ein wichtiger Faktor nicht nur für die Gewinnung neuer und vor allem jüngerer Mitarbeiter, sondern auch für die langfristige Bindung“, so Berger. Die Folge: Bei Globus wird ab Oktober die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich von 40 auf 37 Stunden reduziert.

Dr. Alexander Skorna und Julia Timmerbeil erläuterten die „ESG Rechtsrahmen – Risiken für Unternehmen“. Weltweit, so Skorna, nehme die Zahl der auf Nachhaltigkeit ausgerichteten gesetzlichen Vorgaben deutlich zu. Besonders ambitioniert sind die Entwicklungen auf EU-Ebene. Dies führe dazu, so Skorna, dass auch kleinere Unternehmen, die nicht direkt von den neuen Gesetzen betroffen sind, von ihren Kunden zunehmend zum Handeln aufgefordert werden. Er empfahl, die Entwicklungen möglichst umfassend zu beobachten und rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen.

Pessimismus ist fehl am Platz
„Was fehlt unserem Land?“, so startete Marcel Fratzscher seinen Vortrag. Fratzscher, Präsident des DIW, lieferte gleich die Antwort. „Im Klartext: Der Verlust der wirtschaftlichen Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression – das sind die Schlagworte der Krise.“ Dies sei aber nur eine Momentaufnahme und Pessimismus fehl am Platz, so der Wissenschaftler. Die Voraussetzung für Veränderungen: Zuversicht und Vertrauen in die eigenen Stärken. „Mit einem starken Rechtsstaat, einer soliden Wirtschaftsstruktur und der Solidarität der Menschen hat Deutschland drei Standortvorteile.“ Fratzscher ergänzte: „Unser Land ist nicht der kranke Mann Europas. Wenn wir unsere Kräfte mobilisieren, wird es das auch nicht werden.“

Mit dem richtigen Spirit
„Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit gehören zusammen“: Prof. Dr. Gerhard Drexel, Aufsichtsratspräsident Spar Österreich, erläuterte den „Spirit of Spar“. Die Zahlen sprechen für sich. Im Lockdown-Jahr 2020 wurden in einer gemeinsamen Kraftan-strengung aller etwa 600 Eigenmarken entwickelt. Unabhängigkeit von Lieferketten war eine wichtige Motivation. Die Eigenmarken stehen inzwischen für einen Umsatzanteil von 43 Prozent. Spar löste 2020 die Rewe als Marktführer ab und blieb seitdem Spitzenreiter. „Wir halten auch die Discounter in Schach“, sagt Drexel. Zum „Spirit of Spar“ gehören unter anderem: Mitarbeitern muss eine kompeti­tive, also wettbewerbsorientierte Einstellung vermittelt werden; die Durchschnittlichkeitsfalle vermeiden; A-Führungskräfte fördern, denn sie ziehen A-Mitarbeiter an; eine Kultur des Zuhörens vorleben. Das geht nicht von heute auf morgen: „15 bis 20 Jahre hat das schon gedauert.“

Was hat der Händler von KI?
Wie kann künstliche Intelligenz (KI) mir und meinem Unternehmen helfen? Anregungen dazu gab es von Dr. Robert Reiche. Er ist Managing Consultant Data Intelligence beim Bonner IT-Berater Conet. „KI ist ein strategisches Thema“, sagte er. Während die „klassische“ KI ein starkes Analysetool sei, hebe generative KI das Ganze auf ein neues Niveau: Mit Chat GPT oder Microsoft Copilot könne nun jedermann KI nutzen. Reiche favorisiert „Learning by doing“. „Seien Sie mutig: Geben Sie Mitarbeitern Zugang zu einer KI, lassen Sie sie drei Monate testen – es wird mit Sicherheit mindestens ein Projekt herauskommen, das Ihnen helfen kann.“ Etwa ein Tool für die Kunden-App, die aus fünf Zutaten in Sekundenschnelle ein Rezept empfiehlt. Das gehe allerdings nicht ohne strukturierte Daten.

Abendessen to go für die Handelsgastronomie
„Schaffen Sie Angebote für besonders preissensible Kunden in der Handelsgastronomie“, riet Sebastian Walter, Consumer Panel GfK. Denn die Bundesbürger gehen seltener ins Restaurant. „Der LEH trifft mit einem To-go-Abendessen die Bedürfnisse der Kunden“, sagte Walter. Im Bereich Abendessen stieg der Take-away-Anteil um 21 Prozent (MAT Februar bezogen auf Vorjahr). Bei warmen Gerichten waren Pizza und Pasta stark nachgefragt, ebenso Wurst, Pommes und Co. mit einem Zuwachs von 16 Prozent. Walter: „Aktivieren Sie Ihre Kunden über Loyalitäts- und Kundenbindungsangebote.“

Mit begrenztem Budget auf der Höhe der Zeit
Moderner und nachhaltiger Ladenbau: Geht, sagten die Teilnehmer der Diskussionsrunde mit Dr. Oliver Blank (CEO Aichinger), Michael Junker (Inhaber Juconcept) sowie Thomas Spiekermann (Schweitzer Ladenbau). Sie sprachen über modulare Lösungen, die der Kaufmann seinen und den neuen Anfor­de­rungen der Zeit zum vertretbaren Investment anpassen kann. Die Wiederaufarbeitung älterer Theken sei wegen des starken Verschleißes nicht immer ratsam. Sogenannte Refreshs böten sich aber etwa bei Regalen an. „Auch mit begrenztem Budget kann ein tolles Facelift gelingen“, so der Tenor.

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Beteiligung an der politischen Meinungsbildung auf.
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Bild öffnen Die Handelsgastronomie profitiert von der Einbindung in Loyalitätsprogramme, weiß Sebastian Water (GfK).
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