Ladenbau Wie von Geisterhand

In Weiden in der Oberpfalz liefert Edeka-Händler Grünbauer in seinem E-Center einen Vorgeschmack auf die Ladenlogistik der Zukunft.

Dienstag, 30. November 1999 - Management
Udo Mett
Artikelbild Wie von Geisterhand
Bildquelle: Witron

Auf den ersten Blick unterscheidet sich das 10 m lange Verkaufsregal mit Konserven auf der einen und alkoholfreien Getränken auf der anderen Seite nicht von einem konventionellen Supermarktregal. Wirft man jedoch einen Blick hinter die Kulissen, erinnern die Einbauten in der „Nachschubgasse“ im Inneren des Regals an ein Hightech-Hochregallager. Vollautomatisch gesteuert und lautlos rangiert hier ein kleiner Transportwagen (Shuttle) an den Regalreihen entlang und füllt von innen die Regale mit neuer Ware auf. Zuvor sind alle aktuellen Regalbestände ebenfalls aus dem Regalinneren heraus artikelgenau per Laser erfasst worden. Fehlende Artikel und die jeweils notwendigen Ergänzungsmengen werden im Nachschubbereich/Lager konfektioniert. Das Shuttle transportiert die nachzufüllende Ware dann durch einen Tunnel bis hinein in die Nachschubgasse. Behutsam befördert ein Schieber Flaschen, Packungen oder Dosen millimetergenau in die einzelnen Regalfächer. Die Regalb öden wurden speziell für das automatische Nachfüllsystem entwickelt und sind mit rollierenden Gliederböden ausgestattet, wodurch Grifflücken im Frontbereich der Regale sofort aufgefüllt werden.

Das automatische Supermarkt-Regal (SRS – Shelf Replenishment System) ist ein Pilotprojekt der Parksteiner Witron Logistik und Informatik GmbH. Es steht nach fast dreijähriger Entwicklungsarbeit jetzt seit gut einem Jahr im Edeka Center von Klaus Grünbauer in Weiden in der Oberpfalz. „Das Testsystem hat durch die intensive Zusammenarbeit mit Handelsexperten und Regalbauern bereits Praxisreife“, versichert Witron-Chef Walter Winkler und betont, dass man durch die Integration des SRS-Regals in die Logistik des Supermarktes das System im Echtbetrieb „auf Herz und Nieren“ teste und daraus wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Anlage gewinne. Unterstützt wird das Projekt von der zuständigen Edeka-Regionalgesellschaft Nordbayern/Sachsen/Thüringen.

Wie Witron-Vertriebsleiter Udo Schwarz mit Hinweis auf wissenschaftliche Studien erklärt, entstehen 50 Prozent der Logistik-Kosten im Lebensmittel-Einzelhandel unmittelbar im Markt. Die Automatisierung des Supermarktregals setze deswegen genau hier an, um vor allem die Kosten für das manuelle Einräumen der Ware und für die Pflege der Regale zu reduzieren. Auch wenn Witron derzeit die Höhe der notwendigen Investition nicht konkret benennt, geht Schwarz von einer Amortisationszeit von vier bis neun Jahren aus. Edeka-Kaufmann Grünbauer beziffert den Personalaufwand für die Regalpflege in seinem 4.200 qm großen Markt auf ca. 80 Arbeitsstunden pro Tag, woraus sich ein Volumen von jährlich etwa 25.000 Stunden errechnet. Ein großer Teil hiervon ließe sich einsparen, wenn zumindest das Trockensortiment auf SRS umgestellt werden würde, immerhin 10.000 Artikel im Weidner E-Center. Doch ein Komplettumbau des Marktes rechne sich keinesfalls und sei auch nicht beabsi chtigt, wie Grünbauer ganz klar sagt. Der Umbauaufwand sei einfach zu groß. Das hier installierte System diene ausschließlich der praktischen Erprobung.


Durchaus realistisch ist für Grünbauer jedoch, eine Filiale zu eröffnen, die im Bereich der Trockensortimente im Zuge eines Neubaus vollständig mit SRS ausgestattet werde. Das Potenzial für zwei weitere Supermärkte im Format des Weidener E-Centers sei in der Oberpfalz durchaus vorhanden. Wie Schwarz durchblicken lässt, könnte schon im kommenden Jahr der erste Supermarkt gebaut werden, der weitestgehend mit SRS arbeite.

Das in Weiden installierte System beschränkt sich zwar auf ein einzelnes Verkaufsregal. Es ist aber auf beliebig viele Regale ausbau- und erweiterbar. Die Anzahl der eingesetzten Shuttles kann entsprechend angepasst werden. Darüber hinaus ist eine Anbindung der SRS-Technik an das Warenwirtschaftssystem des Supermarktes möglich, da das System durch regelmäßige Scannung stets artikelgenau den gesamten Regalbestand kennt. Durch die SRS-unterstützte Befüllung des Supermarktregals gibt es laut Entwickler und Betreiber keine Regallücken mehr. Alle Artikel seien permanent verfügbar und befänden sich stets sauber ausgerichtet und übersichtlich im Frontbereich der Verkaufsregale. Der Nachschub erfolge automatisch. Selbst an Tagen mit hoher Kundenfrequenz seien die Regale stets gefüllt, und alle Artikel könnten von Kunden leicht erreicht und gegriffen werden. Für die 260 Artikel in dem Versuchsregal registriert Grünbauer demzufolge zum Teil deutliche Absatzstei gerungen. Hingenommen werden muss jedoch noch eine Fehlerquote, die sich daraus ergibt, dass Kunden zuvor entnommene Ware an den falschen Platz zurückstellen oder mal ein Artikel umfällt. Hier komme man um manuelle Kontrollen und Korrekturen nicht umhin.

„Aufgrund des systemgesteuerten Warennachschubs mit Hilfe von Shuttles wird der Zugang zum Regal nicht mehr durch Einräumarbeiten behindert“, beschreibt Grünbauer einen weiteren Vorteil des Systems. Auch wenn die Kunden von dem Automatik-Regal direkt nichts zu sehen bekämen, würden sie durchaus registrieren, dass alle Artikel stets verfügbar und die Gänge immer frei zugänglich und sauber seien.

{tab=E-Center Grünbauer, Weiden}

  • Verkaufsfläche: 4.200 qm
  • Mitarbeiter (auf Vollzeitbasis): 80
  • Auszubildende: 10
  • Umsatz (inkl. Getränkemarkt): 12,5 Mio. Euro
  • Artikelzahl: ca. 40.000
  • SRS-Regal
  • Regallänge: 2 mal 10 m plus Gondelköpfe
  • Artikelzahl: 260

{tab=Bildquelle}

Witron, Edeka Grünbauer

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